Viktors Sicht:
Zum Glück hatte ich mit ein paar Leuten heute Morgen ausgemacht, dass wir abends Kartenspielen wollten. Das lenkte mich wenigstens ab. Andernfalls wäre ich wahrscheinlich schon längst durchgedreht. Doch so wirklich konzentrieren konnte ich mich trotzdem nicht. Meine Gedanken drifteten wie von selbst immer wieder zu Till. Ich war wirklich hoffnungslos und volle Kanne in diesen blonden, gutaussehenden Kerl verliebt. Wie hilflos ich vorhin war, als ich einfach nur dabei zusehen musste wie er immer weiter zerbrach. Und ich konnte nicht für ihn da sein, wie ich es gerne sein würde. "Hey Till. Schön, dass du doch noch gekommen bist!", sagte Frau Schiller plötzlich und direkt hob ich meinen Blick von den Karten in meiner Hand und schaute nach links zur Tür. Da stand er nun in seinem grauen Hoddie, die Kapuze tief in sein Gesicht gezogen und die Hände verunsichert in die Bauchtasche gesteckt. Ich starrte ihn an und es war ein Wunder, dass ich nicht anfing zu sabbern. Wie konnte ein Mensch nur so gut aussehen, obwohl er so kaputt war?! Langsam steuerte er auf den Tisch zu und ich schaute schnell nach links neben mich. Mist. Der einzige leere Platz war genau der Stuhl neben mir. Mein Herz raste wie wild und ich hatte Angst er würde es hören können, so laut wie es pochte. Er sah natürlich gar nicht begeistert aus, sich ausgerechnet neben mich zu setzten. Aber okay da mussten er und ich jetzt durch. Ich war echt ein hoffnungsloser Fall. Direkt flammte die Unsicherheit erneut in mir auf und ich versteckte sie mal wieder hinter meiner Mauer aus Wut und setzte mein Pokerface auf.
Naja, der Spieleabend war trotzdem echt cool und wir konnten wenigstens für die paar Stunden all die Probleme und Sorgen, die da draußen auf uns warteten, vergessen.Martha's Sicht:
Verwundert kam ich am nächsten Tag den Weg runter zum Eingang der Schule. Ich sah Till und Viktor miteinander reden. Die beiden standen ein wenigen Abseits des Eingangs und schienen sich normal zu unterhalten. Trotzdem hatte ich kein gutes Gefühl dabei und steuerte also auf die beiden zu. "Guten Morgen Till, alles klar hier?", fragte ich mit einem verächtlichen Seitenblick auf Viktor. Er wollte doch nur Till wieder fertig machen. "Ja, wir haben uns nur unterhalten. Ich habe ihm gedankt, dafür, dass er mir mein Leben gerettet hat.", sagte Till und lächelte mir und ihm kurz zu. Was war hier bitte los?! Seid wann lächelte Till in der Gegenwart von Viktor?!
"Viktor was spielst du hier schon wieder für ein krankes Spiel?!", fuhr ich ihn direkt wütend an. "Martha, lass es einfach. Du hast echt keine Ahnung was abgeht!", fauchte Viktor mich an und lief dann wutendbrand weg. Verwirrt schaute ich ihm nach. Was bitte war das? "Martha, er war wirklich nett und er wollte mir gerade etwas wichtiges sagen.", schaltete sich jetzt auch noch Till ein. "Till jetzt sei doch bitte nicht so naiv. Nur weil er jetzt einmal nett ist, heißt das noch lange nicht, dass sich Viktor Müller geändert hat." "Und wenn doch? Seit dem ich aus dem Krankenhaus wieder da bin, hat er keinen weiteren Angriff auf mich gestartet. Weder verbal noch körperlich. Außerdem war er es der mich gerettet hat und auch gestern war er für mich da. Irgendetwas muss sich geändert haben und ich muss herausfinden was das ist." "Okay wow. Jetzt drehst du völlig durch. Entwickelst du jetzt das Stockholm Syndrom?!" "Das was?" "Na das Syndrom, bei dem sich das Opfer in den Täter verliebt und wie besessen von ihm ist." "Martha du redest Bullshit! Ich möchte lediglich herausfinden wieso Viktor so ist wie er ist." "Okay. Bitte. Mach was du willst.", sagte ich dann und hob dabei meine Hände ergebend nach oben. "Aber heul mich später nicht voll, wenn du wieder von ihm fertiggemacht wirst!". Ich hatte diesen Satz gerade ausgesprochen, da bereute ich ihn sofort. Damit war ich auf jeden Fall zu weit gegangen. Und das sah ich auch in Tills Blick. Direkt war da diese Enttäuschung in seinen Augen und er wich ein paar Schritte von mir zurück. "Sorry, das. Das habe ich nicht so gemeint.", stotterte ich dann. "Mach dir keine Mühe Martha.", sagte er niedergeschlagen und humpelte dann ebenfalls davon. Scheiße. Jetzt hatte ich es so richtig verkackt.Tills Sicht:
Wie zur Hölle konnte Martha es wagen, sowas zu sagen?! Ich war so sauer, aber auch unendlich enttäuscht. Ich dachte echt da war endlich jemand, der mich versteht. Jemand, der mir zuhört. Jemand der einfach nur da ist. Aber sie hatte ja mehr als deutlich gemacht, dass das nicht der Fall war.
Und schon wieder saß ich hier allein am Volleyballfeld im Gras, mit dem Rücken an die Mauer gelehnt. In Gedanken schaute ich ein paar Schülern beim Spielen zu und wünschte mir auch endlich ein Teil einer Gruppe zu sein. Aber das würde wohl auf ewig ein Traum bleiben.
"Hey Till. Ähm können wir vielleicht jetzt reden?", hörte ich Viktor plötzlich neben mir sagen und automatisch zuckte ich kurz zusammen. Ich konnte nichts dagegen tun, denn die Angst vor ihm war tief in mir verankert. Ich hatte auch zwischendurch das Gefühl, es wäre alles wieder nur ein Plan von ihm und Martha hätte vielleicht doch recht. Aber andererseits hätte er mich dann nicht gerettet. Und es schien ihm wirklich wichtig zu sein, denn sonst wäre er nicht noch ein zweites Mal auf mich zu gekommen. Also nickte ich dann nur kurz und er ließ sich sichtlich nervös neben mich fallen und schaute ebenfalls auf das rege Treiben da vor uns auf dem Volleyballfeld. Dann war es eine Weile erstmal still zwischen uns. Bis er einmal tief und geräuschvoll ein- und ausatmete. "Okay. Ich sag es dir jetzt einfach. Und wenn du mich danach hasst, dann ist das vollkommen okay. Naja tust du wahrscheinlich eh schon. Aber ist auch kein Wunder so wie ich dich behandelt habe. Oh man ich bin echt nervös. Scheiße. Okay. Also. Ich. Ich möchte dir gerne erklären wieso ich so ekelig zu dir war und auch noch teilweise bin." "Okay. Da bin ich jetzt aber mal gespannt.", lachte ich auf und versuchte damit die Situation ein wenig zu lockern, aber das klappte nicht so ganz. Viktor war immer noch sehr angespannt und nervös. "Ich weiß echt nicht wie ich anfangen soll.", gab er zu. Und kratze sich verlegen am Kopf. So unsicher hatte ich ihn noch nie erlebt und das machte mich einerseits total neugierig, aber irgendwie bekam ich auch Angst, was er mir denn erzählen würde, wenn es ihm jetzt schon so schwer fiel. "Okay. Also. Ich. Ich bin verliebt. Und zwar in. In dich, Till. Ich bin in dich verliebt. Seit dem du das erste Mal hier auf dem Schulhof standest. Seit dem Tag war es um mich geschehen. Ich habe davor nicht eine Sekunde damit verschwendet, zu denken ich wäre schwul, aber durch dich stand es plötzlich im Raum und ich war damit so überfordert, dass ich dich dafür gehasst habe. Ich gab dir die Schuld dafür, dass sich meine Eltern nach meinem Outing so verhalten haben, wie sie sich verhalten haben und ich gab auch dir für das Chaos in meinem Inneren die Schuld. Und ich dachte, es würde mir helfen mit diesem Chaos zurecht zukommen, wenn ich dich fertig machen würde, aber eigentlich tat ich mir damit nur noch mehr weh. Und dir. Ich kann mich nur in jeder Form dafür entschuldigen was ich dir da angetan habe. Vor allem wenn es bei dir zu Hause schon nicht so gut lief. Okay. Das musste ich jetzt los werden. Ich konnte das nicht länger mit mir rumschleppen. Außerdem habe ich auch alles Frau Schiller gesagt und ich habe Morgen einen Termin mit Chung und Stocker, um die Konsequenzen für mein wirklich abartiges Verhalten zu tragen und endlich Verantwortung dafür zu übernehmen." beendete er seinen Monolog. Ich starrte ihn nur entgeistert an und versuchte seine Worte irgendwie zu verarbeiten. Viktor war schwul?! Und war in mich verliebt? Deswegen hatte er mich so fertig gemacht?! Das war heftig. "Ich lass dich jetzt auch in Ruhe. Und es tut mir wirklich Leid Till. Ich wollte nie, dass es soweit kommt. Ich hoffe du kannst mir irgendwann verzeihen.", sagte er dann noch leise, stand auf und ging die Treppen rauf, über den Hof, rein ins Internat. Das war mal eine gewaltige Bombe, die er da losgelassen hatte.
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Bad Liar
FanfictionMartha ist ein 16-jähriges Mädchen und augenscheinlich führt sie das perfekte Leben. Sie hat reiche Eltern, schreibt immer gute Noten, hat viele Freunde und den beliebtesten Jungen der Schule als Freund. Doch was ist wenn sie von heute auf morgen al...