5

1.4K 63 7
                                    

Kilian

Ich schlug meine Augen auf. Benommen blickte ich mich um, wobei ich mich aufsetzte und gleich wieder nach hinten fiel. Mein Kreislauf war im Keller. Wieder richtete ich mich auf, dieses Mal allerdings langsam und vorsichtig. Ein Dröhnen erklang in meinen Ohren, welches mit der Zeit immer leiser wurde. Nach kurzem blieb ein Rauschen in meinen Ohren. Verwirrt blickte ich mich um. Ich war in einem hellen großen Raum. Der Boden war aus ordentlichem, glattem, schwarzem Holze. Solches hatte ich noch nie gesehen. Es sah teuer aus. Die Möbel waren aus genau so fein gemachtem Holz.

Das große Bett, in welchem ich lag hatte eine Seidendecke und Daunenkissen. Es stand in der Mitte des Raumes. Direkt gegenüber war eine Tür. An den Wänden standen teuer aussehende Schränke. Nur die rechte Seite war möbellos, denn dort waren große Glastüren, welche viel Licht in den Raum ließen und einen herrlichen Ausblick zeigten.

Mit zittrigen Beinen befreite ich mich aus der weichen Decke. Wieder wurde mir schwarz vor Augen. Was war nur passiert? An welchem Ort war ich und warum war ich allein? An meinem eigenen Körper herunterblickend sah ich, dass mir ein Oberteil fehlte. Eine unbekannte Narbe zog sich über meinen Bauch bis unter die Brust. Langsam stand ich auf und spürte dabei all meine Knochen. Mein ganzer Körper tat weh. "Autsch.." Ohne nachzudenken, ging ich auf das riesige Glas zu und berührte es mit großen Augen. Es fühlte sich glatt und kalt an. In Schlössern gab es Glas und auch in den Kirchen, aber angefasst hatte ich es noch nie. Ich schaute hinaus. Zu sehen war ein unglaublich blauer Himmel mit einer strahlenden Sonne. Nur wenig Wolken waren zu sehen.

Den Blick weiter nach unten gerichtet sah man genauso blau. Es war Wasser. Das Meer, dachte ich. Nur aus Gedichten und Geschichten hörte ich von dem unendlich vielen Wasser, welches ein Meer darstellte.

"Wo.." Ich kratzte mich gedankenverloren am Kopf.

"Das ist mein persönliches Haus. Und du bist in einem der Gästezimmer, was eigentlich, wenn überhaupt, nur mein Bruder einnimmt." Seine Stimme klang rau und mehr wie ein Knurren als ordentliches Reden. Er klang gelangweilt und schlecht gelaunt, vielleicht auch etwas hochnäsig.

Der Mann mit der tiefen Stimme kam aus dem nichts. Erschrocken sprang ich in die Luft und drehte mich dabei. Ein leiser Schrei entfloh meinem Mund. Schmerz zuckte durch meinen Kopf und schoss durch meinen ganzen Körper. Er blieb in meinem Bauch und wurde stärker.

Auf einmal fiel mir alles wieder ein. Meine Schwester, der Vampir und diese Hand in meinem Bauch. Seine Stimme war es, welche mich so panisch fragte, ob ich leben wollte. Er rettete mich, da war ich mir sicher. Ich schaute ihm direkt in die Augen. Der Schwarzhaarige stand in der Tür, die Arme verschränkt. Ich erinnerte mich. Dieser Mann war mir nicht fremd. Ich sah ihn ein paar Tage vor der letzten Nacht. Damals, als ich ihn zum Schloss führen sollte. Und dann rettete er mich vor dem Vampir letzte Nacht. Ich war schwer verwundet gewesen. Wieder blickte ich an mir herab. Die Narbe schien zu leuchten, so kam es mir beim Hinschauen vor. Dort fühlte ich Schmerz.

"W-Wieso bin ich hier? Wieso bin ich am Leben? Ich hätte tot sein müssen.. oder starke Schmerzen haben.. oder-" "Ruhe." Er sprach die Worte und sofort hielt ich den Mund. Die Dominanz in diesem einen Wort war zu stark, sie überrumpelte mich. Mein Herz schlug schnell.

"Du bist am Leben, weil ich dich gerettet habe. Der Vampir ist tot." "Meine Schwester." Meine Stimme war nur ein leises Flüstern. "Lebt.", erwiderte er knapp. Ich stieß die Luft aus. Meine Beine verweigerten ihren Nutzen und ich rutschte auf den Boden. Erleichterung durchströmte mich. "Wieso.. Wieso habt Ihr mich mitgenommen?" Fragend blickte ich ihm kurz in die Augen und dann schnell wieder weg. "Du wärst auf jeden anderen Weg gestorben. Deine Schwester hatte Mitleid in mir geweckt. Sie hatte nur den einen Wunsch. Dein Überleben. Und bei unserer ersten Begegnung mochte ich wohl irgendwie deine Art. In diesem Moment wollte ich dir dein Leben retten, freue dich also darüber."

Er setzte sich auf einen Stuhl und deutete auf das riesige Bett. "Setz dich dahin." Nervös stand ich vom Boden auf und ging auf das große Bett zu. Meine Glieder waren angespannt. Würde er versuchen mir etwas anzutun, dann würde ich sofort reagieren. Auch wenn er mir mein Leben gerettet hatte, hieß das nicht, dass ich mir schlimme Dinge antun lassen würde. Ich setzte mich und nahm mir mit zitternden Händen die Decke. Es war unangenehm vor diesem angsteinflößenden Mann ohne Oberteil zu sitzen. Ich schlang Decke eng um mich. "Du kannst dich entspannen. Du bist von nun an hier zu Hause, also frag mich ruhig was du wissen willst."

"Warum bin ich am Leben?" "Ich habe dich gerettet, sagte ich doch schon.", antwortete er genervt. "Wie?" "Erfährst du ein anderes Mal. Hast du noch weitere Fragen?" Seine Augen lagen die ganze Zeit auf mir. Mein Blick richtete ich auf einen Holzschrank mit feinen Verzierungen, der hinter ihm stand. "Wie darf ich Euch nennen?" "Mein Name ist Ray. So kannst du mich nennen. Ja ich bin ein Demon. Du heißt Kilian, richtig?" Ich nickte nur. Und schluckte leicht. "Ist meine Schwester bei meiner Mutter? Geht es beiden gut?" "Ja ist sie. Da ist alles okay, nehme ich an." Seine Stimme nahm wieder einen genervten Ton an. "Wieso habt Ihr mich gerettet?" "Sagte ich doch schon. Aus Mitleid und Neugierde." Wieder ein Nicken von mir.

"Seid Ihr.. ein Demon?" "100 Punkte für dich. Ja, ich bin ein Demon." Meine Augen wurden riesig. "Oh Gott.." "Nein. Demon. Nicht Gott." Ray erhob sich. "Dieses Haus ist abgelegen von jeglicher Zivilisation. Das nächste Dorf ist zwei Stunden schnellen Fußmarsch von hier entfernt. Hier bin nur ich. Von Bediensteten halte ich nichts. Hier sind nur du-" Er ging zu der Glaswand und öffnete eine Tür. "- und ich." Er trat auf einen Balkon. "Und was soll ich jetzt hier? Ich verstehe das nicht." Er seufzte. "Wie sollst du es auch verstehen. Du bist jetzt hier. Und wie es weiter geht, das werden wir sehen. Direkt gegenüber ist ein Bad. Das kannst du benutzen. Du kannst dir auch das Haus anschauen und heraus gehen. Deine Kleidung von gestern war voller Blut. Im Bad wirst du ersten Ersatz finden." Ich nickte. "Danke Ray."

Wieder blickte er intensiv zu mir und zum ersten Mal bildete sich ein Lächeln auf seinen Lippen. Ray kam auf mich zu und seine Hände berührten meine blonden Haare und verwuschelten sie zärtlicher, als ich es für möglich gehalten hätte. "Du bist hier sicher. Hab keine zu große Angst vor mir, Kleiner." Er ging zu der offenstehenden Tür. "Dadurch, dass du am Leben bist könnte es sein, dass du demnächst einige Veränderungen spüren wirst. Sobald das passiert, gibst du mir Bescheid. Ganz wichtig. Ach ja, fast vergessen. Du darfst jederzeit rausgehen, aber nicht verschwinden. Nach offiziellen Regeln gehörst du nun vollkommen mir. Meine Regel ist: Komm mir nicht in die Quere und hau nicht ab. Versuchen es nicht einmal, ich würde dich sowieso finden." Kurz schwieg er und ließ die Worte sacken.

"Essen gibt es gegen sieben. Also sei pünktlich im Esszimmer, Kleiner." Er schaute mich noch einmal an und ich hatte das Gefühl, seine dunklen braunen Augen bekamen einen Rotstich. Dann war er verschwunden und ich wieder allein in dem riesigen Luxuszimmer.

Verzweifelt und nicht so recht wissend, wie diese Situation nun einzuschätzen ist blickte ich auf die Stelle, auf der gerade noch der Demon Ray zu sehen war. "Woher soll ich denn wissen, wann es um sieben ist?"

DemonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt