Kapitel 25

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Die Jungs genossen weiter die Ruhe.

Chris hatte derweil wieder die Augen geschlossen und versuchte zur Abwechslung einfach mal an gar nichts zu denken. Sonst hatte er immer Stunden damit verbracht seinen Kopf zu durchforsten und angestrengt über alles nachzudenken bis er Kopfschmerzen bekam. Nun wollte er einfach mal entspannen und sich über nichts den Kopf zerbrechen.
Erstaunlicherweise gelang es ihm ziemlich gut. Er war selbst überrascht wie gut es funktionierte und staunte nicht schlecht, dass ihm auffiel, es nie wirklich versucht zu haben. Er war zu sehr immer verbissen damit beschäftigt gewesen nach Antworten in seinem Hirn zu graben und es so lange zu penetrieren bis es flehend die Antworten ausspuckte, aber letztendlich hatte Chris immer den Kürzeren gezogen.

Darian und Yunho schienen genau wie er die Ruhe zu genießen. Keiner sagte ein Wort und sie verbrachten gefühlte Stunden im Wasser. Um ehrlich zu sein hatte Chris momentan das Gefühl, gar nicht mehr aus dem Wasser zu wollen. Es war so angenehm und wohltuend. Es war der erste Augenblick auf der Insel in dem er sich wirklich tiefenentspannt fühlte und es ihm mehr vorkam als wäre er mit seinen besten Freunden in einem Wellnessurlaub. Die grausamen und angsterfüllenden Ereignisse von kürzlich waren längst in der Ferne und alles war ausgeblendet. Vermutlich konnten sie gerade deswegen so gut entspannen, weil sie alle drei kürzlich noch so unter Adrenalin gestanden hatten und heil aus dieser Sache herausgekommen sind.

Chris seufzte wohlig und ließ sich tiefer ins Wasser gleiten, so dass gerade so nur noch sein Kopf aus dem Wasser ragte. Das kühle Nass umfing wohltuend seine Haut und hatte ihn reingewaschen. Er fühlte nichts mehr von diesem abstoßenden Ekel, der sich auf seine Haut gelegt hatte und er somit für sich selbst empfunden hatte. Der Schmutz und all das Blut waren durch das Wasser gelöst worden und waren einfach liquidiert worden, als wäre nie etwas davon dagewesen. Er fühlte sich wie neugeboren, wie gereinigt.

Als das Wasser leicht schwappte und Geräusche verursachte, öffnete Chris die Augen und erblickte Darian, der sich erhoben hatte und mit dem Rücken zu ihm und Yunho stand. Sein Oberkörper ragte aus dem Wasser und entblößte so wieder die tiefen Narben auf seiner Haut.
Chris hatte sie fast schon wieder vergessen gehabt und nun wo er den entstellten Rücken des Älteren wieder vor Augen hatte, fragte er sich erneut was geschehen war. Er haderte mit sich ob er Darian darauf ansprechen konnte oder ob es nicht eher zu unhöflich war, jemand auf so etwas anzusprechen. Aber die Neugierde war zu groß. Chris hätte sogar am liebsten die Finger danach ausgestreckt und über die rauen Unebenheiten gestrichen, als wolle er sich vergewissern, dass sie real waren.
„Was ist da passiert?" fragte Chris letztendlich vorsichtig.

Darian sah über die Schulter nach hinten und machte sich nicht mal die Mühe sich gänzlich umzudrehen.
Chris schluckte ein wenig bei dem ausdruckslosen Blick des rostbraunhaarigen, dennoch hakte er nach „Die Narben..."
Darians Ausdruck verzog keine Miene, aber in seinen Augen erkannte Chris, dass schmerzliche Erinnerungen daran lagen. Darian griff mit einer Hand über die Schulter und strich sich übers eigene Schulterblatt, dort wo die große Narbe begann. Er fühlte die raue Unebenheit mit den Fingern.

Darians Gesicht sprach davon, dass er absolut keine guten Erinnerungen damit verband und Chris war fast so, als habe Darian bis eben die Tatsache vergessen, dass Narben sein Rücken zierten und Chris ihn daran erinnert hat. Etwas Schreckliches musste passiert sein, dass erkannte Chris an den Augen des rostbraunhaarigen und an der trüben Mimik.

„Nichts was der Rede wert wäre..." flüsterte Darian und spätestes jetzt war es eindeutig, dass er nicht darüber reden wollte und eigentlich gar nicht daran erinnert werden wollte.
Chris bereute direkt überhaupt gefragt zu haben, denn er wollte keine alten Wunden aufreißen, was er somit allerdings offenkundig getan hatte. Er fühlte Reue und Mitleid. Darian wirkte stets fröhlich, aufgeweckt und optimistisch, ihn nun so betreten und mit schmerzvollem Glanz in den Augen zu sehen, ließ Chris erzittern.

„Ich weiche allmählich auf." sagte Darian dann und stieg nun aus dem Tümpel.

Er griff nach seinen Kleidern, während er sagte „Euch noch viel Spaß."

Dann verschwand er in der Dunkelheit hinter einigen Büschen. Chris hatte ihn noch kurz nachgesehen, ehe er langsam den Kopf senkte. Er ärgerte sich darüber Darian danach gefragt zu haben und den Älteren damit verletzt zu haben und noch viel mehr ärgerte er sich, dass er sich nicht einmal dafür entschuldigt hatte.

„Darian redet mit niemanden darüber." hörte er Yunho von der Seite, der fast wie ein Unbeteiligter klang „Die ersten Tage auf der Insel waren wie die Hölle. Also sei froh, dass du hier so spät ankamst."

Ihm war bereits bewusst gewesen, dass Darian diese Narben sicherlich erst bekommen hatte, als er schon auf der Insel war, dennoch war er neugierig gewesen, was ihm nicht zugestanden hatte. Auch war Chris bewusst, dass der Anfang schwerer gewesen sein musste als alles andere und das all diejenigen, die hier den Anfang hatten machen müssen, die schwersten Zeiten durchgemacht hatten. Vermutlich war genau dies der Grund warum Yunho und Darian so eng befreundet waren, weil sie schon viel durchgemacht hatten. Immerhin hatte Yunho keine Sekunde gezögert da raus zu gehen und Darian zu retten. Es zeugte also davon, dass die beiden eine enge Freundschaft verband, eben weil sie hier schon lange zusammenlebten. Fast eineinhalb Jahre hatten sie gemeinsam auf der Insel überlebt, bis Chris dazu kam, der nun seit einigen Wochen hier war. Und doch spürte Chris ein wenig Enttäuschung, dass Yunho offensichtlich Darian besser kannte und von dem Vorfall, der ihm die Narben bescherte Bescheid wusste, während er ahnungslos blieb.

Es musste wirklich eine schwere Zeit gewesen sein, klar dass es deren Freundschaft zusammengeschweißt hatte. Nach dem Scratcher-Angriff, nach der Sorge, um seine Freunde und zu sehen wie deren Zusammenhalt war, dass sie nicht aufgaben und zu wissen, dass Yunho und Darian schon hier einige schlimme Dinge erlebt haben mussten, machte Chris andererseits auch wieder unheimlich wütend. Zornig auf die Leute, die sie herbrachten.

Die Fünf Elementare - Das Erwachen [Band 1 der Elementary-Trilogy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt