𝐶𝑎𝑟𝑟𝑖𝑒
Es war absolutes Idiotenglück, dass wir diese Insel gefunden hatten. Der Meinung war Ryan zwar nicht, da er natürlich als Captain des Schiffes bloß seinem unfehlbaren Instinkt gefolgt war, doch daran sollten wir uns auch nicht stören. Sowohl Fran als auch ich vermissten so langsam festen Boden unter unseren Füßen, obwohl uns das Schiffsleben etwas besser gefiel als uns lieb war. Die Dragonfly fuhr also immer weiter auf die weißen Sandstrände der Insel zu als sich zur Vorfreude auf das Festland auch ein paar Bedenken mischten.
"Was machen wir eigentlich, wenn die Insel bewohnt ist und man uns dort nicht haben will?" fragte meine beste Freundin zweifelnd und sah misstrauisch zu Finn und Jake hinüber, die das Beiboot in letzter Sekunde auf eventuelle Lecks überprüften.
"Quatsch, wir haben schon tausende solcher Inseln besucht und die waren noch nie bewohnt!" antwortete Jake über die Schulter und klang ziemlich sorglos, fast ein bisschen zu sorglos.
"Es wird schon nichts passieren!" stimmte Finn zu und begutachtete eines der Paddel, das so etwas wie Bissspuren aufwies.
Als wir endlich im Beiboot saßen und langsam auf das palmenbesetzte Ufer zusteuerten, war unser Misstrauen fast wieder verflogen. Die Insel war einfach zu schön, um irgendetwas Böses hervorzubringen.
"Ich nenne sie... Seagrass Island!" verkündete Jake, als er den ersten Schritt an Land machte.
"Der Name klingt doof, nimm lieber irgendetwas mit Delfinen!" begann Ryan zu diskutieren, während wir Finn fragende Blicke zuwarfen.
"Das machen wir immer, wenn wir eine Insel besuchen. Es ist egal, ob den Namen irgendjemand benutzt, hauptsache wir haben Spaß!" erklärte er, nur um dann "Hier sind doch gar keine Delfine, benenn sie einfach nach den Palmen!" einzuwerfen.
Grinsend folgten Fran und ich den Jungs, denn mittlerweile hatte uns der Forschungsdrang gepackt. Weder meine beste Freundin, noch ich, waren jemals auf einer Insel gewesen. Obwohl ich eher Angst haben sollte, weil uns die Dragonfly schon so weit weg von Green Harbour gebracht hatte, war ich viel zu neugierig. So schob ich mir eine Pflanze nach der anderen aus dem Weg und konnte es kaum erwarten, hier etwas Spannendes zu entdecken.
"Also, als erstes müssen wir Proviant und Wasser suchen, um unsere Vorräte aufzufüllen! Dann geht es wieder zurück aufs..." rief uns Ryan zu, der plötzlich von einem lauten Knacken im Unterholz unterbrochen wurde.
"Was zum...?" entfuhr es Finn, als auf einmal mindestens zehn völlig verwilderte Männer vor uns standen. Ihrer dreckigen, zerissenen Kleidung nach zu urteilen waren sie definitiv Piraten.
"Fesselt sie an die Palme da!" kommandierte der Größte von ihnen. Mit einem erwartungsvollen Blick wandten Fran und ich uns zu Finn, Jake und Ryan. Sie hatten doch Pistolen und unsere Gegner offenbar nicht, da sollte es doch leicht sein ohne Schaden davon zu kommen!
"Bitte sagt nicht ihr habt die Waffen auf dem Schiff vergessen!" kam es wütend von Fran als Antwort auf die verzweifelten Blicke unserer Entführer.
"Ihr habt Waffen an Bord? Das wird ja immer besser!" freute sich einer der Männer und lachte.
"Wir sitzen jetzt schon acht Monate hier fest! Danke für das nette Schiff, das gehört jetzt nämlich uns!" grummelte ein dicker Mann neben dem, der vorhin gesprochen hatte, und sah uns hämisch an.
"Ihr könntet uns doch einfach mitnehmen!" schlug Ryan hoffnungsvoll vor, wurde jedoch bloß ausgelacht.Offenbar waren Ryan, Jake und Finn wirklich Piraten der netteren Sorte.
"Und jetzt Abmarsch! Clark, hol ein Seil!" kommandierte der Größte und schubste uns zu einer der dicksten Palmen.
"Hinsetzen!" grunzte der Dicke unfreundlich und band uns alle an der Palme fest. Nur zehn Minuten später war die fremde Mannschaft auch schon verschwunden und wir waren wieder allein auf der Insel. Diesmal wohl entgültig, denn weit weg von uns konnte ich noch die roten Segel der Dragonfly sehen, die sich langsam von uns entfernten. Diese fremden Piraten waren einfach mit dem Schiff und allem darauf abgehauen!
-
"Unbewohnt habt ihr gesagt! Unbewohnt und ungefährlich!" beschwerte ich mich angepisst und versuchte meinen Arm aus dem Seil zu ziehen. Leider hatte der fremde Mann ganze Arbeit geleistet und es lockerte sich nicht im geringsten irgendetwas.
"Wir sind Geißeln von Geißeln, wenn die Situation nicht so scheiße wäre, wäre es fast lustig." kam es ebenfalls wütend von Fran.
"Wir konnten doch auch nichts dafür! Woher hätten wir das denn wissen sollen?" verteidigte sich Jake rechts von mir.
"Jaa jaa..." grummelte ich und verfluchte im Stillen den Sand in meiner Hose.
"Wir können doch nicht wirklich das erste Schiff hier seit acht Monaten gewesen sein!" kam es von Ryan auf der anderen Seite der Palme.
"Leider kann das sehr wohl sein. Ich befürchte ich weiß so langsam, wo wir sind." überlegte Finn. "Scheinbar sind wir ziemlich weit nach Westen abgetrieben worden, dort ist ein Haufen unbekannter Inseln, bei denen so gut wie nie jemand lang fährt!" fuhr er fort, was die Situation jedoch kein bisschen besser machte.
"Scheiße!" brüllten wir alle wie aus einem Munde.
Der ganze restliche Tag und die ganze Nacht war einfach nur furchtbar, wir hatten Durst und Hunger, doch wir kamen ja nicht los. Nicht mal ein Messer hatte einer der Männer dabei! Zumindest regnete es nicht, dafür konnten wir so umso besser jedes der gruseligen Geräusche im Wald der Insel hören. Ich versuchte zwanghaft, nicht an die ganzen Tiere zu denken, die vielleicht giftig und gefährlich waren.
Keiner von uns konnte wirklich schlafen außer Ryan. Kaum war es dunkel geworden, schnarchte er laut vor sich hin und träumte von seinem Schiff, dem er hinterher trauerte. Wir anderen redeten manchmal, doch die meiste Zeit schwiegen wir. Dem Mond nach zu urteilen ging es auf den Morgen zu, als Finn sich räusperte.
"Sollten wir wirklich hier sterben, dann tut es uns ehrlich leid. Wir hatten wirklich nicht damit gerechnet, dass alles so eskaliert!" flüsterte er, um Ryan nicht zu wecken. Ich hob die Augenbrauen: Wenigstens tat es ihnen leid, dass sie Fran und mich aus unseren Leben gerissen hatten und wir jetzt vielleicht draufgehen würden.
"Ja, das sollte echt bloß eine kleine Entführung bleiben!" stimmte ihm Jake zu, worauf Fran grinste.
"Ihr hättet uns nicht umgebracht, wenn ihr kein Lösegeld bekommen hättet, oder?" fragte sie und ich sah, dass sie lächelte.
"Nein!" grinsten Finn und Jake einstimmig, da musste ich auch lächeln.
DU LIEST GERADE
Die Dragonfly-Chroniken
Humor„Ladys, willkommen an Bord der Dragonfly. Fühlt euch wie zuhause!", verkündete der Braunäugige und klatschte triumphierend in die Hände. Dann sagte er an die anderen beiden gewandt: "Finn, Jake, bindet sie an den Mast." - Carrie und Frances kennen...