Teil 79

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„So, jetzt noch eine gute dreiviertel Stunde und wir können essen", merkte sie nebenbei an. „Helft ihr mir auch beim Aufräumen?"

„Aber naturellement Madame", erwiderten beide im Chor, was sie schon schmunzeln ließ. Von beiden kannte sie diese Art der Zustimmung, aber von ihm hatte sie dies zuletzt vor dem Unfall gehört. Dass sie dies auch noch zeitgleich von sich gaben, war absolut beispiellos.

Die Lasagne schmeckte ihnen fabelhaft, nicht ein Kleks blieb übrig, was vor allem Helene gefiel. Immerhin war es ihr persönliches Rezept, welches sich mit den Jahren entwickelt hatte. Bis zum Abend hin genossen sie die Frühlingssonne noch auf der Terrasse, bis es Halie dann doch zu langweilig wurde und sie hinauf in ihr Zimmer ging und ihre Eltern somit allein ließ.
„Schatz, was hältst du eigentlich davon, wenn wir uns hier einen Swimmingpool bauen lassen, so richtig schön mit allem was dazugehört?", unterbrach die Blondine plötzlich die angenehme Stille, zwischen ihnen. Lange hatte sie auf seinem Schoß gesessen, ihren Kopf auf seinen Schultern ruhend. Beinahe wäre sie doch tatsächlich eingeschlafen, als ihr diese Idee kam.

„Klingt nicht schlecht. Ich könnte mal mit Sarina sprechen. Patrick kann uns dabei sicher helfen." Der Mann seiner Schwester war Landschaftsarchitekt und hatte eine Gartenbaufirma. Er hatte auf jeden Fall die richtigen Kontakte dazu.

Gesagt, getan. Noch am selben Abend rief Florian seine Schwester an und hatte, wie der Zufall es so wollte, direkt seinen Schwager in der Leitung. Dieser willigte ein, in naher Zukunft mal vorbeizukommen und eine technische Zeichnung anzufertigen, mit welcher er arbeiten konnte. Da Helene und Florian Familie waren und schon so, viel zu viel über ihr Privatleben an die Öffentlichkeit gelangt war, wollte er den Auftrag selbst in die Hand nehmen und nicht einem Kollegen überlassen. So wurde es dann auch beschlossen.

Patrick kam vorbei und nahm alles auf, was er für seine Arbeit benötigte und hielt die Vorstellungen der beiden schriftlich fest. Eine Pool-Lounge wollten sie haben. Es amüsierte ihn, dass irgendwie jeder Zweite seiner Kunden danach fragte, wenn es um einen Pool im Garten ging. Die meisten traten aber davon zurück, wenn sie hörten was es kosten würde. Sein Schwager allerdings bestand darauf, dass er für ihn keinen Sonderrabatt machen sollte. Über all die Jahre, hatte Helene Florians Geld nicht angerührt und somit stellte der Preis für ihn kein größeres Problem dar. Auf diese Art und Weise, konnte er ihr wenigstens ein bisschen von dem zurückgeben, was sie in all der Zeit für ihn getan hatte. Und wenn es auch nur darum ging, einen Pool mit Lounge in den Garten bauen zu lassen.

Nur vier Wochen später, es war gerade Anfang Juni, da rückte Patrick mit seinem ganzen Team an. Ungefähr zur gleichen Zeit hatte Florian einer Münchener Trockenbaufirma den Auftrag für die Schalldämmung ihres Schlafzimmers erteilt.

So kam es, dass sein Schwager vor Ort blieb und eines der beiden Gästezimmer belegte, während dessen Team in einer Pension im Ort untergebracht war.
Das andere Gästezimmer bezog das Ehepaar, als die Bauarbeiten dann auch endlich im Schlafzimmer begannen. Halie fühlte sich immer unwohler auf der Baustelle und verschwand, so oft es ging zu Ciara und an den Wochenenden sogar über Nacht. Sie fühlte sich von den jungen Bauarbeitern immer ein wenig beobachtet. Lag ihr Zimmer doch beinahe direkt gegenüber dem ihrer Eltern. Allerdings erzählte sie denen davon nichts. Es war ihr wichtiger, dass diese ihr Projekt Schlafzimmer endlich beenden konnten und wieder alles, wie vorher wurde. Sie erkannte jedes Mal den strengen Blick ihres Vaters, wenn er zusah, was die Handwerker so taten.

Wenn es nach ihm gegangen wäre, dann hätten sie ihre Arbeit innerhalb eines Tages erledigt, was natürlich im Bereich des Unmöglichen lag.

Allerdings kam ihr auch einiges eigenartig vor. Oftmals hatte sie das Gefühl, das die Männer in ihren blau-schwarzen Latzhosen teilweise nur darauf aus waren, irgendwo einen Blick auf ihre Mutter zu erhaschen. Obwohl sie wie alle Handwerker auch, die je für die Silbereisens gearbeitet hatten, eine Verpflichtung zur Verschwiegenheit unterschrieben hatten, machte es den Anschein, als wäre es einigen von ihnen auf eine Art gleichgültig.

Die Sängerin selbst leistete aber viel lieber ihrem Schwager im Freien Gesellschaft und überließ ihrem Mann die Aufsicht über das Schlafzimmer. Patrick hatte seine Leute vorher anständig gebrieft und auch nur die ins Team aufgenommen, auf die er sich definitiv zu hundert Prozent verlassen konnte. Mit den meisten von ihnen arbeitete er schon jahrelang zusammen.

Halie hatte gerade ihr Zimmer verlassen, um wieder einmal zu Ciara zu fahren, als ihr einer der Handwerker von der Treppe her entgegenkam und sich ihr in den Weg stellte.

„Wohin des Weges schöne Frau", hielt er sie auf und versperrte ihr den Weg, sodass sie gerade umdrehen wollte, um sich in ihr Zimmer zurückzuziehen. Jedoch hinderte er sie daran und hielt sie am Arm fest.

„Komm schon, hab dich doch nicht so zickig. Ich will mich doch nur mit dir unterhalten."

Sofort protestierte Halie lautstark und schrie ihn an, dass er sie loslassen sollte. Allerdings dachte dieser gar nicht daran.

„Meine Güte, wie kann man bei so 'ner Mutter nur so verklemmt sein?", reagierte er auf ihre Abwehr.

„Wegen solchen Menschen wie ihnen, muss ich mich auch immer versteckt halten. Ich habe kein Interesse daran mit ihnen zu reden. Haben sie nichts anderes zu tun, als mir hier aufzulauern?" Wieder versuchte sie sich aus seinem Klammergriff zu lösen. Woraufhin er sie aber unsanft in Richtung Wand drängte. Er wollte gerade noch einen Schritt weiter auf sie zugehen und sie dagegen drücken, als ihn plötzlich jemand von hinten am Kragen packte und die Treppen rückwärts hinunterzerrte.

Hanno konnte auch, nachdem er aus dem Haus und über das Grundstück gezogen wurde, nicht erkennen, wer ihn da am Schlafittchen hatte. Erst als er durch das Tor gestoßen wurde und sich umdrehte, erkannte er wer es war.

„Ähm... Sie?" Der Person vor ihm, stand die Wut ins Gesicht geschrieben. „Was ist denn ihr Problem?"

„Können sie lesen?", stellte diese die Gegenfrage.

„Ja, natürlich kann ich das."

„Was ich grundlegend bezweifle", wurde dem Jungspund ungehalten widersprochen.

„Und das tun sie weil?"

„Weil sie in ihrem Vertrag überlesen haben, dass meine Tochter anpacken, NICHT zu ihren Aufgaben gehört!", schrie Florian ihn an. „Und sie brauchen hier morgen gar nicht erst wiederaufzutauchen. Sie sind gefeuert!"

„Was glauben sie eigentlich, wer sie sind? Sie können mich gar nicht feuern, weil sie nicht mein Chef sind und wenn der sagt, ich soll hier arbeiten, dann tu ich das auch."

„Das mag ja sein, aber auf dieser Baustelle, bin ich der Chef ihres Chefs und wenn ich sage, sie arbeiten hier nicht mehr, dann tun sie das auch nicht."

Wutentbrannt drückte der Sänger das Tor, wohl wissend die Schließmechanik damit beschädigen zu können, zu und wandte sich von dem Handwerker ab, um ins Haus zurückzukehren.

„Das werden sie bereuen", rief der Jüngere ihm nach. Kurzerhand drehte er sich wieder um.

„Womit meinen sie mir denn bittschön drohen zu können?"

„Ich weiß immerhin Dinge, die sich bei der Presse gut verkaufen lassen."
„Danke fürs Vorwarnen. Sollte auch nur ein Wort davon, in irgendeiner Illustrierten zu finden sein, oder im Internet auftauchen, hören sie von unseren Anwälten. Außerdem werde ich nach dieser Unterhaltung, ihren Chef über ihren Fehltritt informieren und dass er von uns keinerlei Aufträge mehr zu erwarten hat. Natürlich kann ich ihr Unternehmen, auch nicht als besonders loyal bewerten, sollte ich gefragt werden. Schönen Tag noch." 

Verlorene ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt