Kapitel 36

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Tills Sicht:

"Und was ist mit dir? Bist du auch in ihn verliebt?" Bitte was? Wieso fragte sie mich jetzt so direkt nach meinen Gefühlen?! Ich war mir doch selbst nicht mal sicher. Also wieso sollte ich es ihr dann jetzt sagen?! Überfordert starrte ich sie einfach nur an und spürte, wie sich meine Wangen leicht rot färbten. "Ich, ich weiß es nicht.", gab ich dann leise zu und senkte meinen Blick beschämt auf den Boden. Ich wusste nicht mal wieso ich ihr das überhaupt erzählte, aber immerhin waren wir doch jetzt Freunde. Also konnte ich doch sowas auf jeden Fall mit ihr besprechen. "Dann hast du jetzt erstmal Zeit, das herauszufinden.", sagte sie dann leise. Verwirrt schob ich meine Augenbrauen zusammen. "Wie meinst du das?" "Sein Vater hat ihn vorhin abgeholt. Er ist jetzt erstmal wieder zu Hause." "Was?! Nein! Der Arme." "Wieso? Was ist falsch daran?", war sie es jetzt, die ihre Stirn runzelte. "Er sollte da einfach nicht sein.", sagte ich leise und schaute nachdenklich auf meine Hände. Dann war es erstmal still zwischen uns, bis ich dann mir die Haare raufte und zu ihr meinte:
"Ich steh doch gar nicht auf Jungs. Ich finde Mädchen viel interessanter. Aber." Ich stockte kurz. "Aber, Viktor den finde ich ja irgendwie schon anziehend. Nur auf welche Art uns Weise muss ich noch herausfinden."  "Dann finde es heraus. Bevor es noch zu spät ist. Ich weiß, ich war skeptisch Viktor gegenüber, aber ich habe sein Gesicht gesehen, als er mir von dir erzählt hat und das hat alles verändert. Er liebt dich wirklich Till.", hörte ich dann aus Martha's Mund sagen. Es machte mir Angst es nochmal so direkt von ihr zu hören. Das machte die ganze Sache irgendwie real. Irgendwie greifbarer.
"Was soll ich jetzt machen?", fragte ich sie verzweifelt und ließ mich auf mein Bett sinken. "Wie gesagt, mach dir Gedanken darüber was du willst.", sagte sie sanft und lächelte mir aufmuntern zu. Wie konnte ich denn in so ein Gefühlschaos geraten?

Viktors Sicht:

Genervt schlug ich die Autotür zu und stand erstmal nur starr da und schaute auf diese protzige Villa. Es war echt abartig, wie sehr meine Eltern mit ihrem Geld angaben und sich damit profilierten. "Ich wusste gar nicht, dass ihr euch hier in Erfurt eine Villa gekauft habt.", sagte ich dann verwundert zu meinem Vater, der am Kofferraum stand und gerade meine Tasche herausholte. "Ja hat sich ganz spontan ergeben.", meinte er nur schulterzuckend und drückte mir meine Tasche in die Hand. Und trotzdem hatte es eine Ewigkeit gedauert, bis er mich abgeholt hat. Super, wie er so tat als wäre nie was gewesen. Ich fühlte mich jetzt schon unwohl. Hatten sie überhaupt ein Zimmer für mich eingerichtet? Oder hatten sie einfach vergessen, dass sie noch einen Sohn hatten? "Na komm schon. Deine Mutter freut sich dich zu sehen.", holte er mich aus meinen Gedanken und ich folgte ihm schnell zu der Haustür, in die er den Schlüssel umdrehte und sie dann mit großer Geste aufstieß. "Willkommen.", sagte er wieder so distanziert. Ich nickte und trat dann nach ihm über die Türschwelle. "Klaus?! Bist du das?", hörte ich dann die aufgeregte Stimme meiner Mutter durch den Flur hallen. "Ja, Simone! Wir sind da." Schon stand sie am anderen Ende des Flures und kam mit ausgebreiteten Armen auf mich zu gelaufen. Dann fand ich mich in einer Umarmung wieder. "Ach mein Junge. Schön, dass du wieder hier bist. Lass dich ansehen.", sagte sie, packte mich an den Schultern und musterte mich dann einmal von oben bis unten. "Hallo Mama.", murmelte ich nur und das Unbehagen in mir wuchs nur noch mehr. Sie taten wirklich so, als wäre nichts passiert. Als wäre alles normal. Sie fragten nicht mal nach, wieso ich mich überhaupt dazu entschieden hatte, wieder zurück zu kommen. Aber ich lächelte einfach. So hatten sie mich erzogen. Einfach lächeln und sich nichts anmerken lassen. Bloß keine Gefühle zeigen.
"Na. Komm das Essen ist gleich fertig.", lächelte sie dann ebenfalls und schob mich schon in das riesen große Esszimmer. Es stand ein großer massiver Eichenholztisch mitten im Raum. Daran hätten locker 10 Leuten sitzen können. An den Wänden waren überall Strahler angebracht, die die Gemälde anleuchteten und damit noch mehr hervorhoben. 'Einfach nur protzig', schoss es mir erneut durch den Kopf. Dann drückte sie mich schon auf einen Stuhl und ich hatte gar keine Zeit mich weiter umzusehen. Vor mir stand so viel Essen, da hätte ich noch das ganze Internat einladen können, und es wären alle satt geworden. Es gab Braten, Kartoffeln, Erbsen und Möhren, Salat, eine Gemüseplatte und für später noch Nachtisch.
Ich schob mir gerade den letzten Bissen in den Mund, als mir plötzlich etwas einfiel. Ich schluckte schwer und ließ meine Gabel erschrocken fallen, sodass sie mit einem lauten Klirren auf meinem Teller landete. Fragend schauten meine Eltern mich an. Doch ich bekam mich dann schnell wieder in den Griff. "Darf ich aufstehen und in mein Zimmer gehen?", fragte ich sie. "Außnahmsweise.", murmelte meine Vater mit vollem Mund und beschrieb mir dann noch kurz den Weg dorthin. "Und pack deine Sachen aus!", rief er mir dann noch nach, als ich gerade im Flur mir meine Sporttasche geschultert hatte. "Ja, ja", brummte ich vor mich hin und stapfte dann die Wendeltreppe hoch in den 1. Stock. Die erste Tür rechts führte in das Badezimmer. Danach folgte das Schlafzimmer meiner Eltern und in der hintersten Ecke fand ich dann mein Zimmer vor. Ich ging hinein und schaute mich nur fassungslos um. Hier sollte ich wohnen?! Das war ja trostloser als das Internatszimmer. Es standen nur mein Bett, mein Schreibtisch und mein Schrank darin. Aber alles leer. So als würden sie nicht erwarten, dass ich jemals zu Besuch kommen würde. Die ganzen anderen Sachen waren immer noch in Umzugskartons verstaut und standen in der Ecke rum. Das meinte mein Vater also mit "Pack deine Sachen aus." Die Kartons waren schon ganz staubig. So wenig bedeutete ich ihnen also? Ein riesen Kloß bildete sich schlagartig in meinem Hals und trieb mir die Tränen in die Augen. Mit Mühe und Not konnte ich sie gerade so noch zurück halten. Nein! Ich würde nicht weinen. Nicht wegen ihnen. Also setzte ich wieder mein Pokerface auf, straffte meine Schultern und zog die Kisten hervor und suchte mir meine Bettwäsche raus. Dann bezog ich mir mein Bett und musste dabei sogar schmunzeln. Es erinnerte mich daran wie ich das erste Mal im Internat stand und überhaupt nicht wusste wie man das macht. Ich hatte so mit dem Spannbettlarken gekämpft, dass ich danach völlig aus der Puste war. Ich schüttelte den Kopf. Verrückt wie viel sich seit den 3 Jahren im Internat verändert hatte. Wie sehr  ich mich in diesen 3 Jahren verändert hatte.
Doch dann schoss mir der Gedanke wieder in den Kopf den ich auch beim Essen hatte. Und er ließ in mir das Blut gefrieren. Wenn ich immer noch in Erfurt war, bedeutete das, ich würde immer noch aufs Einstein gehen. Also würde ich dort auch Till begegnen, genau so wie beim Training. Ich würde ihm trotzdem noch sehen, aber genau das wollte ich doch nicht mehr. Genau das, hielt mein Herz nicht aus.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 16 ⏰

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