Tills Sicht:
'Till, bitte ich liebe dich doch!'
Erschrocken riss ich meine Augen auf. Verwirrt blickte ich mich um und musste feststellen, dass ich schon wieder im Krankenhaus war. Was war nur passiert? Ich blickte geschockt an mir herunter. Ich hatte in meiner Nase einen Schlauch zur Sauerstoffzufuhr und in meiner rechten Hand steckte eine Kanüle, an der die Infusion befestigt war. Die kam aus einem großen Beutel, der in einem Ständer hing mit Rollen drunter. Hinzu kamen noch andere Kabel an meinem Körper und ein Pulsmesser an meinem Finger, die mit einem Monitor verbunden waren, der in regelmäßigen Abständen piepte. Mein Herzschlag. Ich fühlte mich wie die Hauptperson in einem Krankenhausdrama. Dann wollte ich mich auf die Seite drehen, doch ein stechender Schmerz hinderte mich daran. Ich verzog mein Gesicht und blieb auf dem Rücken liegen. Und da viel mir alles wieder ein und die Bilder schossen nur so in meinen Kopf. Ich war im Waschraum, nachdem ich Martha diese echt fiesen Dinge an den Kopf geknallt hatte und wollte einfach nur ins Bett. Aber dann kam Viktor und hatte mir wieder gedroht. Ich war wütend und traurig zugleich und hatte deshalb auf den Spiegel eingeschlagen und war wie ein Idiot auf den Scherben ausgerutscht. Ich hatte an meinem Bein eine tiefe Schnittwunde und deswegen war ich wahrscheinlich auch hier. Aber wer hatte mir geholfen?
'VIKTOR?', kam es mir in den Sinn, aber er hatte doch den Raum verlassen. Hatte er tatsächlich nochmal umgedreht. Für mich? Wohl kaum. Er hätte bestimmt nur da gestanden und hätte mir nur wieder dumme Sprüche gedrückt und mich ausgelacht. Er wusste doch rein gar nichts über Gefühle oder Empathie anderen gegenüber. Er war ein Eisklotz und ließ es mich immer wieder spüren.
Aber wer hatte mich dann gerettet?
"Oh, hallo Till. Das freut mich sehr, dass du schon wach bist.", hörte ich den Arzt sagen, der plötzlich in der Tür aufgetaucht war.
"Till wir mussten dich gestern Abend notoperieren, da du eine sehr tiefe Schnittwunde am Bein hattest und mehrere kleine an deinen Händen und Unterarmen. Hätte dein Freund nicht so schnell reagiert, dann wärst du jetzt tot." "Mein Freund?", fragte ich verwirrt. "Ja, ein Junge ungefähr so groß.", sagte er und zeigte in Höhe auf seiner Schultern. "Und er hatte braune, kurze Haare." Die Beschreibung traf auf Viktor zu, aber ich konnte nicht glauben, dass ausgerechnet er mir mein Leben gerettet haben soll.
"Er hat dein Bein mit einem Gürtel abgebunden und deshalb konnte so die Blutung einigermaßen gestoppt werden." "Der Gürtel.", flüsterte ich. Na klar. Jetzt kam die Erinnerung an das Geräusch wieder. Und wegen meines Flashbacks, hatte ich nicht mitbekommen, was Viktor wirklich mit dem Gürtel vor hatte.
"Till ich muss dich das jetzt fragen. War das ein Selbstmordversuch?"
"Oh Gott nein! Ja mein Leben ist Scheiße, aber so Scheiße dann auch nicht.", sagte ich. Okay ich hatte vielleicht das ein oder andere Mal darüber nachgedacht, aber wirklich durchziehen würde ich es nicht. Dafür fehlte mir der Mut. Die viel wichtigere Frage war aber, wieso ausgerechnet Viktor mir geholfen hatte? Und von wem die Liebeserklärung kam. Von Viktor ja wohl kaum.Viktors Sicht:
'Ich hoffe du erstickst an deinen Schuldgefühlen.' Wenn Martha nur wüsste. So weit war ich davon gar nicht entfernt. Die letzten Nächte und Tage hatte ich mich selbst total fertig gemacht, wegen Till. War ich wirklich daran schuld? Natürlich war ich das. Wieso fragte ich mich das überhaupt?! Ich hatte ihn dazu getrieben. Ich allein war schuld an der ganzen Scheiße. Wegen mir hatte er sich versucht umzubringen. Oder war es ein Unfall? Fakt war, dass er sich wegen mir verletzt hatte. Ob mit Absicht oder nicht war da schon fast egal.
Dabei wünsche ich mir doch einfach nur, dass es ihm wieder gut geht. In Gedanken versunken lief ich durch die Flure des Internats. Frau Schiller hatte mich für den heutigen Tag von der Schule befreien lassen, da es gestern keinen Sinn hatte. Ich konnte mich weder auf den Unterricht, noch auf Gespräche konzentrieren. Plötzlich vernahm ich Schritte und fremde Stimmen hinter mir. Als sie näher kamen verstand ich auch was sie sagten. "Was denkt er sich?! Wegen ihm mussten wir jetzt auf halber Strecke erneut umdrehen! Der simuliert doch wieder nur. Wie damals. Da hat er sich doch auch immer die tollsten Geschichten ausgedacht, nur um Aufmerksamkeit zu bekommen.", sagte ein Mann wütend und er rauschte an mir vorbei. Eine kleine Frau folgte ihm. "Lutz, jetzt beruhig dich erstmal. Frau Schiller wird uns schon nicht ohne Grund so eindringlich gebeten haben zu kommen. Außerdem liegt er auf der Intensivstation. Das wird ja wohl kein Scherz sein."
Mehr bekam ich leider nicht mit, da sie wieder aus meiner Hörweite verschwunden waren. Es musste um Till gehen. Waren das etwa seine Eltern?! Der Vater schien ja richtig ätzend zu sein.
Diese Erkenntnis steigerte meine Schuldgefühle nur noch weiter in die Höhe.
Gerade kam ich an Frau Schillers Büro an und hörte von Innen ein Stimmengewirr. Wie von selbst näherte ich mich der Tür und legte ein Ohr daran.
"Meinen Sie er hat sich mit Vorsatz diese Verletzungen zugefügt?!", hörte ich die Mutter geschockt sagen. "Susanne mach dich nicht lächerlich!" Das war dieser Lutz. Ich konnte ihn jetzt schon nicht austehen. "Das wissen wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Aber ich finde sie sollten heute noch zu ihrem Sohn fahren. Die Ärzte meinten heute Morgen zwar er wäre übern Berg, aber es war verdammt knapp. Ihr Sohn hätte tot sein können.", redete Frau Schiller eindringlich auf die beiden ein. Wie konnten sie denn so kaltherzig sein?! "Okay. Danke Frau Schiller.", meinte die Mutter dann und ich hörte wie Stühle über den Boden kratzten. Schnell verschwand ich von der Tür und versteckte mich ein paar Meter weiter in einer Nische. Keine Sekunde später ging auch schon die Tür auf und die Eltern kamen raus. "Und was ist mit Amelie und Lilly?! Die müssen jetzt noch einen Tag länger bei Oma und Opa bleiben.", stänkerte Lutz wieder los. "Da sind sie doch gut aufgehoben." "Das nur wegen diesem Nichtsnutz. Vielleicht sollten wir ihn doch wieder nach Hause holen.", sagte Lutz und in seiner Stimme schwang ein diabolischer Unterton mit. "Darüber können wir auf dem Heimweg reden. Jetzt möchte ich ihn wenigstens kurz sehen.", meinte Susanne und dann gingen sie in die andere Richtung davon. Till hatte in dieser Familie wohl nicht so viel Liebe erfahren und dann kam er hier her und ich Idiot machte alles nur noch schlimmer. Fuck. Ich musste echt damit aufhören das an Till auszulassen und mit mir selbst klarkommen. Vielleicht sollte ich nochmal mit meinen Eltern darüber sprechen, um ihnen klarzumachen , dass wir im 21 Jahrhundert leben und man sein darf und lieben darf wen man möchte.
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Bad Liar
FanfictionMartha ist ein 16-jähriges Mädchen und augenscheinlich führt sie das perfekte Leben. Sie hat reiche Eltern, schreibt immer gute Noten, hat viele Freunde und den beliebtesten Jungen der Schule als Freund. Doch was ist wenn sie von heute auf morgen al...