𝐹𝑟𝑎𝑛𝑐𝑒𝑠
"Tut uns leid.", meinten Carrie und ich gleichzeitig. Jake und Finn hatten zwar beide ihre Pistolen auf die gerichtet, sahen sie aber trotzdem entschuldigend an.
"Ihr Arschlöcher.", entfuhr es Lily und ich musste schlucken. Noch nie in meinem Leben hatte mich jemand so wütend angesehen. "Was zum Teufel wollt ihr von mir?"
"Erklären wir dir später, jetzt musst du bitte mit uns mitkommen.", antwortete Finn so diplomatisch wie nur möglich. Lily schaute uns ungläubig an:
"Euer Ernst? Ich komme sicher nicht mit euch mit!"
"Nur hat dich niemand nach deiner Meinung gefragt, Lily.", konterte Jake und sprach damit die Tatsachen aus. Lily klappte der Mund auf uns sie sah sich ängstlich um. Dachte sie wohl gerade daran, zu fliehen?
"Wenn du schreist oder versuchst abzuhauen schießen wir, auch wenn wir es ungern tun. Und jetzt vorwärts.", kommandierte Finn und ging mit der Waffe auf sie zu. In Lilys Augen hatte sich nun eine andere Emotion gestohlen: Hier war nicht mehr pure Wut, sondern auch ein Hauch von Panik.
Unauffällig drückte Jake Lily die Pistole in den Rücken, sodass niemand erkannte, dass es sich hier gerade um eine Entführung handelte. Lily ging widerwillig mit uns mit und hatte einen panischen Gesichtsausdruck aufgesetzt.
Ich biss mir auf die Lippen: Carrie und ich wussten genau, was gerade in ihrem Kopf vorging und trotzdem machten wir bei der ganzen Sache mit. Zwar hatten wir vor, sie sicher und so unverletzt wie eben nur möglich wieder zurückzubringen, doch das wusste sie nicht.
Inzwischen waren wir bei unserem Seil angekommen und so viel wir wussten hatte uns niemand bemerkt. In diesem Moment blieb Lily stehen: "Dafür werdet ihr hängen." Wir wechselten kurz Blicke, doch dann lachte Jake auf:
"Du bist nicht die Erste, die das zu uns sagt. Und jetzt Abmarsch!" Sie warf noch einen letzten Blick auf ihre Mannschaft und ihr Schiff, dann ließ sie sich das Seil hinunter gleiten. Kurz danach stiegen auch wir in das Boot und nahmen die Ruder in die Hand.
Die Fahrt verging quälend langsam und mein Puls war auf 180, als wir auf einmal die Stimmen hinter uns hörten:
"Sie haben Evans!", schrie einer der Männer auf dem Handelsschiff. Ich zog scharf die Luft ein: Wieso konnte nicht einmal ein Plan so verlaufen, wie wir es vorgesehen hatten? Nur ein verdammtes Mal!
Jake reagierte sofort und drückte seine Pistole gegen Lilys Schläfe. Ihr Kopf wurde zur Seite gedrückt und sie machte vor Angst große Augen. Zu unserer Freude rief derselbe Mann, der uns erkannt hatte:
"Nicht schießen, sonst passiert ihr etwas!" Die Schiffsschlacht schien für diesen Moment wie erstarrt zu, denn alle Augen waren auf unser kleines Ruderboot gerichtet. Ich sah Ryan am Heck stehen, ein triumphierendes Grinsen auf den Lippen. Wir ruderten weiter, Lily schien fast all ihren Mut verloren zu haben. Endlich hatten wir die Dragonfly erreicht und Elias und Jonah ließen uns die Leiter herunter. Wir kletterten der Reihe nach nach oben.
Als Lily das Deck erreicht hatte, kam Ryan auf uns zugerannt und blieb vor Lily stehen. Einen Augenblick sahen sie sich undefinierbar an, dann packte Ryan Lilys Arm und sie wurde mal wieder mit der Kanone bedroht. Sie stellten sich schön sichtbar für das andere Schiff hin und Ryan rief:
"Ihr werdet uns jetzt ohne weitere Zwischenfälle wegfahren lassen, sonst könnt ihr euch bei ihr verabschieden!" Lily biss sich auf die Lippen, als sich auf einmal ihre Miene erhellte und sie den Soldaten auf ihrem Schiff zurief:
"Die erschießen mich nicht. Sie brauchen mich, sonst hätten sie mich nicht hier her gebracht!"
Carrie und ich hielten die Luft an und sahen starr dabei zu, wie ein paar Männer ihre Waffen auf uns richteten. Denn der Rotschopf hatte recht: Wir würden sie niemals umbringen!
Plötzlich ertönte ein lauter Knall, sodass ich und alle übrigen geschockt zusammen zuckten. Ryan hatte in die Luft geschossen. Seine Pistole rauchte noch, als er Lily am Arm grob zu sich zog. Niemand von uns bewegte sich, nur Ryan flüsterte Lily etwas zu, das klang wie "Lieber mein Leben als deins.", dann rief er:
"Wenn wir tot sind brauchen wir sie nicht mehr, also denkt gar nicht erst daran!" Es gab einen Moment der Stille, dann nickte einer der feindlichen Männer. Vermutlich war er in einer ziemlich hohen Führungsposition, wie man an seiner Uniform sehen konnte:
"Ihr dürft fahren." Glücklich sahen wir uns an, dann setzte sich unsere Mannschaft in Bewegung und wir fuhren dieser Mannschaft schon ein zweites Mal direkt vor der Nase weg.
Erst jetzt fiel mir auf, dass ich am ganzen Körper zitterte und ich meine Pistole so fest umklammerte, dass meine Hand wehtat. Ich ließ sie los und schaute zu Lily, die ihrem eigenen Schiff sehnsüchtig hinterher blickte.
Als wir außer Reichweite waren stießen wir Jubelrufe aus - das war unser erster Sieg mit der Crew!
"Wir haben es geschafft! Der erste Teil der Prophezeiung wurde erfüllt!", freute sich Jonah. Nino nickte strahlend:
"Ich gehe uns etwas kochen! Zum feiern!"
"Und vergiss den Rum nicht!", lachte Sam.
Sogar Johanna und Louise sahen endlich einmal zufrieden drein. Lily währenddessen war alles andere als glücklich: Düster schauend ließ sie sich von Finn an den Mast binden. Carrie und ich warfen uns schuldbewusste Blicke zu: Zwar war uns klar, dass das hier zum Piratenleben dazu gehörte und im Großen und Ganzen hatten wir kein Problem damit, aber Lily hatte uns schon einmal den Arsch gerettet und das hatte sie definitiv nicht verdient.
Jake, Ryan, Carrie und ich versammelten uns inzwischen wieder drinnen in der Kajüte und warteten auf Finn. Als er zu uns kam, sah er uns erwartungsvoll an:
"Und jetzt?"
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Die Dragonfly-Chroniken
Humor„Ladys, willkommen an Bord der Dragonfly. Fühlt euch wie zuhause!", verkündete der Braunäugige und klatschte triumphierend in die Hände. Dann sagte er an die anderen beiden gewandt: "Finn, Jake, bindet sie an den Mast." - Carrie und Frances kennen...