Tills Sicht:
Wieso interessierte sich dieses Mädchen für mich? Wieso war sie so nett? Führte sie etwa was im Schilde? Steckte sie mit Viktor unter einer Decke? Hatte er sich wieder einen neuen Plan ausgedacht, um mich fertig zumachen? Oder war da vielleicht wirklich jemand, der sich ernsthaft Sorgen um mein Wohlbefinden machte? In meinen Gedanken gefangen, saß ich nur starr auf meinem Stuhl. Der Unterricht zog nur so an mir vorbei und ich bekam kaum was mit. Auch in den nächsten Pausen ging ich nicht nach draußen. Zu groß war die Angst, sie würden mir dort nur wieder auflauern. Doch dann nahm ich einen großen Schatten vor mir wahr und ich blickte langsam auf. Es war Herr Chung. "Till, kommst du mal bitte mit in mein Büro?", fragte er mich sanft. Ich nickte perplex und folgte ihm dann ins Direktorrat. "Setz dich.", sagte er und deutete auf den Stuhl vor dem Schreibtisch, während er selbst dahinter Platz nahm. Ich ließ mich auf den Stuhl fallen und schaute ihn erwartungsvoll an. "Ich glaube wir zwei müssen uns mal unterhalten." "Worüber?" "Über dein Verhalten. Mir wurde zugetragen, du würdest dich im Internat prügeln. Und du weißt Gewalt und Mobbing dulde ich nicht an dieser Schule." Ich lachte geschockt auf. Was sollte der Scheiß denn jetzt?! "Wer hat ihnen denn so einen Müll erzählt?" "Die Person möchte anonym bleiben, da sie zu große Angst hat." Wow. Da steckte doch locker Viktor hinter. Was für ein mieses Arschloch er doch war. Sogar die Lehrer damit reinzuziehen und mich auch noch vor ihnen schlecht zumachen. Aber das schlimmste daran war, dass sie es glaubten. Sie dachten echt ich wäre in der Lage dazu anderen Menschen wehzutun und sie systematisch fertig zumachen. Wie abgefuckt war dieser Ort?
"Herr Chung, ich versichere Ihnen, dass ich niemanden an dieser Schule mobbe oder anderweitig fertig mache. Und mal ehrlich, sieht so ein Mobber aus?", sagte ich und deutete auf mein Gesicht, welches immer noch aussah als hätte ich gegen Klitschko gekämpft. Er schien nachzudenken. "Till, wer hat dir das angetan?" "Ist nicht so wichtig. Aber ICH bin hier ja der Mobber.", sagte ich fassungslos und stürmte dann aus seinem Büro. Das musste doch alles nur ein schlechter Traum sein.
Ich schnappte mir schnell meinen Rucksack und verschwand aus der Schule. Die Blicke ignorierte ich einfach. Dann ging ich zurück zum Internat.
Ich verstand gar nichts mehr. Wieso war Viktor so besessen davon mich fertig zumachen? Wie weit wollte er noch gehen? Das machte mir wirklich Angst. Schlimmer ging es ja kaum noch.Marthas Sicht:
Wo war Till? Er saß doch vorhin noch in der Klasse, aber als ich zurück aus der Pause kam, war er nicht mehr da. Genau wie seine Tasche, die ebenfalls verschwunden war. Ich blickte zu Viktor, der nur mit hochgezogener Augenbraue auf den leeren Stuhl neben mir blickte. Die letzten zwei Stunden kreisten meine Gedanken nur um Till. Man wieso machte ich mir überhaupt so viele Gedanken um ihn?! Ich war doch nicht für ihn verantwortlich. Und schon gar nicht seine Aufpasserin. Außerdem kannte ich ihn noch nicht mal.
Aber irgendwie hatte ich es mir als Aufgabe gemacht, denn einfach wegzuschauen, fühlte sich falsch an.
Dann zu Hause angekommen, machte ich erstmal meine Hausaufgaben und mir dann etwas zu essen. Mein Vater war noch arbeiten und meine Mutter musste noch dringende Sache erledigen. Mir war total langweilig, weswegen ich nun endlich mal wieder eine Runde laufen gehen wollte. Eine passende Strecke hatte ich ja gestern schon ausgekundschaftet. Also zog ich mir meine Sportleggings und ein Top an, schnürrte mir meine Laufschuhe, suchte mir meine Laufplaylist raus und ließ sie über die Kopfhörer laufen. Diese steckte ich mir in die Ohren und schloss dann die Tür und lief los. Während des Laufens merkte ich, wie sehr ich dieses Gefühl von Freiheit vermisst hatte. Einfach nur rennen und den Kopf ausschalten. Genau das brauchte ich jetzt. Unbewusst lief ich genau den gleichen Weg wie gestern, auch wenn es bestimmt schönere Strecken gegeben hätte. Ich lief durch den Park, dann quer durch die Stadt bis ich gerade an dem hässlichen grauen Sportinternat vorbei kam, als jemand aus der Einfahrt gerannt kam. Ich konnte nicht mehr bremsen und ich stieß mit dem Jungen zusammen. Durch den Schwung den ich hatte, fiel ich hin und landete unsanft auf meinem Hintern. Man konnte der Blödmann nicht aufpassen?!

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Bad Liar
FanfictionMartha ist ein 16-jähriges Mädchen und augenscheinlich führt sie das perfekte Leben. Sie hat reiche Eltern, schreibt immer gute Noten, hat viele Freunde und den beliebtesten Jungen der Schule als Freund. Doch was ist wenn sie von heute auf morgen al...