Zuhause #Kürbismaske (Teil 3 von Zug)

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Als ich mit einem gefüllten Rucksack nach Hause kam, noch immer mit einem gebrochenen Blick, war es schon längst dunkel draußen. Schneien tat es schon längst nicht mehr und auch in der Wohnung war es still, das Licht war ausgeschaltet und ich sah nicht einmal nach, ob Manuel sich noch hier befand, sondern packte in aller Selenruhe meinen Einkauf aus, putzte mir die Zähne und legte mich in mein Bett. Nur das leise Ticken der Uhr, welche an der Wand über mir hing, war zu vernehmen und das leise Motorgeräusch der vorbeifahrenden Autos, ansonsten war es komplett still in meinem Zimmer. Ich war komplett allein mit meinen Gedanken, ließ das Geschehene von vor zwei Stunden noch einmal revue passieren und malte mir aus, ob dieses Gespräch hätte irgendwie besser verlaufen können, doch nein, dass wäre nicht möglich gewesen. Selbst, wenn es geglückt wäre, hätte mir der Jüngere irgendwann mitgeteilt, dass er umziehen würde und wir hätten uns niemals wiedergesehen, doch so hatte ich es schon viel früher erfahren und dafür war ich dankbar. Nun musste ich mir keinen Kopf mehr um eine angebliche Freundschaft machen, da sie nicht mehr existierte. Das Schicksal wollte nicht, dass ich glücklich war und das musste ich akzeptieren.

Kurz bevor ich endgültig wegdämmerte, vernahm ich, wie jemand die Tür zu meinem Zimmer öffnete und unsicher hineinzusehen schien, guckte, ob ich noch wach war, oder schon schlief. Und obwohl es nicht einmal wirklich logisch war, schließlich hatte mir Manuel vorhin unterbewusst mitgeteilt, dass er mich, ohne zu zögern, verlassen würde, freute sich mein Herz bei seinem Zeichen der Anwesenheit. Obwohl der Brünette allen Grund dazu hatte sich schleunigst zu verkrümeln, er hätte das in meiner Abwesenheit perfekt machen können und uns beiden dadurch eine Menge ersparen können, doch trotzdem war er geblieben und schien bis eben nach den richtigen Worten gesucht zu haben, um noch ein zweites Gespräch mit mir beginnen zu können. Auch er hatte vielleicht nur ein wenig Zeit gebraucht, um zu akzeptieren, dass nun jemand von seinem dunklen Geheimnis wusste und bereit war zu helfen, dass schien bisher ja nie der Fall gewesen zu sein. Ich verstand seine Überforderung mit der Situation gut, schließlich hatte ich ihn nach dem Aufwachen direkt überfallen und doch kam ich noch immer nicht so recht auf die Tatsache klar, dass ich bald schon allein war.

„Patrick?", murmelte mein Gast leise und obwohl ich sagte, ich wollte schlafen, schien ihn noch etwas zu stören. Ob der Grünäugige mir nun sagen würde, dass er keinen Kontakt mehr zu mir wollte? Würde er mir beichten, wer der Übeltäter war oder vielleicht sogar um Verzeihung bitten? Es war mir egal, denn zu verlieren hatte ich sowieso nichts mehr, deshalb brummte ich leise und öffnete blinzelnd meine Augen, um meine Nachttischlampe anzuschalten. Müde blinzelte ich gegen die plötzliche Helligkeit an, die mein Zimmer flutete und als ich schlussendlich die Kraft hatte meine Augen offen zu halten, musterte ich vorsichtig das traurige Gesicht des jungen Mannes, welcher sich nervös die Finger knetend neben mich setzte. Kein Pullover zierte mehr seinen zu dünnen Körper, stattdessen zeigte er mir seine Arme in voller Pracht und ließ mich sehen, was ihm angetan wurde, versteckte es nicht einmal mehr. An der Wand hinter ihm war sein Schatten zu sehen und ich erschauderte als ich merkte, wie schlecht es dem Jüngeren erneut gehen musste, so gekrümmt wie er dasaß.

„Ich wollte dir nur sagen, dass ich das vorhin sicher nicht so meinte, wie du es verstanden hast. Natürlich würde ich gerne von hier weg, aber nur, weil ich in dieser Stadt so unendlich viele schlechte Dinge erlebt habe! Mein Leben war halt noch nie so einfach wie deins, ich musste immer für meine guten Noten kämpfen und hatte keinen Vater, der mal eben beschließen konnte, dass wir woanders hinziehen werden! Weißt du, ich wurde nämlich eigentlich schon seit immer von anderen ausgegrenzt und das aus den verschiedensten Gründen. Also nicht, dass du denkst, dass ich von meinen Mitschülern geschlagen werde, weil, das ist noch nie passiert und darüber bin ich auch mehr als froh, aber auch die sind alle nicht ganz unschuldig an meinem Aussehen. Weil mir viele von klein auf gesagt haben, dass ich wegen meinen langen Haaren hässlich bin und dass meine Stimme scheiße klingt, weil sie so hoch ist, habe ich irgendwann angefangen das alles zu glauben und eben irgendwann angefangen mich zu ritzen. Und als ich dann tatsächlich versucht habe mich umzubringen, weil ich mit fünfzehn Jahren einfach nicht mehr mit all dem klargekommen bin, was man über mich gesagt hat, da habe ich dann beschlossen etwas zu verändern! Ich habe mir meine Haare kurzgeschnitten und angefangen mich gegen die Sprüche meiner Mitschüler zu wehren, eben irgendwie aus diesem Sachverhalt rauszukommen. Tatsächlich hat das sogar recht gut funktioniert und nachdem ich dann für die elfte Klasse auf eine andere Schule gewechselt bin, wo ich dann endlich einen Neuanfang hatte, ging mein Leben wieder ein wenig Bergauf. Ich habe auf dieser Schule verstanden, dass ich anfangen muss mich selbst so zu akzeptieren, wie ich bin und dass ich auf die Meinungen anderer scheißen muss, um glücklich sein zu können und das war wirklich eine Lehre für mein ganzes Leben! Aber naja, das Leben ist halt nicht einfach, wie du es sicher auch weißt. Irgendwann, vor ein paar Jahren, da müsste ich noch siebzehn gewesen sein, habe ich gemerkt, dass ich vielleicht mehr Interesse an anderen Jungs habe, als an Mädchen und ab diesem Punkt...", erzählte mir Manuel leise, wobei am Ende seine Stimme brach und ich war geschockt, was er alles schon erlebt hatte, und ich verstand, dass es nicht einfach war einem anderen davon zu erzählen. All die Gefühle von damals, die Worte und Sätze, die der Jüngere von so vielen Menschen hören musste, er hatte sich extra für mich an sie zurückerinnert und das zeigte mir, dass ihm doch etwas an unserer Freundschaft lag, dass er diese in diesem Moment retten wollte. Ich dachte, dass mein Schützling sich wegen seiner schweren Misshandlungen geritzt hatte, doch dass ihn einige Menschen so hart verbal runtergemacht hatten, dass er sich sogar fast umgebracht hatte, riss eine Kluft in mein Herz hinein. Wie konnte man nur so herzlos sein einen kleinen, so niedlichen Jungen wie Manuel psychisch so fertig zu machen, dass er versucht hat sich das Leben zu nehmen? Es war unmenschlich und zudem unverzeihlich, das sollte man mit niemandem tun.

Kürbismaske Oneshots! Und eine Priese Zomdado :3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt