Teil 52

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Mona erzählte Florians Eltern, wie und wo sie Halie am Morgen aufgefunden hatte. Ganz erschrocken war das ältere Ehepaar, schon allein bei der Vorstellung, Halie wäre nicht bei ihrer Patentante im Garten gelandet.

„Aber jetzt mal was anderes. Halie sagte mir, dass Flo wieder im Koma liegt und Lene total hysterisch ist. – Ist das wahr?"

Traurig schauten die beiden sie an.

„Ja, Helene ist tatsächlich komplett außer sich. Sie hatte gestern die Pflegerin rausgeworfen und sich mit Florian eingeschlossen. Wir wissen nicht mehr weiter. Aber ob Florian wirklich wieder ins Koma gefallen ist, kann niemand so genau sagen. Der Arzt meinte, es sei wohl normal, dass er nach der großen Anstrengung vorgestern, länger schläft. Seit gestern Nachmittag haben wir von da oben nichts mehr gehört. Das Einzige, was wir haben, ist Miriams Pieper. Durch den wissen wir zumindest, dass sich bei unserem Sohn, bis jetzt, seit etwas mehr als 36 Stunden, nichts verändert hat", schilderte ihr Franz die verzwickte Situation. Verzweifelt zuckte Helga mit den Schultern.

„Keiner hier hat eine Ahnung, wie wir das Mädchen, dazu bewegen können, diese Tür zu öffnen."

Verstehend nickte Mona. „Was ist, wenn wir den Spieß einfach mal versuchen umzudrehen? Bisher hat Helene doch immer mit mir über alles gesprochen. Wisst ihr was? Wir versuchen es einfach mal. Ihr wartet erst mal hier unten und ich versuche mal mein Glück." Ohne zu zögern, stand sie auf und ging hinauf zum Schlafzimmer, während das Paar sich weiterhin in Geduld übte.

Vorsichtig klopfte die junge Frau an die Tür.
„Helene? Ich bin's, Mona. Lässt du mich rein?"

Eine ganze Weile geschah nichts.
„Lene. Ich bin auch allein. Komm schon! Lass mich rein!"

Nach einem leisen Klacken des Schlosses öffnete sich die Tür einen kleinen Spalt und eine total verheulte Helene schaute durch diesen hindurch. Ein weiteres Mal versuchte die Brünette ihr Glück.
„Lässt du mich zu dir?" Mit einem zaghaften Nicken öffnete die Sängerin die Tür so weit, dass ihre Freundin gerade so hindurchschlüpfen konnte. Sofort schloss die andere die Tür wieder und fiel der Gleichaltrigen um den Hals.
„Er – er wacht einfach nicht auf. Er – er wacht einfach nicht mehr auf." Wieder weinte sie bitterlich und krallte sich regelrecht an ihr fest.

„Sch... Alles wird wieder gut."

„Nein Mona, nichts wird gut. Vorgestern – da hab ich gedacht, alles wird wieder gut. Aber jetzt? Sieh ihn dir an. Er liegt da und regt sich nicht einmal mehr. Ich schaff das nicht noch einmal, Mona. Nicht noch einmal. Ich verliere ihn. Verstehst du mich? Ich verliere ihn ganz." Schluchzend ließ die Blondine sich von ihrer Freundin zu ihrem Bett führen. Die Tränen liefen ihr wie Bäche über die Wangen. Nichts konnte sie mehr sehen. Rein gar nichts mehr, so sehr verschleierten ihr die Tränen, die Sicht. Fest hielt Mona sie im Arm. So hatte sie ihre beste Freundin noch nie erlebt. Als Florian damals ins Koma fiel, war sie wesentlich gefasster. Hatte immer noch Hoffnung, dass es wieder gut werden würde. Doch heute? Heute war all ihre Hoffnung verschwunden. Sie hatte all ihr Kraft in den 17 Jahre langen Kampf, diese nicht zu verlieren, gesteckt.

Keine von beiden hatte eine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war. Irgendwann hatte Helene ihren Kopf auf Monas Schoß gelegt und war eingeschlafen. Mona streichelte ihr die ganze Zeit über, behutsam übers Haar und summte dabei eine beruhigende Melodie.

Erst ein unregelmäßiges Piepsen riss sie aus ihren Gedanken. Kurz darauf, öffnete sich vorsichtig die Tür und Miriam kam leise herein. Mit dem Zeigefinger auf dem Mund, schlich sie an den beiden Frauen vorbei, zu Florians Betthälfte und fühlte seinen Puls.

Zufrieden lächelte sie und flüsterte: „Sein Puls wird stärker."

„Und was bedeutet das?", flüsterte Mona zurück.

„Das ist ein gutes Zeichen. Er hat die Tiefschlafphase verlassen. Ich denke, er wird bald aufwachen. Kommen sie, ich helfe ihnen, Frau Silbereisen ins Bett zu legen. Ihre Position wird ihnen sonst bald anständige Rückenschmerzen bescheren."

Einverstanden nickte die Brünette und legte ihre Freundin, gemeinsam mit der Pflegeschwester vorsichtig ins Bett, bevor beide den Raum verließen und zu den anderen ins Erdgeschoss zurückgingen.

Leises rhythmisches Schnaufen, gepaart von den piependen Tönen des Kastens neben ihm, begleiteten ihn, während er langsam seine Augen öffnete. Ein Blick neben sich ließ ihm ein Lächeln in sein Gesicht zaubern. Vorsichtig drehte er sich auf die Seite. Das Ziehen in seinen Beinen ignorierte er dabei einfach. Behutsam legte er ihr seine Hand auf die Wange und ließ seinen Daumen über ihre Lippen streichen. Langsam beugte er sich zu ihr hinüber und hauchte ihr einen sanften Kuss auf ihren wohlgeformten Mund.

„Hey, du – Schlaf-mütze. Aufwachen."

„Lass mich schlafen, Mona!"

„Nix – Mona. Ich – bin's – der – Flori."

Schlagartig schlug sie die Augen auf und setzte sich hin.

„Flori. Du bist ja wach."

Ohne Vorwarnung fiel sie ihm um den Hals, was ihn wieder in seine Kissen fallen ließ und küsste ihn im gesamten Gesicht ab. Sie ließ nichts aus. Selbst seine vollen Augenbrauen bekamen jeweils einen Kuss von ihr.

„Hey, nicht – so – stürmisch. Was – ist – denn – mit – dir – los?", nuschelte er unter ihren Küssen hervor.

Als sie endlich von ihm abließ, weinte sie wieder. Aber diesmal vor Freude.

„Was mit mir los ist? Du hast mehr als einen ganzen Tag verpennt. Ich dachte schon..."

Schnell legte er ihr seinen Zeigefinger auf die Lippen. Er konnte sich schon denken, was sie sagen wollte.

„Wie, ich – hab – einen – Tag – verpennt?"

„Du warst nicht wachzukriegen. Egal was ich versuchte, nichts half. Ich hatte schon Angst, du wärst wieder..."

„Psst ... Sag's – nicht."

Verstehend nickte die Blondine.

„Ich versteh schon. Geister, die wir nicht beschwören, können nicht zurückkommen."

„Genau", sagte er und küsste sie wieder.

Verlorene ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt