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Kilian

Ich wurde in einem fremden Zimmer wach. Es gab ein Fenster, vor dem weiße Vorhänge angebracht waren. Das Bett in welchem ich lag war riesig und ich war eingepackt in einer großen, weichen Decke. Das Bett war schöner als das im Schloss.
Gähnend stand ich auf und blickte aus dem Fenster. Die Sonne stand hoch, es war danach zu urteilen irgendwann in den Nachmittagsstunden.
Abgesehen von dem Bett gab es zwei Schränke, einen Tisch und einen Stuhl. Auch zwei Türen existierten in dem Raum. Eine würde zu einem Bad führen, die andere raus aus dem Zimmer, vermutete ich.
Auf dem Tisch lag ein Pergament.
Die Schrift war von Ray.

'Wir reden später. Ich werde heute Abend kommen. Das ausknocken tut mir leid.
Ray.'

"Tz. Ray hatte mich ausgeknockt? Er macht mich so wütend!"
Ich dachte nach. Das letzte, an das ich mich erinnerte, war ein Kuss. Er sagte etwas zu mir, doch was genau es war wusste ich nicht mehr. Aber er hatte mich geküsst. Oder war das nur im Traum? Ich wusste es nicht. Ich war mir nicht sicher.

Obwohl ich gerade Ewigkeiten geschlafen hatte, fühlte ich mich müde. Mit einem Gähnen verließ ich den Raum.
Ich ging hinaus aus dem Gasthaus und blickte mich um. Viele Menschen waren unterwegs. Wenigstens kam ich so endlich dazu mir die Hafenstadt anzusehen. "Entschuldigung, aber wie kommt es, dass heute so viel los ist?", fragte ich eine Frau mit einem Korb voller Äpfel.
"Die andere Königsfamilie kam vor kurzem an. Viele Händler sind mit in die Stadt gekommen. Deswegen sind auch Menschen aus Dörfern und Städten aus der Umgebung und von weit hergekommen."
"Ich danke ihnen.", sagte ich lächelnd. "Nichts zu danken." Sie schaute mich an. "Seid ihr einer aus dem Schloss?", fragte sie mich nach kurzem mit großen Augen. Sie wirkte verwirrt. "Ich bin nur ein Bauer mit falscher Kleidung.", erwiderte ich. Wir verabschiedeten uns und ich lief durch die Hafenstadt.


Von der kleinen Anhöhe, auf der ich stand, konnte ich das Meer sehen. Obwohl zu Hause schon der Winter Einzug gehalten hat, war es in dieser Stadt warm. Es lag auch kein Schnee.
Aber das hatte mir Ray auch schon erzählt. Er sagte, es hatte was mit der Nähe zur Sonne zu tun oder so ähnlich.
Ich lief durch die Straßen, schaute mir die Stände und die zufrieden aussehenden Menschen an. Ich wünschte mir meine Schwester her. Ihr würde es hier gut gefallen. Sie hätte Spaß. Ich sah sie schon durch die Straßen rennen, mit Menschen reden und lachen.
Auf der anderen Seite sah ich Ray und mich, Händchen haltend laufen, zufrieden. Ich fühlte mich geborgen, verliebt und glücklich.

"An was denkt Ihr?", hörte ich eine weibliche Stimme hinter mir.
"Huh? Oh, hallo." Ich drehte mich um und blickte zu der jungen Frau hinter mir. Es war die Prinzessin, Henriette.
"Prinzessin, was macht ihr denn hier?", fragte ich das hübsche Mädchen überrascht und ohne, dass ich es wollte, klang meine Stimme feindselig.
"Ja ich bin es. Was für eine Überraschung ein bekanntes Gesicht zu sehen."
"Mit Euch hätte ich hier nicht gerechnet.", sagte ich so nett lächelnd, wie es mir meine innere Eifersucht möglich machte. Ich mochte sie nicht, doch das musste ich mir nicht komplett anmerken lassen, also biss ich die Zähne zusammen, was mein Verhalten anging.


"Lasst uns doch einen Spaziergang machen. Oder besser, leistet mir beim Essen Gesellschaft, dann muss ich nicht allein essen.", sagte sie lächelnd.
Wie ein junges Reh hüpfte sie durch die Straßen und ich folgte ihr. Sie sah glücklich aus und ... sie war nett. Ich hoffte, sie war nicht zu freundlich, sonst würde ich noch anfangen sie zu mögen.
Gemeinsam setzten wir uns in ein Wirtshaus.
"Also sagt Kilian, warum seid Ihr als Ray's Begleiter nicht mit bei solch wichtigen Verhandlungen dabei?"

"Er bat mich außerhalb des Schlosses zu warten und meine Augen und Ohren offen zu halten. Die Gründe dafür wollte er mir später noch genauer erklären.", antwortete ich langsam und bedächtig auf ihre Frage. Auch wenn ich gerade nicht gut auf Ray zu sprechen war, so wollte ich ihn trotzdem nicht vor das offene Messer laufen lassen.
"Ich verstehe. Er erwähnte schon, er würde in einem Gasthaus übernachten, um nicht parteiisch zu wirken."
"Ja." Kurz entstand eine Stille. „Sagt mir Henriette, warum seid Ihr außerhalb des Schlosses?"
"Ich wurde gebeten das Schloss zu verlassen." Wir schwiegen beide. "Ihr wisst, dass Ray ein Dämon ist und Daniel ein Vampir, richtig?", flüsterte sie mir zu. "Also..." Ich wusste nicht was ich antworten sollte.

"Ihr wurdet von Ray mitgenommen, richtig? Passt auf, Kilian." Nun klang Henriette ernst. „Daniel liebt mich. Und ich liebe ihn. Ich liebe ihn mehr als alles und jeden anderen auf dieser gottverlassenen Welt. Er bat mich dem Schloss fernzubleiben, da bei dem anderen Könighaus andere höhere Wesen dabei sein würden. Deswegen hat Ray sicher auch dich herausgebracht."
"Aber wieso sollten wir das Schloss verlassen, nur weil andere höhere Wesen im Schloss sind? Denkst du, sie würden uns was tun, weil wir von ihrer Existenz und Identität wissen?", fragte ich sie.

"Ist doch klar. Manche von ihnen hassen sich halt gegenseitig. Wenn sie sehen würden, wie viel ich Daniel bedeute, würden sie mich umbringen. Euch sicher auch. Und wenn ich gerade von Daniel rede, muss ich mich wirklich für ihn entschuldigen. Ich habe von seiner Aktion heute Morgen gehört. Das war wirklich dämlich von ihm. Er wird so etwas nie wieder machen. Dafür werde ich sorgen.", sagte sie entschlossen und entschuldigend.

"Alles okay.", winkte ich ab.
"Aber sagt, Henriette, ihr liebt Daniel. Wieso wart ihr dann die ganze Zeit bei Ray?" Henriette war ein guter Mensch. Und an der Richtigkeit ihrer Aussage den Blutsauger zu lieben war kein Zweifel. "Ach, Daniel war deswegen auch furchtbar schlecht drauf und eifersüchtig. Mein Vater verlangte es von mir. Er wollte, dass ich Informationen aus ihm herauskitzelte." Sie seufzte. „Vertrau mir wenn ich dir sage, dass dies keine Aufgabe ist, die ich gerne erfülle. Besonders seitdem ich in Kenntnis seiner hoch gefährlichen Augen bin."
"O-oh." Erleichterung überkam mich. Sie wollte also wirklich nichts von Ray. Meine Sympathie für Henriette stieg ruckartig in die Höhe.

Sie wollte nichts von ihm. Aber das hieß nicht, dass er nichts von ihr wollte.
"Habt ihr Ray in die Augen geschaut?", fragte sie mich während des Essens.
"Ja habe ich. Aber das ist kein Problem. Ich bin immun gegen seine Augen. Das machte mich auch erst interessant für ihn. Weil ich nicht genau das getan hatte, was er von mir wollte."
"Ich verstehe." "Wenn Ihr davon wisst, habt Ihr ihm sicherlich auch nicht in die Augen geschaut. Richtig?" "Daniel warnte mich davor." Sie klang ernst. "Einmal habe ich es gewagt, damals, beim Essen. Erinnert Ihr euch?"
"Ja. Da sah er Euch an, als wolle er euch sofort direkt-"
"Was?" Sie lachte. "Hattet Ihr es nicht mitbekommen? Wie er mich anblickte?" Sie machte sich lustig über mich. "Sein Blick hatte natürlich etwas Erotisches, aber er war leer. Wisst ihr, Daniel schaut mich oft mit so einem Blick an. Also mit einem erfüllten Blick. Der von Ray war nun mal das Gegenteil. Das kann ich euch versichern, Kilian."

Mit offenem Mund starrte ich sie an. "Liebt ihr ihn?", fragte sie mich flüsternd. "Ich weiß es nicht.", flüsterte ich zurück. Sie kicherte. "Ich mag eure Anwesenheit. Wenn Ihr wieder hier herkommen solltet, dann besucht mich. Versprecht es mir. Bitte!"
"Gerne.", erwiderte ich lächelnd. Dieses Mädchen hatte es geschafft binnen eines Gespräches in meiner 'Ich mag jemanden' Skala weit hochzusteigen. Und das von ganz unten.
"Ich danke Euch für das Essen, Henriette. Und die netten Worte von Euch. Ihr habt mir wirklich geholfen.", meinte ich ehrlich.

"Wisst Ihr Kilian, Ihr habt mir auch geholfen."
Gemeinsam verließen wir das Gasthaus. "Ich bringe euch noch bis zum Schloss." "Treffen wir uns morgen wieder? Vielleicht könnten wir uns noch etwas austauschen über unsere Beziehungen und unser Leben. Ich würde mich sehr für Eures interessieren." "Nur wenn Ihr du zu mir sagt. Ich komme nicht aus gutem Hause. Es klingt für mich komisch."
"Oh. Wie Ihr, ich meinte du wünschst."

"Wie weit ist es von hier bis zum Schloss?" Wir liefen nebeneinander. Die Sonne begann langsam unterzugehen. "Ein Stückchen. Aber ich kenne Abkürzungen. Folg mir."
Sie nahm meine Hand und wir gingen in ein Labyrinth aus Gassen. "Ist das wirklich eine gute Idee? Hier ist kaum ein Mensch."
"Ich bin hier schon oft mit Daniel langgelaufen. Nie wurden wir belästigt oder ähnliches."
"Dann hast du heute aber gehörig Pech.", hörten wir eine tiefe Männerstimme.
Ich wusste von vornherein, das war eine schlechte Idee.
"Verschwindet.", sagte ich ruhig in Richtung zu dem Typen und stellte mich vor das Mädchen. Aus einer kleinen Seitenstraße von rechts gesellten sich zwei weitere Männer dazu. Alle drei waren mindestens einen Kopf größer als ich. Sie rochen nach Alkohol uns stanken nach Schweiß.

"Was, wenn nicht?" Der Sprechende hatte ein ekelhaft dreckiges Grinsen auf den Lippen.
"Dann werde ich euch weh tun müssen." Meine Stimme klang bedrohlich.
"Das ist doch alles nur Bluff.", lachte der Zweite. "Probierts doch.", erwiderte ich mit so viel Selbstvertrauen wie möglich.
Sie waren zu dritt, wir zu zweit.
Und dann zog der Erste ein Messer.

DemonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt