Meine Suiziderfahrungen

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Es interessant zu sehen, zu was für Handlungen wir Menschen tendieren, wenn uns bestimmte Situationen über den Kopf wachsen. Zu sehen, wie wir Menschen -seien es Kinder, Jugendliche oder Erwachsene- in schwierigen Lebenssituationen oder auch von dessen Folgen leiden und keine Hoffnung mehr erkennen, ist für mich erstaunlich zu beobachten.

Ebenso habe ich über die Jahre realisiert, was für ein Tabuthema der „Suizid" in unserer Gesellschaft ist. Mal abgesehen davon, dass ich sowieso noch nie verstand, weshalb man einen Menschen wegen seinen eigenen Entscheidungen verurteilen sollte, finde ich das darüber offen und ehrlich gesprochen werden soll. Vorallem, wenn man Suizid vermeiden möchte.

Ich kenne aus verschiedenen Psychologiebüchern mehrere reale Beispiele für suizidale Fälle. Ein Beispiel ist das 8-Jährige Mädchen einer Familie aus Amerika, Washington D.C. Bei ihr wurden Depressionen diagnostiziert, die letztendlich so prägend waren, sodass sie sich das Leben nahm. Sie lebte gut, hatte liebevolle Eltern und einen guten sozio ökonomischen Status.

Doch manchmal verliert man den Kampf gegen die eigene Krankheit. Egal, wie viel man dafür tut, sie zu bekämpfen. Da trägt letztendlich auch keiner die Schuld dafür! Auch nicht der, der diese Tat umsetzt!!

Ein wahrscheinlich riskantes Beispiel wäre z.B. der Kampf gegen den Krebs. Eine kraftzerrende, killende Krankheit. Sie zerstückelt dich Schritt für Schritt auf ihre eigene Weise. Manchmal gewinnt man den Kampf gegen den Krebs durch Therapien und Kuhr. Manchmal verliert man aber auch und stirbt. So ähnlich kann man z.B. Depressionen oder andere psychische Krankheiten auch betrachten!

Klar, beim Krebs stirbt man eher unwillkürlich. Da ist der Suizid bestimmt nichts vergleichbares, dennoch hoffe ich, dass du irgendwie verstanden hast, was ich damit meinte.

Ich habe bereits vorallem von Jüngeren oder alten Menschen die Frage gehört „Wieso sollte man sich selber umbringen? Das ist doch krank und der größte Psychokack!"
Ich schluckte, versuchte teilweise erstmal zu verkraften, was für Gewicht solche Wörter für mich eigentlich tragen, da ich selber Erfahrungen damit gesammelt habe. Sei es mit mir selber oder Freunden.

Naja, es ist ganz einfach zu erklären.

Stell dir vor liebe/r Leser/In,
du stehst an einer Klippe. Der graue Himmel spiegelt deine Gefühlslage als depressiver Mensch wieder. Konstante Müdigkeit, Hoffnungslosigkeit und Trauer.
Wenn du runter schaust, siehst du nur noch ein schwarzes Loch. Es wirkt endlos. Es hat kein Ende und je länger du reinschaust, desto weniger wird die Angst davor, denn du siehst, dass dieses schwarze Loch dir nichts antut.

Heb deinen Kopf an. Du siehst um dich herum all deine Sorgen, deine Ängste, deine Probleme in Gestalt von mehreren Schatten. Aneinandergereiht schauen sie dich konstant an, da sie ein ausgiebiger und entscheidener Bestandteil deines Lebens sind. Schließlich bist du depressiv.

Schule.
Arbeit.
Verluste.
Familiäre Probleme.
Keinen einzigen Halt.
Kein Vertrauen in die Menschheit.
Kein Verständnis. Nicht mal aus der kleinsten Ecke.
Panik.
Ängste.
Verantwortung.

Alles umgibt dich. Über die vergehenden Jahren wächst das eine Problem, während das andere schrumpft. Doch sie verschwinden nicht. Schließlich bist du depressiv. Alle negativen Erfahrungen, die du sammelst, prägen sich noch tiefer in deine Psyche und in deinem Kopf ein, sodass sie dich auch nach den vielen Jahren verfolgen. Sei es durch neue Verhaltensweisen, neu entstehende Ängste oder Flashbacks.

Wieder schaust du dich in deiner Umgebung um. Du siehst, wie die dunklen Schatten immer größer werden und sie drohen dich einzunehmen. Der Schulstress, der familiäre Stress, traumatische Ereignisse, normale Symptome von verschiedenen Krankheiten, Panik und Ängste zu versagen und und und...

Und wenn du jetzt wieder runterschaust, erblickst du das schwarze Loch. Es hat genau diesselbe Farbe, wie die Schatten, die drohen, dich wieder anzugreifen. Es wirkt durch ihre Größe genauso beängstigend wie die Schatten. Dennoch bleibt das schwarze Loch als ganz einfach existierende Form da. Es tut nichts.

Als du siehst, wie die Schatten dir näher kommen und dich mit ihren Eigenschaften immer weiter umkreisen, schaust du vergeblich um dich. Nach Flucht, nach Lösung, dem zu entkommen. Doch du findest nichts, was dich mehr retten kann.
Kein Weg führt von der Klippe weg, auf den dich die Schatten getrieben haben.

Dementsprechend gibst du auf. Es gibt eben kein Ausweg mehr, denkst du dir. Du stehst nun auf dieser schmalen Klippe, während dir all deine Probleme immer wieder in den Rücken stechen und du keinen einzigen Halt findest, der für dich sinnvoll erscheint, weil du in dem Moment nichts anderes siehst, als das, was dich zu deinen Taten befördert.

Somit schaust du wieder runter und realisierst, dass das schwarze Loch die einzige Chance ist von der Klippe und somit von den Schatten zu entkommen. Zögernd atmest du tief durch. Dir bleibt keine Wahl mehr, denkst du, sodass du einfach springst.

Denn du weiß ganz genau. Wenn du runterspringst, wirst du diese Schatten nie wieder mehr sehen, die dich jahrelang begleitet und innerlich immer weiter gekillt haben. Du wirst nur noch von der beruhigenden Tiefe und Dunkelheit des schwarzen Loches umgeben, wo keiner an dich rankommt und du die Fähigkeit verlierst, Schmerz -oder irgendein Gefühl- zu empfinden.

Wie befreiend und erlösend zugleich...

Ich weiß nicht, ob du diese kleine Story verstanden hast. Vielleicht hast du es, vielleicht hast du es nicht. Beides wäre okay. Jedoch habe ich versucht dir das Prinzip des Suizides etwas milder beizubringen, als es dir an realen und echten Beispielen näher zu bringen. Kleine Storys gestalten so manches nämlich einfacher zu verstehen! :-)

Vor drei Jahren habe ich meinen besten Freund durch den Suizid verloren. Durch eine Überdosis an Schlaftabletten ist er schrittweise gestorben. Er war damals 15 Jahre alt und ich 13. Wir lernten uns zu einer Zeit kennen, wo ich gerade dabei war all meine psychischen Krankheiten zu bilden und in der Dunkelheit großzuwerden.

Erstaunlich zu sehen, was allein sein Lachen, seine Goofy Präsenz und seine Umarmungen für Wirkung auf mich hatten.

Es war hart mit 13 Jahren zu realisieren, dass man seine einzige Person, der man auch wirklich vertraute, nun verloren hat. Er war es nämlich, der mir schlussendlich beibrachte, dass der Suizid nie eine Lösung sei und dass wir gemeinsam es aus der Hoffnungslosigkeit schaffen werden. :)

Ich denke gerne immer wieder daran zurück, wie er für mich da war, mich festhielt und wir uns heimlich getroffen haben, weil meine Eltern es mir nie erlaubten. Er erzählte mir jeden Tag, jeden Abend von seinen Problemen, aber auch seine Leidenschaften. Genau dies tat ich auch. Die Musik verband uns, denn wir sind beide Streicher. Er war genauso ein Violinist wie ich, weshalb ich dieses Instrument für immer mit ihm verbinden werde.

Auch heute mit meinen jungen 16 Jahren besuche ich sein Grab noch so oft, wie ich kann.

Dies tue ich aber alleine. Denn ich habe seine Existenz von meinen damaligen und jetzigen Freunden verschwiegen, sowie von meiner Familie bis heute noch. Nur meine Therapeutin (und ihr jetzt auch ^^) wisst von ihm! Er war mir eben viel zu wichtig, als das ich jemanden von seiner goldigen und für mich wertvollster Existenz erzählen würde.

Deswegen fahre ich auch heute noch alleine in die Stadt, wo er wohnte. Sie ist 30  Minuten entfernt mit dem Zug und besuche sein Grab dort.

Meine liebe Leser/In,
einen wichtigen Menschen zu verlieren, kann ein extremer Schicksalsschlag sein. Es kann dich niederschlagen, zerschmettern oder auch ins Positive lenken!

Falls du einen Geliebten an dem Suizid verloren hast, -vielleicht hat jemand von euch auch seine Erfahrungen schon gesammelt-, gedenkt sie mit gutem Herzen und schönen Erinnerungen.

Der Suizid ist nichts, wofür man einem die Schuld geben darf. Es ist etwas gefühlsgesteuertes, was einfach in einer Sekunde geschehen kann. Etwas, was krankheitsbedingt, einem zum Tod führen kann.

Deswegen bitte ich dich, immer verständnisvoll, liebend und geduldig mit deinen geliebten Menschen umzugehen. Denn man weiß nie, was für eine innere Last sie mit sich tragen und wie lange sie noch kämpfen. :)

-Eure Eleja ♡

Mein Leben mit PTBSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt