Teil 82

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Während Florian seine Tochter zu ihrer Freundin fuhr, kam Patrick von seinen Besorgungen zurück.

„Hey, na du?" Besorgt sah er seine Schwägerin an. „Was ist denn los? Kann ich dir vielleicht helfen?"

Erschrocken über sein plötzliches Erscheinen, sah sie zu ihm auf und schüttelte leicht den Kopf.

„Nein schon gut, es geht schon."

Da er sowieso nicht bekommen hatte, was er wollte, hatte er nun auch etwas Zeit und beschloss sich etwas zu ihr zu setzen und sah sie eindringlich an. Diese Art an ihm kannte die Blondine schon. Immer wenn er einem nicht abnahm, was man ihm versuchte aufzutischen, starrte er so lange, bis dieser von allein anfing zu reden.

„Hör auf Paddy", bat sie ihn.

„Klar, sobald du mir gesagt hast, was dir auf dem Herzen liegt, schöne Frau."

Ein wenig geschmeichelt lächelte sie ihn dann doch an. Oft schon wurde ihr gesagt, dass sie schön sei, aber wer wusste wie sehr dieser Mann seine eigene Frau liebte, wusste auch, dass diese Aussage eben von besonderer Bedeutung war.

„Na komm schon, rede mit mir."

Weichgeklopft wie ein Kotelett von beiden Seiten, begann Helene dann doch endlich anzureden und erzählte ihm alles, was sie wusste. Der Ältere staunte nicht schlecht. Das hatte er dem Milchreisbubi, wie er ihn selbst im Geheimen nannte, nicht zugetraut.

„Aber Halie geht's gut?"

„Ja, Flo hatte mit ihr schon geredet und sie sieht die ganze Angelegenheit auch nicht so eng, wie ich es tu. Trotzdem spuckt mir die ganze Zeit, der eine Gedanke im Kopf rum."

„Und der wäre?", wollte er nun wissen.

„Was wäre passiert, wenn Flo nicht zur rechten Zeit, am rechten Ort gewesen wäre?"

„Diese Frage darfst du dir überhaupt nicht stellen, sonst machst du dich selbst verrückt, Lene. Er war da und gut ist. Wenn Halie damit umgehen kann, kannst du es erstrecht. Na komm, schau dein Swimmingpool steht schon fest."

Sofort sah er ein kleines Leuchten in ihren Augen.

„Siehst du? Es geht doch. Nicht mehr lange und du kannst jeden Abend, von Frühling bis Herbst, in deinem beheizten Pool liegen und mit deinem Mann die Sterne betrachten."

„Aber einweihen tust du ihn schon noch mit uns, oder?", bittend sah sie ihn an.

„Aber natürlich. Da wollte ich dich eh noch was fragen. Flo hab ich schon gefragt, aber er meinte, ich soll dich wenigstens informieren, nicht dass du irgendwas anderes geplant hattest."

Wieder schüttelte Helene ihren Kopf.

„Er benimmt sich immer noch so, als gehöre das Haus mir allein. Dabei hatten wir es vor seinem Unfall schon gemeinsam gekauft."

„Lass ihm Zeit. Wie lange kannte er es? Vier Monate? Das sind gegen siebzehn Jahre gar nichts."

„Ich weiß doch, aber er ist jetzt schon fast ein dreiviertel Jahr wach und ist immer noch nicht warm damit? Es war unser Traumhaus, dahinten mit dem Steg zum See. Wir hatten so viele Pläne und die hat ein so'n dämlicher Unfall einfach mal so zerstört. Er wollte sich hier hinten im Garten sogar ein kleines Paradies schaffen. Ich hab das nicht vergessen, konnte es aber nicht nach seinen Vorstellungen umsetzen. Ich wäre damit nicht klargekommen, wäre er nie wieder aufgewacht." Mittlerweile verlor sie sogar ein paar Tränen. Mit ihrem Mann wollte sie darüber nicht reden. Sie hatte Angst, es würde ihn unnötig, aufwühlen. Jetzt mit Patrick hier zu sitzen und endlich mal der Seele freien Lauf zu lassen, tat ihr unendlich gut.

„Du solltest mit ihm reden. Es muss wissen, was in dir vorgeht. Nur so könnt ihr die Dämonen der Vergangenheit beseitigen."

Kurz lachte sie auf.

„Du hättest Therapeut werden sollen und nicht Landschaftsarchitekt."

„Komisch, das sagt meine Frau auch immer", woraufhin beide lachen mussten.

Zwischenzeitlich hatte Patrick seine Mitarbeiter in den Feierabend geschickt und sie hörten gerade, wie Florian den Wagen in die Garage fuhr und von Innen das Tor schloss.

„Na ihr zwei hübschen? Habt ihr euch sehr gelangweilt ohne mich?" Lässig ging er um den Tisch herum und hockte sich vor seine Frau. Plötzlich stutze er.

„Sag mal Liebling, hast du geweint?"

Das war dann Patricks Stichwort, woraufhin er aufstand, um sich aus den Arbeitsklamotten zu schälen und erst mal ausgiebig zu duschen. Bis er wieder zurück war, so war er sich sicher, hätten die beiden miteinander geredet. Rosa hatte ihm sogar schon einen Wäschekorb vors Zimmer gestellt, wo er dann seine Sachen reinwerfen sollte, damit sie diese bis zum nächsten Morgen waschen konnte. Solch eine Rosa hätte er auch gerne, damit seine Frau nach Feierabend mehr Zeit für ihn hätte, aber Sarina machte das alles viel lieber selbst.

„Willst du mir nicht erzählen, was dich bedrückt, Liebling?" Florian ließ seinen Blick nicht von ihr, beobachtete jeden ihrer Gesichtszüge genau. Sie blieb stumm, sagte nichts, sah einfach vor sich hin und überlegte, wie sie es ihm am besten sagen sollte, ohne ihn zu verletzen. Natürlich, es wäre einfacher ihre Gedanken einfach für sich zu behalten. Dann würde sich aber nichts ändern und er würde weiterhin schweigen und sich ihr unterordnen.

„Ich...", weiter sprach sie nicht, sah ihn einfach nur an.

„Was willst du mir sagen, Lene?" Er setzte sich aufrecht hin, unterbrach aber nicht den Blickkontakt zu ihr.

„Ich frage mich...", sie machte eine Pause und begann noch einmal. „Ich frage mich, warum du dich bei allen Entscheidungen mir unterordnest?"

Er war schockiert, wusste nicht, wovon sie sprach und schüttelte leicht seinen Kopf.

„Wie kommst du darauf?"

„Patrick hat mit mir gesprochen."

Nun verstand er.

„Ah ... daher weht der Wind also." Vorsichtig legte er seine Hand auf ihre. „Ich wollte dich doch nur nicht übergehen."

Lieblich sah sie ihn an.

„Ich weiß. Dennoch ist dies dein Haus, genauso wie meins. Du brauchst doch nicht meine Zustimmung, wenn du deine Schwester und ihren Mann einladen willst."

Mittlerweile war er von seinem Stuhl gerutscht und hockte nun neben ihr und sah zu ihr hinauf.

„Aber dir Bescheid geben, dass du davon weißt, ist schon noch in Ordnung, oder?" Er lächelte sie sanft an. „Liebling hör zu. Ich verstehe ja deine Bedenken, aber ich würde auch wollen, dass du mir Bescheid gibst, wenn du Gäste einlädst. Stell dir vor, du weißt von nichts und ich schneie hier plötzlich mit Rainer rein, während du, nur im Negligé gekleidet, die Treppe hinunterkommst."

Das leuchtete ihr dann doch ein und sie verstand.

„Ja, du hast ja recht. Mir kommt es nur immer wieder so vor, als würdest du dich fremd im eigenen Haus fühlen."

Langsam nickte er.

„Anfangs war es tatsächlich so. Alles war so neu. Nicht hier, hier hast du irgendwie den meisten Teil der Einrichtung genauso gelassen, wie wir es uns ausgesucht hatten. Dennoch, allein schon dein Laptop. Woah ich dachte, ich bin in die Zukunft gereist."

„Im Prinzip bist du das doch auch", unterbrach sie ihn und fuchtelte gleich darauf mit den Armen rum. „Sorry, sprich weiter."

„Alles gut. Ich wollte dir damit nur sagen, dass ich mir total unsicher war, nicht wusste wie oder was noch möglich ist. Helene, ich bin dein Mann und dennoch ist selbst jetzt, neun Monate später, noch alles so neu für mich. Ich weiß noch, als ich das erste Mal in deinem Auto saß, da hab ich das Zündschloss gesucht. Du warst schon im Studio und ich saß da unten in der Tiefgarage und suchte nach einer Möglichkeit den Wagen zu starten." Er sah zu Boden. 

Verlorene ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt