Teil 81

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Helene saß auf der Terrasse und sah den Männern bei ihrer Arbeit zu, als Florian sich leise neben sie setzte.

„Na geht's voran?", versuchte er sich noch ein wenig vor dem eigentlichen Thema zu drücken. Er wusste genau, dass Helene toben würde, wenn sie davon erfuhr.

„Mhm ... sieht ganz gut aus. Patrick ist nur mal kurz, was besorgen. Er kommt gleich zurück.

„Ach so, na dann", war alles, was Florian dazu zu sagen hatte.

Zweifelnd sah Helene ihn an.

„Ach so, na dann? Was is'n mit dir los?"

„Och nichts." Er hatte immer noch keine Idee, wie er ihr den Vorfall rüberbringen sollte, ohne dass sie die Fassung verlieren würde.

„Flo komm schon, rede mit mir. Dir brennt doch was auf der Seele. Und sag jetzt nicht wieder, da ist nichts. Das nehm ich dir sowieso nicht ab. So gut solltest du mich kennen."

„Du hast ja recht. Ich weiß nur nicht, wie ich es dir sagen soll, ohne dass du ausflippst." Eine leichte Verzweiflung konnte die Sängerin in seinen Augen erkennen, woraufhin sie sich innerlich automatisch anspannte.

„Ist etwas mit Halie?"

Wie machte sie das nur immer? Er wusste nicht, wie er anfangen sollte und sie ahnte direkt, worum es ging.

„Sag mal, kannst du das mal bitte lassen?"

„Was?" Sie war vollkommen perplex. Was hatte sie denn getan?

„Naja, deine punktgenauen Treffer jedes Mal, wenn du versuchst zu erraten, worüber ich mit dir reden will.

„Heißt also, es geht um Halie?"

„Ja, es geht um Halie. Wobei es vielmehr..."

„Man Flo, lass dir doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen."

Währenddessen saß ihre Tochter oben in ihrem Zimmer am Fenster und verfolgte das, was mal ein Gespräch werden sollte. Sie war sich sicher, dass das so niemals was werden würde. Kurzerhand sprang sie vom Fensterbrett und lief aus ihrem Zimmer, die Treppe hinunter bis auf die Terrasse, wo sie sich genau vor ihren Eltern positionierte.

„Was mein lieber Herr Papa sich nicht traut zu sagen ist, dass einer von diesen Spacken da oben, der Meinung war mich bedrängen zu müssen." Hastig, sodass Helene gar nicht erst zu Wort kommen konnte, fügte sie aber noch hinzu: „Aber Papa hat den Idioten direkt am Kragen gepackt und rausgeschmissen, es ist eigentlich gar nichts passiert und dann hat er denen allen vor versammelter Mannschaft den Marsch geblasen, dass sie sich zu merken haben, dass du und ich, also wir beide, für sie tabu sind und wenn sich so was wiederholen sollte, jedem von ihnen das Gleiche geschieht, wie dem Lehrling."

Während Halie sprach, zog in Helenes Gesicht die Zornesröte immer höher und ihre Hände krallten sich in die Polster der Armlehnen ihres Stuhls. Ihre Tochter war gerade fertig geworden mit ihren Ausführungen, da wollte sie auch schon aufspringen und sich die Bauarbeiter vorknöpfen. Jedoch konnte Florian sie gerade noch an ihren Hüften zurückhalten.

„Liebling bleib hier, das hat doch keinen Sinn. Da oben ist heute eh keiner mehr."

Zornig drehte sie sich zu ihm um.

„Das hast du doch mit Absicht gemacht."

„Was hab ich mit Absicht gemacht." Der Entertainer war sich keiner Schuld bewusst, außer dieser, seine Tochter nicht genug geschützt zu haben.

„Na das die jetzt alle schon weg sind."

„Nein! Die sind regulär vor 'ner halben Stunde in den Feierabend gegangen."

„Und dann hast du eben mal, so lange gewartet, bis die gegangen waren, damit ich die nicht mehr erwischen kann."

„Na ja, ein bisschen schon. Aber nur ein ganz kleines bisschen." Er versuchte ein wenig die Stimmung zu heben, indem er begann das Ganze etwas ins Humorvolle zu ziehen. Dass er damit kein Glück haben würde, hatte er aber fast schon geahnt.

„Florian was soll das? Da hat so ein Mistkerl versucht sich an unserer Tochter zu vergehen und du machst darüber noch Witze?!"

Überrascht sah er sie an. Wenn sie ihn bei vollem Namen ansprach, wusste er, dass die Kacke am Dampfen war.

„Nein Mama, das hatte der echt nicht vor, glaube ich zumindest. Er sagte nur, dass er sich mit mir unterhalten wollte, ich hatte aber keinen Bock, weil ich lieber zu Ciara wollte und dann hatte der mich grob am Arm genommen und dann ging auch schon Papa dazwischen." Das Mädchen war kurz vorm Weinen. Das ihre Mutter stinksauer sein würde, war ihr von vornherein klar gewesen, aber dass sie so ausflippen und sogar ihren Vater beschimpfen würde, damit hatte sie nicht gerechnet. Erschrocken darüber, nahm Helene ihre Tochter in den Arm.

„Es tut mir leid Süße, das wollte ich nicht. Aber so was wie heute darf einfach nicht geschehen. Vielleicht wäre es besser, wenn du für die restliche Zeit der Baumaßnahmen zu Eri ziehst. Du bist mit denen da oben ja ganz allein. Das hätte mir aber auch schon eher einfallen können."

„Und was ist, wenn ich Ciaras Eltern mal frage, ob ich so lange bei ihnen bleiben darf? Dann könnten wir morgens auch gemeinsam zur Schule gehen."

Zweifelnd schaute Helene sie an.

„Wie stellst du dir das vor? Es sind keine Ferien und dazu auch noch mitten in der Woche. Ich glaube nicht, dass sie dem so einfach zustimmen würden."

„Aber fragen kann ich doch mal, oder etwa nicht?"

Fragenden Blickes sah die Sängerin ihren Mann an. Immerhin waren sie beide sorgeberechtigt und sollten somit Entscheidungen dieser Art gemeinsam beschließen. Als dieser nur schulterzuckend nickte, willigte auch Helene dem Plan ihrer Tochter ein.

„Wenn sie aber Nein sagen..."

„Geh ich zu Eri und Chris, versprochen", unterbrach sie ihre Mutter.

„Also einverstanden. Du fragst Ciaras Eltern und rufst uns im Anschluss direkt an, damit wir das mit meiner Schwester noch klären können, sollten sie Nein sagen."

„Alles klar, mach ich. Papa? Du hast doch gerade nichts zu tun, oder?"

„Hmmm mal überlegen. Doch ... ich glaube schon."

Schmollend sah Halie ihren Vater an.

„Was denn?"

Verschmitzt schaute dieser sie an.

„Tja, leider bin ich schon verbucht. Ich muss mal eben noch schnell meine Tochter zu ihrer Freundin fahren."

„Hey", lachte Halie und boxte ihm dabei in die Seite. „Das war gemein."

„Na los, geh und pack deine Sachen, ich warte im Auto." Schnell war die Schülerin verschwunden, um sich ein paar Sachen zusammenzupacken. Wieder seiner Frau zugewandt, sah er ihr an, dass sie immer noch damit zu kämpfen hatte, was geschehen war, ohne dass sie es mitbekam. „Jetzt nimm es nicht so schwer. Du konntest doch nicht ahnen, was da oben vor sich ging."
Im Prinzip wusste sie, dass er recht hatte, dennoch machte es sie rein wahnsinnig, dass dies hinter ihrem Rücken geschehen konnte. Was wieder einmal die alten Dämonen in ihr hervorrief. Sie holte gerade Luft, um etwas zu sagen, als ihr Florian aber zuvorkam.

„Vergiss es. Du konntest es nicht ahnen und wissen erst recht nicht. Wir hatten die Baustellen unter uns aufgeteilt. Wenn du jemandem die Schuld geben willst, dann gib sie mir. Immerhin war ich derjenige, der die Handwerker im Auge behalten sollte."

„Du hast ja recht, aber du kannst doch auch nicht überall deine Augen haben."

„Ach nee, Frau Silbereisen. Aber von dir verlangst du das, oder wie? Jetzt hör auf die Vorwürfe zu machen. Ich hab den Kerl rausgeschmissen, ehe er schlimmeres anstellen konnte und Halie geht's auch gut. Ich fahr sie jetzt zu den Hoppes und du versuchst in der Zeit mal ein bisschen runterzukommen. Wenn ich wieder da bin, wird Patrick seine Leute auch schon entlassen haben und wir drei können uns noch einen schönen Abend machen. Okay?" Leicht nickend bestätigte sie seinen Vorschlag. Liebevoll gab er ihr noch einen Kuss und verließ sie in Richtung Garage.

Verlorene ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt