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𝐹𝑟𝑎𝑛𝑐𝑒𝑠

Geschockt starrte ich auf den Wachmann, der nun unter mir kniete. Mit weit auf gerissenen Augen sah er das Messer an, das in seinem Bauch steckte. Erst jetzt schien er es realisiert zu haben, denn er sackte in sich zusammen und landete auf dem inzwischen mit Blut getränkten Boden. Ich wollt meinen Blick von ihm anwenden, doch ich konnte nicht. Mit offenem Mund sah ich dabei zu, wie das Licht in seinen Augen erschlosch und nur noch ein lebloser Körper übrig blieb.

"Komm, helfen wir den anderen.", flüsterte Carrie mir zu. Sie hatte es geschafft, ihren Wachmann sofort umzubringen, sodass er beinahe schmerzlos gestorben war. Ich nickte und zog mein Messer aus seinem Bauch heraus, dann hob ich den Kopf und schaute zu unserer Crew. Sie sahen uns teils überrascht, teils überglücklich an.

"Carrie, Fran!", rief Sam glücklich, was von allen mit einem genervten "Pssst" quittiert wurde. Da traf mein Blick den von Finn, der zusammen mit Jake und Jim an einer Wand lehnte. Ich ließ mein Messer wieder fallen und stürmte auf ihn zu, genau wie er. Ich wollte ihm in die Arme fallen, doch die Gitterstäbe zwischen uns hielten uns davon ab. Er drückte meine mit Blut beschmierten Hände und fragte leise:

"Geht es dir gut?" Ich nickte und spürte, wie mir bei seinem Anblick ein riesiger Stein vom Herzen fiel.

"Was ist der Plan?", fragte Jake, der sich inzwischen zu Carrie gesellt hatte und sie erleichtert ansah.

"Wir sind zu wenige und viele von uns nicht kampferfahren genug, deshalb können wir das Schiff nicht übernehmen.", fing Carrie an zu erklären. Es dauerte nicht lange, dann wussten sie von unserem mehr oder weniger guten Plan Bescheid. Zu gerne wollte ich unsere Crew jetzt schon befreien, doch sie mussten leider noch einen Tag in den Zellen warten. Carrie und ich nickten uns zu, dann verschwanden wir in der Waffenkammer gleich nebenan. Wenig später kamen wir mit ein paar Messern und kleinen Schwerten wieder heraus und Carrie hatte sogar drei Pistolen mitgehen lassen. Eigentlich hätte unsere Mannschaft mehr gebraucht, aber wir durften nicht zu viele Waffen stehlen, sonst würde es auffallen.

"Danke.", murmelte Elias und steckte das letzte Messer in seinen Stiefel. Ich hob leicht die Mundwinkel, dann wandte ich mich Jim, Jake und Finn zu.

"Jetzt die Vorratskammer, oder?", fragte Jim und spielte mit dem Revolver in seiner Hand.

"Ja.", antwortete ich mit Herzklopfen und biss mir ängstlich auf die Lippen.

"Hey, Fran!" kam es plötzlich von Finn, der etwas abseits von der Crew und seinen Freunden stand. "Pass auf dich auf, in Ordnung?", meinte er als ich zu ihm heran trat, zwischen uns das Gitter.

"Du aber auch!", antwortete ich und lächelte schwach.

"Ich wünschte ich könnte das in einer etwas weniger gefährlichen Situation machen, aber nur für den Fall dass es so etwas nach Morgen nicht mehr geben wird..."

Mein Herz setzte eine Sekunde aus als Finn mich küsste.
Doch als er sich von mir löste und mich verlegen angrinste, wusste ich, dass ich alles tun würde, damit dieser erste Kuss nicht der letzte gewesen war.

Als ich einen kurzen Blick zu Jim und Jake warf, die verwunderlicherweise weder lachten noch irgendetwas sagten, war ich mir sicher, dass sie noch Sekunden vorher mit den Augenbrauen gewackelt hatten.

"Wir müssen los!", holte mich Carrie schließlich in die Realität zurück und grinste unverschämt. Ich verdrehte die Augen, doch in meinem Bauch flatterten die Schmetterlinge wie wild. Nichtsdestotrotz mussten wir uns jetzt auf den Plan konzentrieren. Ich warf einen letzten Blick zurück auf Finn und die anderen, dann zog mich Carrie wieder die Treppe nach oben.

