Teil 75

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Ihren Blick konzentriert auf den Verkehr, fragte die Sängerin: „Wie sieht's aus, Lust auf Kino? Eigentlich wollte ich ja mit dir vorher noch was essen gehen, aber das haben wir ja nun schon hinter uns."

Verdutzt sah das Mädchen ihre Mutter an.

„Ins Kino? Bist du dir sicher? Du könntest erkannt werden."

„Ach was, ich hab mein Basecap mit und mit der Sonnenbrille wird das schon. Nur das Reden..."

„Jaja, das übernehme ich", unterbracht Halie sie lachend. „Was macht Papa jetzt eigentlich?"

Ein breites Grinsen überzog das Gesicht der jungen Frau.

„Der spielt mit Rosa Bridge."

„Bridge, Papa?"

„Ja, sagte er zumindest. Kann natürlich auch sein, dass er einfach vorm Fernseher sitzt und sich 'nen Film ansieht."

Sie standen gerade an einer Ampel, als Helene einfiel, dass sie die Karten fürs Kino im Handschuhfach liegen hatte. Diese wollte sie ihrer Tochter vorab schon mal geben, bevor sie sie am Ende noch vergessen würden. Also lehnte sich die Blonde hinüber, um besser in das Fach greifen zu können, als sie das Gleichgewicht verlor. Um Halie aber nicht unsanft auf den Schoß zu knallen, stütze sie sich mit der linken Hand am Armaturenbrett ab, wodurch der Schülerin der neue Ring ins Auge stach. Halie ahnte sofort, was dieser zu bedeuten hatte und grinste in sich hinein. Sie würde nicht fragen. Sie hoffte, ihre Mutter würde von allein beginnen ihr zu erzählen, was geschehen war und wenn nicht, dann wäre ihr Vater am nächsten Tag mode. Dann würde sie ihn eben ausfragen.

In der Tiefgarage des Kinos, fanden sie noch einen Parkplatz, recht nach des Ausgangs zur Passage. Von dort aus, war es für sie ein leichtes, unauffällig hineinzukommen. Der Plan war, den Saal erst zu betreten, wenn das Licht schon aus war.

Der Plan ging völlig auf und beide mussten viel lachen.

So entspannt war Halie lange nicht mehr, in Gegenwart ihrer Mutter. Die letzten Wochen und Monate waren einfach ungewohnt. Helene arbeitete viel mehr als vorher und so tat dieser gemeinsame Abend, ihr unwahrscheinlich gut. Zum Abschluss genehmigten sie sich noch einen Milchshake bei einer bekannten Fastfood-Kette.

Als sie wieder zu Hause ankamen, fanden sie Florian, halb liegend, schlafend auf der Couch.

Der Fernseher war schon ausgegangen und das Bier, welches auf dem Tisch vor ihm stand, war auch schon warm geworden. Rosa schien ihm noch eine leichte Decke drüber gelegt zu haben.

Leise verabschiedete Halie sie von ihrer Mutter und schickte ihrem Vater noch einen Luftkuss.

Wenn es noch genauso wie damals funktionierte, wusste Helene genau, wie sie ihn jetzt am einfachsten weckte, ohne Lärm machen zu müssen. Immerhin war es schon einiges nach Mitternacht. Also setzte sie sich zu ihm und lehnte sich an ihn und ließ ihre Hand unter sein Shirt wandern. Dabei kraulte sie seinen Bauch. Da Florian schon immer sehr kitzlig war, würde er dadurch definitiv aufwachen.

So langsam kam dann auch Leben in den Mann. Anfangs versuchte er ihre Hand noch wegzuschieben, bis er gänzlich aufwachte und in das grinsende Gesicht seiner Frau schaute.

Nachdem er sich ausgiebig gestreckt hatte, schnappte er sie sich und zog sie auf seinen Oberkörper.

„Was wird das denn, Herr Silbereisen?"

Helene musste unweigerlich lachen, als er sie ungünstig an der Hüfte zu greifen bekam, wodurch sie nicht anders konnte, als sich in seinen Armen zu winden. Es kitzelte sie ungemein. Ihr ursprünglicher Plan, ihn durch Kitzeln zu wecken, war nun auf sie zurückgeprallt. Damit hatte sie wirklich nicht gerechnet. Florian, durch ihr lachen angesteckt, lachte mit ihr, wobei er aber gar nicht daran dachte damit aufzuhören. Vorerst zumindest nicht. Ihr vorheriger Plan, keinen Lärm zu verursachen, war damit nun absolut in die Hose gegangen.

Erst als Helenes Lachen zu laut wurde, hörte er auf damit.

„Psss ... nicht so laut. Du weckst hier sonst noch alle auf."

So Unrecht hatte er damit auch gar nicht. Halie war zwar noch nicht eingeschlafen, aber versuchen brauchte sie es auch gar nicht erst, denn sie wusste, es würde ihr eh nicht gelingen, solange ihre Eltern sich nicht wieder im Griff hatten. Nur Rosa drehte sich einmal in ihrem Bett, zog die Decke über ihre Ohren und schlief weiter.

„Dann kitzle mich einfach nicht durch!", gab die Blondine ihrem Mann schnippisch zur Antwort.

„Frech werden auch noch. Na warte...!"

Augenblicklich begann er sie von Neuem zu kitzeln, bis er merkte, dass sie vor lauter Lachen, keine Luft mehr bekam. Sobald er sie losgelassen hatte, sprang sie auf und lief hinauf ins Schlafzimmer, dicht gefolgt von ihm.

Ihr Versuch seinen kitzelnden Händen so zu entkommen, schlug gründlich fehl und so ging das ganze Spiel hinter der verschlossenen Schlafzimmertür weiter, bis beide vor Erschöpfung voneinander abließen und irgendwann einschliefen.

„Guten Morgäään", kam Halie am nächsten Morgen total verschlafen auf die Terrasse. Der Tisch war gedeckt und ihre Eltern saßen putzmunter bereits daran und warteten nur auf sie. Es war ihr ein Rätsel, wie sie das schafften, nachdem sie die halbe Nacht selber nicht geschlafen hatten.

„Guten Morgen. Gut geschlafen?", kam es aus beiden Mündern gleichzeitig.

„Geschlafen hab ich gut, aber viel zu kurz. Sagt mal, könnt ihr das nächste Mal, vielleicht ein klein wenig leiser lachen? Da kriegt man ja kein Auge zu."

„Entschuldige Prinzessin. Ich hatte deiner Mutter mehrmals gesagt, sie soll leiser sein. Ich bin also vollkommen unschuldig", entgegnete Florian ihr, mit Unschuldsmiene.

„Du bist unschuldig? Wer hat mich denn die ganze Zeit durchgekitzelt? Das war ich ja wohl kaum selbst." Gespielt böse, sah Helene ihn dabei an.

„Und wer hatte wen zuerst gekitzelt? Hm?", gab Florian ihr zurück.

„Oh man, jetzt fangt bloß nicht an, euch den Schuldball hin und her zu schießen. Das hält ja keiner aus." Das Halie schlechte Laune hatte, war unschwer zu erkennen. Schuldbewusst sahen sich ihre Eltern gegenseitig an.

„War es denn wirklich sooo laut?", hakte ihre Mutter noch einmal nach.

„Na auf jeden Fall laut genug, dass ich nicht einschlafen konnte." Die Schülerin war normalerweise kein Morgenmuffel, aber wenn sie zu wenig Schlaf bekam, konnte sie schon ziemlich ungemütlich werden. Also schnappte sie sich ein Brötchen, belegte es mit Käse und stand wieder auf, um damit auf ihrem Zimmer zu verschwinden.

„Hey, aber nicht mit..." Helene wollte ihr gerade hinterherrufen, als ihr Florian ins Wort fiel.

„Lass sie Liebling."

„Aber doch nicht mit dem Essen aufs Zimmer!", verteidigte sie ihre Reaktion.

„Sie macht es doch nicht ständig, oder?", erwiderte er ihr.

„Nein, das nicht. Aber..."

„Wir haben dafür gesorgt, dass sie nicht schlafen konnte, also lassen wir sie."

„Oh man, Florian. Wenn ich das so in den letzten 16 Jahren gehandhabt hätte, dann wäre ihr Zimmer ein Saustall."

„Ausnahmen bestätigen die Regel, Liebling."

Helene konnte nur noch mit dem Kopf schütteln.
„Ich werde nachher mal nach ihr sehen. Vielleicht hat sie sich bis dahin ja wieder eingekriegt. Aber jetzt lass uns endlich essen. Der Kaffee ist sicher schon kalt." Und genauso war es auch, genauso wie die Brötchen. Hatte sie sich vorher so sehr auf die ofenfrischen Brötchen von Rosa gefreut, lag vor ihr nur noch ein inzwischen kaltes dieser Art.

So sehr Florian sich auch bemühte, aber er bekam das mittlerweile kalte Getränk nicht runter. Also stand er auf, um diesen wegzuschütten und sich einen neuen, heißen zu holen.

Als das Frühstück beendet war, zog sich Helene zurück ins Büro, um ein paar Telefonate zu führen. 

Verlorene ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt