Kapitel 28

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Tills Sicht:

Ich öffnete langsam meine Augen und musste mich kurz sortieren. Ich war immer noch im Krankenhaus. Aber Moment. Irgendwas war anders. Da saß ja Martha auf dem Stuhl neben meinem Bett. Was machte sie hier? Sie schien in Gedanken versunken zu sein und bemerkte nicht, dass ich aufgewacht war.
Erst als ich mich bewegte und die Bettdecke dabei raschelte, schoss ihr Blick hoch zu mir. "Oh, hey du bist wach.", sagte sie dann schnell. In ihren Augen sah ich puren Schmerz und Veletzlichkeit, doch sie versuchte es mit einem gequältem Lächeln zu kaschieren. "Hey. Du Martha ich muss direkt am Anfang was loswerden. Und zwar tut es mir unfassbar leid, was ich da im Park zu dir gesagt habe. Ich hätte dir diese wirklich dummen Worte nicht an den Kopf knallen sollen. Ich weiß ja, dass du es nur gut meinst. Ich bin wahrscheinlich etwas überfordert damit, dass sich plötzlich jemand für mich interessiert und mir zuhört. Dass sich jemand Sorgen um mich macht und froh ist, dass ich lebe." Beim letzten Satz musste ich direkt wieder an die Worte von Lutz denken und es bildete sich augenblicklich ein dicker Kloß in meinem Hals. Er war nicht froh darüber. Es sollte mir eigentlich egal sein, was dieses Arschloch von Stiefvater darüber dachte, aber ich konnte es nicht abschütteln. Ich schaffte es einfach nicht. "Ist schon okay.", sagte sie leise und ich musterte sie prüfend. "Bist du okay?", fragte ich sie dann. Erst nickte sie, doch dann schüttelte sie den Kopf und rieb sich verzweifelt übers Gesicht. "Ich habe heute Morgen herausgefunden, dass mich mein Freund, also jetzt Ex Freund, mit meiner besten Freundin betrogen hat. Wer weiß wie lange schon." "Was für Idioten. Wie können sie dir so etwas nur antun?" "Anscheinend kann man es mit mir machen. Ich wäre eh nie gut genug für ihn gewesen. Es war doch nur eine Frage der Zeit bis er jemand Besseres findet und das hat er in Lena wohl." "Nicht er ist zu gut für dich, sondern DU für ihn. Er hat dich doch gar nicht verdient, wenn er dich so behandelt. Du verdienst jemanden der dich auf Händen trägt.", sagte ich ihr. Ich ertug es nicht, sie so fertig zu sehen. Ihre Selbstzweifel, schienen echt gute Arbeit geleistet zu haben, denn sie fühlte sich wertlos.
"Danke, dass du mir zuhörst.", sagte sie dann leise. "Gerne. Das hört sich jetzt ein bisschen bescheuert an, aber deine Probleme lenken mich gut von meinen ab.", sagte ich dann, hätte mir aber direkt auf die Zunge beißen können. Es war doch klar, dass sie nachfragen würde, und genau das tat sie auch. "Wieso was ist los?" Ich seufzte. Sollte ich ihr echt meine heftige Familienverhältnisse offenbaren? Das würde sie doch sicher nur verschrecken.
Doch dann beschloss ich ihr doch zu erzählen was passiert war.

"Du weißt ja bereits, dass Viktor mich fertig macht und gestern Abend war mir alles zu viel. Ich habe mir selbst solche Vorwürfe gemacht, weil ich so fies zu dir war. Dann war Viktor wieder böse zu mir und ich hatte solche Wut in mir, dass ich auf den Spiegel im Waschraum eingeschlagen habe. Naja dann bin ich auf die Scherben gefallen und habe mich am Bein verletzt. Der Arzt meinte es wäre echt knapp gewesen. Aber weißt du was mich am meisten verwundert? Ausgerechnet Viktor soll mir geholfen, und mich damit gerettet haben." "Warte. DER Viktor?", unterbrach sie mich überrascht. Ich nickte. "Jaaa. Mega strange oder? Er müsste doch genau so froh darüber sein, wenn ich tot wäre wie mein Stiefvater.", sagte ich verbittert. Sie schaute mich mit großen Augen an. "Was?!"  "Er und meine Mutter waren heute Mittag hier und meine Mutter war erstaunlich lieb, aber er musste das natürlich wieder zerstören. Beim Rausgehen meinte er noch er fände es schade, dass es kein Selbstmordversuch gewesen wäre." "Das ist nicht sein ernst! Was für ein Untermensch ist das denn?!"  "Er sagt ständig sowas.", sagte ich traurig. "Willst du darüber reden?", fragte sie vorsichtig. Ich zögerte. Doch dann entschied ich mich tatsächlich dazu, ihr einen kleinen Einblick in meine Welt zu gewähren. "Mein Dad hat mich und meine Mum früh verlassen. Ich war 7 Jahre alt, als er einfach abgehauen ist. Meine Mum hat mir nie erzählt wieso er weg ist. Dann ein Jahr später, hat sie Lutz kennengelernt und ab da ging die Hölle für mich los. Für ihn war ich von Anfang an ein Versager und ein Nichtsnutz. Für ihn zählten nur seine eigenen Kinder. Ich sehe sie zwar als meine Geschwister an, aber für ihn war ich nie sein Sohn. Für ihn bin ich nur "das Problem".", erzählte ich ihr dann. Die Gewalt ließ ich lieber weg, sie wusste so schon viel zu viel über mich. Ich weiß auch nicht wieso, aber ihr vertraute ich genug, um wenigstens ein bisschen was aus meinem abgefuckten Leben zu erzählen.
"Till, das tut mir total Leid. Ich weiß gar nicht was ich sagen soll." "Ist schon gut. Du musst nichts sagen. Es tat schon gut das loszuwerden. Danke.", sagte ich und lächelte sie leicht an. Ich meinte das ernst und aufrichtig. Es fühlte sich so an, als wäre ein Teil der Last, die ich schon seit Jahren mit mir rumschleppe, von mir abgefallen. Und auch wenn es bestimmt gut tun würde, noch mehr zu erzählen, wollte ich sie damit nicht belasten. Sie hatte mehr als genug mit sich selbst zukämpfen, nach der Nummer mit ihrem Ex. Das ist aber auch echt heftig. Was musste er nur für ein Arschloch sein, um so etwas abzuziehen? Und ihre Freundin? Dass sie das überhaupt zugelassen hat, zeigt schon wie wenig Charakter sie hat. Einfach nur erbärmlich. Man gerade Martha, hatte es nicht verdient so behandelt zu werden. Aber leider war es immer wieder so, dass die besten Menschen, am schlechtesten behandelt wurden.
Plötzlich vibrierte ihr Handy und als sie aufs Display schaute, seufzte sie genervt auf. "Meine Mutter.", murmelte sie und ging dann ran. "Ja?".... "Nein! Ich bin draußen mit einem Freund unterwegs."...... "Ja mir geht es gut!" "Ja, Mama, jaaa Tschüss." Dann legte sie auf. "Boar, ständig macht die sich unnötig Sorgen. Das nervt so. Typisch Mütter. Kennst du ja bestimmt auch.", sagte sie und ich nickte gequält. Natürlich kannte ich das nicht. Meine Mutter war unberechenbar was das angeht. Also klar, sie machte sich mit Sicherheit Sorgen um mich, aber Dank Lutz, zeigte sie mir das kaum bis gar nicht.

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