Leise schlichen wir das fast menschenleere Deck entlang. Ich sah zurück zu unserer kleinen Zelle, vor der immernoch unser Wachmann tief und fest schlummerte. Sonst war niemand hier, man hörte nur sein Schnarchen und das Rauschen der See. Die Vorratskammer war am anderen Ende des Schiffes, weshalb es an ein kleines Wunder grenzte, dass uns niemand gesehen hatte. Carrie sah sich ängstlich in der Umgebung um, dann lehnte sie sich gegen die Tür und öffnete sie damit knarzend. Die Kammer war vollgefüllt mit Essen, mehr, als die Mannschaft jemals verbrauchen konnte.

Gemeinsam mit Carrie legten wir kleine Wege mit dem Schießpulver, das wir aus der Waffenkammer gestohlen hatten. Bei jedem lauten Knarzen der Planken unter uns musste ich zusammenzucken: Wenn uns jetzt jemand erwischte, was alles umsonst gewesen. Deshalb seufzte ich erleichtert, als wir fertig damit waren und Carrie eine kleine Kerze mitten in das Schießpulver stellte. Ich atmete kurz tief durch, dann nahm ich ein Feuerzeug aus der Waffenkammer und zündete den Docht an.

Sobald die Kerze weit genug niedergebrannt war, würde der Raum samt allen Vorräten in die Luft gehen.Also hatten wir keine Zeit zu verlieren, deshalb schlossen wir die Tür hinter uns und eilten wieder hinüber zu unserer Zelle. Als wir dort fast angekommen waren, blieb Carrie jedoch wie erstarrt stehen und zeigte mit dem Finger auf unsere Zellentür.

"Unser Wachmann ist weg.", flüsterte sie alarmiert. Ich riss panisch die Augen auf und überlegte scharf, was wir jetzt tun sollten. Ich konnte meine Überlegung jedoch nicht einmal zu Ende bringen, da packte mich eine starke Hand grob am Arm und riss mich herum.

"Was zum Teufel habt ihr hier zu suchen?", knurrte ein Matrose. Um uns sammelten sich mehrere Männer, alle funkelten uns böse an.

"Wir, wir wollten nur...", stotterte ich ängstlich und wechselte Blicke mit Carrie, die auch von einem von Vaters Männern festgehalten wurde. Mein Angreifer jedoch riss an meinen Haaren und zwang mich so, ihm direkt in die Augen zu schauen:

"Was habt ihr getan?" Tränen sammelten sich in meinen Augen, als ich schmerzerfüllt hervorpresste:

"Bitte, wir-"

Knall.

Das Schiff wurde erschüttert, sodass der Wachmann mich losließ und alamiert seine Matrosen ansah.

"Jetzt ist es zu spät.", meinte Carrie und sah den Wachmann provokant an. Wenig später war das ganze Schiff wach und ein junger Mann stürmte auf uns zu:

"Fast der ganze Bug  ist zertrümmert! Auch die Vorratskammer!" Die Nachricht sprach sich sofort am ganzen Schiff herum, während die Männer Carrie und mich in die Kajüte meines Vaters schliffen.

Sie hatten uns fest im Griff, als Dad mit knallrotem Kopf auf uns zu stapfte und weit mit der Hand ausholte. Mit einem lauten Klatschen verpasste er uns beiden eine, sodass mir schon ein zweites Mal Tränen in die Augen schossen.

"WARUM ZUM TEUFEL REICHT ES NICHT EINMAL EUCH WEGZUSPERREN, DAMIT IHR WERTLOSEN BIESTER NICHTS KOMPLETT DUMMES MACHT?!" Wir antworteten nicht, sondern sahen ihn nur wütend an. Mit einem Mal wandte er sich von uns ab und sagte zu den Soldaten hinter uns: "Bringt diesen Abschaum zu ihresgleichen."

Sie schleppten uns unter Deck und warfen uns in eine der Zellen. Wir stolperten und landeten auf dem harten Boden, meine Wange kribbelte unangenehm. Finn kam sofort auf mich zugeeilt und kniete sich zu mir hinunter.

"Wie schlimm war es?", fragte Jim bestürtzt.

"Also dafür, dass wir sein halbes Schiff in die Luft gesprengt haben, sind wir eh gut davongekommen.", murmelte Carrie benommen und zeigte auf ihre Wange. Jakes Blick verfinsterte sich auf der Stelle, als er den roten Abdruck auf ihrem Gesicht sah:

"Er hat Allan umgebracht, Lily und Tiger von Bord geworfen, die Dragonfly zerstört und jetzt euch auch noch geschlagen... Dafür bringe ich ihn um."

Die Dragonfly-ChronikenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt