Kapitel 32

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Chris kraxelte eine Leiter zu einem der Wachtürme empor. Er hielt es keine Sekunde länger dort unten im Camp aus. Als würde die Luft dort einen erdrücken. Es war erniedrigend zu sehen wie alle Arbeiten still lagen und all diese verlorenen Gesichtszüge zu erblicken. Der Trainingsplatz, der sonst immer gefüllt war mit Menschen, die gekämpft hatten und ein Strahlen voll Zuversicht im Gesicht hatten, war nun leer und verlassen. Auch die Bauarbeiten standen still. Verlassen blieb das angefangene Gerüst, der neuen Hütte übrig, das wie ein Skelett, traurig und zurückgelassen in der Gegend stand. Zudem hatte sich eine beängstigende Stille über das Camp gelegt. Keine Leute, die erzählten und lachten, keine Geräusche des Bautrupps, die mit provisorischen Holzhämmern auf Hölzer schlugen und auch kein Metall oder Holz, welches aufeinander traf durch die Krieger die trainierten. Eine gähnende Stille lag hier, als hätte man ein Todesurteil gefällt... Diese Stille wurde nur hin und wieder von den abgehakten Schauerlauten der Scratchers unterbrochen und genau dann wünschte man sich die Stille doch wieder zurück.

Es war nicht zum Aushalten, weswegen Chris ein wenig Abstand brauchte. Er hatte Darek erblickt, der auf einem der Wachtürme stand und hinausblickte. Chris wollte sich selbst einen Blick verschaffen.

Darek drehte sich nicht einmal zu ihm um, obwohl Chris sicher war, dass er ihn kommen hörte. Das Knarzen der Leiter und die Schritte auf den Hölzern waren unüberhörbar.

Darek stand mit dem Rücken zu ihm und hatte die Arme auf dem Holzgeländer abgelegt, um seinen ganzen Oberkörper dagegen zu lehnen. Er stand leger da und sah einfach in die Ferne. Chris schritt langsam auf ihn zu und stellte sich neben ihn. Auch er lehnte sich an das Geländer und sah an den Horizont.
Die Sonne spiegelte sich auf dem Meer und brachte es zum Glitzern. Durch die Sonneneinstrahlung sah das Meer gar nicht mehr so düster und wütend aus, sondern freundlich. In den warmen Sonnenstrahlen sah allgemein die Insel gar nicht mehr so trostlos und verzweifelnd aus.

Der Schein trügt jedoch und der warme Moment verflog, als Chris das Stöhnen der Scratchers hörte. Er sah hinab und erblickte eine dieser Kreaturen, die gerade zwischen zwei Bäumen hervor hinkte. Eindeutig ein Mann, gut zuerkennen am Körperbau trotz entstelltem Gesicht. Er beobachtete die Kreatur wie sie mit abgehakten Schritten dem Tor zum Camp näherkam. Ein Arm hing schlaff und Blut rann an diesem hinab welches ihm von den Fingern auf den Boden tropfte. Wie hypnotisiert schlurfte der Mann auf das Tor zu und gab fürchterliche Geräusche von sich, schwere Atemzüge und hartes Röcheln, als würde er kaum Luft bekommen.

Schritte und Rascheln war zu hören, weswegen Chris aufsah. Den Mann schien dies allerdings nicht zu interessieren, er schleppte sich einfach weiter, völlig geistesabwesend. Wenig später stolperten drei Scratchers aus dem Dickicht heraus. Kreischend und brüllend.

Wie Untiere benahmen sie sich und keiften sich an. Eine Frau und zwei Männer. Die Scratcher schlugen sich und attackierten sich gegenseitig, weswegen Chris die Mimik verzog. Wie ein Rudel wildgewordene Verstandslose gingen sie aufeinander los. Zunächst sprang die Frau einen der Männer an und kratzte ihm das Gesicht blutig, weswegen dieser aufschrie. Der andere Scratcher versuchte die Frau von dem Mann wegzuzerren und schlug die Fingernägel in sie. Aber sie blieb hartnäckig, schrie nur auf, ließ den Mann allerdings nicht los. Wie ein Knäul taumelten die drei durch die Gegend und stießen irgendwann an den vierten Scartcher, der dadurch zu Boden fiel. Zunächst blieb er liegen, ehe er den Kopf hochriss und fürchterlich die blutigen, teils schwarzen Zähne bleckte. Eine abscheuliche Fratze.

Er wirbelte auf und stürzte sich nun ebenfalls in die wilde Rangelei. Weswegen die vier sich stritten oder in die Haare bekommen hatten, wusste Chris nicht. Vermutlich wussten die vier es selbst nicht, denn deren Zurechnungsfähigkeit war stark anzuzweifeln. Sie führten sich einfach auf wie hirnlose Irre, wie tollwütige Bestien. Chris hatte diese Biester schon aus der Nähe erlebt und deren wahnsinnigen Blicke gesehen, die in ihren Augen lagen. Einerseits beängstigend, andererseits faszinierend in diese purschwarzen Augäpfel zu sehen. Es war erschreckend, wie menschlich sie einerseits erschienen und wie bestialisch sie sich andererseits verhielten. Chris wusste nicht was er schrecklicher empfinden sollte, dass pure Aussehen, das Verhalten oder die fälschlich menschlichen Züge.

Die Fünf Elementare - Das Erwachen [Band 1 der Elementary-Trilogy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt