Teil 84

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Verschlafen kam Florian auf die Terrasse. Seinen Schwager registrierte er dabei gar nicht erst. Stattdessen ging er direkt um die Ecke und kurz darauf sah man nur noch einen Schwall Zigarettenrauch hervorkommen. Kopfschüttelnd kehrte Patrick daraufhin ins Haus zurück, um sich für den Arbeitstag fertig zu machen.

Gähnend streckte die Blondine sich in ihrem Bett. Als sie jedoch neben sich tastete, war die andere Betthälfte leer. Langsam öffnete sie ihre Augen, aber die Sonne blende sie. Erst als sie einen ihr wohlbekannter Geruch wahrnahm, der durchs offene Fenster ins Zimmer waberte, beeilte sie sich aus dem Bett zu kommen.

Wenn Florian so früh am Morgen schon rauchte, dann hatte das etwas zu bedeuten. Schnell warf sie sich ihren Morgenmantel über und verließ das Gästezimmer in Richtung Bad. Schnell musste sie aber feststellen, dass dieses noch von Patrick besetzt war. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als jenes im Obergeschoss zu nutzen.

Dass die Trockenbauer auf dieser Etage jedoch schon seit dem Morgengrauen beschäftigt waren, daran dachte sie in diesem Moment überhaupt nicht. Eigentlich waren diese ihr auch herzlichst egal. Sie hatte nur eines im Kopf – Florian.

Dieser hatte gleich, nachdem die Handwerker angekommen waren, bei Erika angerufen und sie um Rat gefragt. Sie als Anwältin, so dachte er, sollte doch wissen, welche Schritte jetzt zu gehen waren. Was Helene nicht mitbekommen hatte, war das Michael ihren Mann schon kurz nach Sonnenaufgang extrem aufgeregt anrief. Der Manager ließ seinen Schützling kaum zu Wort kommen und fühlte sich in diesem Augenblick beinahe so machtlos, wie vor beinahe achtzehn Jahren, als er Helene von Florians Unfall berichten musste. Eine Art Ohnmacht breitete sich in ihm aus. Er hatte schon mit den Anwälten des Ehepaars gesprochen, diese wollten aber noch abwarten. Es war ihm unbegreiflich, dass sie nicht unverzüglich handelten.

Mit dem Handy in der Hand, stand der Entertainer in der kleinen Nische, zwischen Hecke und Haus und betrachtete unentwegt sein Display.

Dort sah man ihn gerade in Helenes Wagen steigen, in welchem seine Tochter schon auf dem Beifahrersitz saß.

Wütend fluchte er leise vor sich hin. Alles durfte passieren, nur sollte Helene besser nichts davon mitbekommen, vorerst zumindest noch nicht. Nicht, dass es nicht schon reichte, dass er auf diesen Bildern zu sehen war. Das eigentliche Problem, welches er sah, war Halie die ebenfalls deutlich zu erkennen war. Helene würde sich aufregen – schon wieder.

Erschrocken zuckte er zusammen, als er ihre liebliche Stimme von der Terrasse herhörte. Glücklicherweise, so empfand er es, hatte sie ihn nicht sehen können und demnach auch nicht mitbekommen, wie er erschrak. Sie wäre sofort hellhörig geworden. Dass der Rauch seiner Zigarette ihr eh schon verraten hatte, dass etwas nicht stimmte, konnte er ja nicht ahnen, wodurch sie natürlich genau wusste, wo sie ihn suchen musste.

Umso überraschter war er, als sie plötzlich, für ihn unerwartet vor ihm stand. Schuldbewusst fiel sein Blick auf seine immer noch glimmende Zigarette, welchem Helene folgte. Fragend sah sie ihn an.

„Was ist los?"

Sofort versuchte er es runterzuspielen und sie vom Thema abzulenken, in dem er ihr Komplimente machte, von denen sie sich aber nicht beirren ließ.

„Florian!"

Autsch, da war es wieder, dieses Florian. Es ging nicht anders, er musste ihr davon erzählen, denn anlügen wollte er sie Erstrecht nicht. Also hielt er ihr einfach sein Handy hin und sagte gar nichts.

Mit großen Augen stand die Blondine da und begutachtete das Foto, auch welchem ihr Mann aber auch ihre Tochter zu sehen waren.

„Wer?", fauchte sie beinahe.

„Das wissen wir noch nicht. Michael hat unsere Anwälte sofort kontaktiert, die konnten aber noch nichts Positives in Bezug auf den Fotografen rausfinden und haben daraufhin erst einmal nur die Ausgabe geblockt. Ich habe heute Morgen dann mit Eri telefoniert. Sie versucht ihre Kontakte etwas spielen zu lassen. Ich hoffe ja, dass sie etwas rausfindet."

„Flo?" Helene sah ihren Mann besorgt an.

„Ja?" Sein Blick klebte immer noch auf dem Display.

„Was ist, wenn es dieser Lehrling war?"

Sein Kopf schnellte hoch.

„Aber natürlich. An den hab ich ja gar nicht mehr gedacht. Er hatte mir noch angedroht, dass ich es bereuen werde ihn rausgeschmissen zu haben." Sofort begann er auf seinem Handy rumzutippen.

„Aber wann hat er die Bilder denn gemacht?"

„Ich weiß es nicht. Warte mal kurz." Er nahm das Telefon an seine Ohren. „Ja guten Morgen, Silbereisen hier. Ich bräuchte mal einen Sicherheitstest an unserer Anlage." ... „In einer Stunde?" ... „Ja gut, dann bis nachher. Ich danke ihnen." Er beendete das Gespräch und wendete sich wieder seiner Frau zu. „Mal sehen, ob die ein Leck finden können."

Eine Stunde später waren ein paar Mitarbeiter des Sicherheitsunternehmens dann auch da und überprüften alles.

Nach nicht einmal dreißig Minuten kam einer der Mitarbeiter auf ihn zu.

„Verzeihen sie die Störung, aber die Schließvorrichtung des Fußgängertors ist defekt."

Erstaunt blickte ihn der Entertainer an.

„Wie meinen sie das?"
„Die Tür schließt nicht mehr automatisch. Wir können den Schaden aber heute noch beseitigen, wenn sie wollen. Das geht relativ schnell, es ist nur ein kleiner Haken."

„Ja gut, machen sie das. Ansonsten war alles in Ordnung?"

„Absolut. Keine Probleme. Nur die Tür eben."

Kurz nickte der Braunhaarige und ließ den Mann wieder seine Arbeit machen.

Als dieser ihm von der Tür berichtete, hatte er eine Ahnung wie die Fotos entstanden sein konnten. Augenblicklich kontaktierte er seinen Manager, damit dieser die neuen Erkenntnisse an die Anwälte weiterleiten konnte.

Knapp drei Wochen danach, es war mittlerweile Mitte Mai, lag ein Brief der Anwälte auf ihrem Schreibtisch im Büro, in welchem ihnen nahe gelegt wurde den besagten Lehrling wegen Vertragsbruch und Missachtung der Privatsphäre und der Rechte am eigenen Bild anzuzeigen. Beide fackelten sie gar nicht lange und gaben den Auftrag dazu telefonisch an ihre Anwälte weiter. Die Handwerker in der oberen Etage kündeten schon am Vortag an, die Baustelle an die Maler und Lackierer abzugeben. Ein wenig erleichtert war die Blondine schon, denn das bedeutete, dass sie in spätestens einer Woche wieder in ihrem eigenen Bett schlafen konnte.

Gut gelaunt bereitete sie in der Küche gemeinsam mit Rosa ein leichtes Mittagessen, für alle im Haus und Garten arbeitenden Handwerkern zu, als der Meister der Trockenbauer an Helene herantrat. Er hatte Bruchstücke eines Telefonats mitbekommen, als er die ersten Materialien in den Firmentransporter bringen wollte und dabei an der nur leicht angelehnten Bürotür vorbeiging.

„Entschuldigung, Frau Silbereisen?"

Komplett aus ihrem Konzept gerissen, schreckte sie hoch.

„Ja bitte."

„Ich ..." Er dachte kurz nach.

„Wie kann ich ihnen denn helfen?", fragte sie freundlich. Es war ihm peinlich ein wenig gelauscht zu haben, aber das Gehörte ließ ihn einfach nicht los.

„Verzeihen sie mir bitte. Als ich habe vor zwei Stunden unfreiwillig ein Telefonat mitbekommen."

„Ja?" Helene wusste immer noch nicht, worauf er hinauswollte.

„Ach was solls." Er straffte seine Schultern und begann von Neuem. „Ich hatte gehört, dass sie Hanno anzeigen werden."

„Das haben sie richtig gehört", erwiderte sie.

„Darf ich fragen, was genau ihm vorgeworfen wird?"

„Es tut mir leid, darüber darf ich nicht mit ihnen reden." Es tat ihr wirklich leid, aber sie wurden beide aufgefordert mit niemandem zu sprechen, Erstrecht nicht, wenn dieser eventuell als Zeuge geladen werden könnte.

Verständnisvoll nickte er es ab und begab sich zurück zu seinen Kollegen.

Verlorene ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt