Kapitel 33

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Viktors Sicht:

"Also Viktor, du weißt ja sicher wieso wir uns alle hier versammelt haben, richtig?", fing Herr Chung das Gespräch an. Es war der nächste Tag und ich hatte meinen Termin bei Frau Stocker und Herrn Chung. "Vielleicht möchtest du erstmal deine Sicht der Dinge erzählen. Zum Beispiel was du mit Till gemacht hast.", sagte Frau Stocker dann vorsichtig und vertrauensvoll. Also atmete ich einmal tief durch und erzählte auch den beiden alles. Naja fast alles. Den Teil mit den Gefühlen für Till ließ ich weg. "Ich weiß, dass mein Verhalten mehr als falsch war und bin mir auch der Verantwortung bewusst und werde jede Konsequenz tragen.", sagte ich kühl. Ich hatte erneut meine Maske aufgesetzt. "Viktor uns geht es primär gar nicht darum, dich zu bestrafen. Wir möchten lediglich verstehen wieso, du Till all die Dinge angetan hast. Das Einstein ist kein Ort, wo Mobbing toleriert wird.", sagte Frau Stocker. "Das kann ich nicht erklären.", sagte ich leise. Meine selbstbewusste Fassade fing langsam an zubröckeln. Unwohl rutschte ich auf meinem Stuhl hin und her. Ich konnte es ihnen einfach nicht erklären. Wieso akzeptierten sie es nicht einfach?! Das machte mich schon wieder so wütend. "Außerdem reden Sie da Bullshit! Natürlich wird Mobbing hier toleriert. Wieso konnte ich sonst ohne Probleme Till über MONATE tyrannisieren?! Genau. Weil mich keiner davon abgehalten hat. Entweder haben sie mitgemacht oder einfach nur weggeschaut.", platzte es aus mir heraus. "Viktor, bitte beruhig dich. Das bringt gerade keinen weiter, wenn du hier ausfällig wirst." Ich lachte auf. "Für deine Taten kannst du die anderen, nur weil sie dich nicht davon abgehalten haben, nicht verantwortlich machen." "Oh mein Gott, das mache ich doch gar nicht! Sie verdrehen mir die Worte im Mund!", rief ich wütend. "Ich habe doch schon gesagt, dass ich und NUR ich dafür die volle Verantwortung übernehme!" Als ich das sagte, sprang ich von meinem Stuhl auf und funkelte die beiden böse an. Dann drehte ich mich um und wollte gehen, doch Herr Chung hielt mich mit den Worten "Viktor, wenn du jetzt diesen Raum verlässt, bekommst du einen Verweis." zurück. Ich ließ die Klinke wieder los, die ich schon in der Hand hielt, bereit mir die Tür zuöffnen um zu verschwinden. Doch ich drehte mich nochmal zu ihnen um und sagte dann mit ruhiger Stimme. "Wahrscheinlich auch besser so. Achso und ihr geheucheltes Verständnis, können sie sich gleich tief in ihren Arsch schieben." Dann lächelte ich nochmal zuckersüß und verließ mit einem lauten Knall der Tür, den Raum. Und schon wieder hatte die Wut mich kontrolliert. "FUUUUCK!", schrie ich den Flur entlang und boxte gegen die Wand. Ich raufte mir die Haare. Scheiße. Sie würden mich nach dieser Aktion safe rausschmeißen. Also konnte ich direkt meine Koffer packen gehen. Und dann musste ich zurück nach Hause. Verzweifelt ließ ich mich an der Wand runtergleiten und winkelte die Beine an. Scheiße, Scheiße, Scheiße. "Geht es wieder?", fragte mich Herr Chung plötzlich am Ende des Flures. Ich starrte ihn überrascht an. Mein Ausraster war mir jetzt so unglaublich peinlich. Er kam langsam auf mich zu. "Hören Sie Herr Chung, ich...." "Ist schon gut. Ich versteh das. Ich war genau so wie Du.", fing er an und setzte sich neben mich auf den Boden. Verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen. "Was meinen Sie?", fragte ich jetzt verunsichert. Wusste er etwa Bescheid?! Aber wie? Woher? Hatte Till es weiter erzählt?! "Ich war 14, als ich gemerkt habe, dass ich anders als die anderen Jungs in meinem Alter bin. Sie saßen auf dem Schulhof und haben den Mädels Nummern gegeben. Aber mein Blick galt nie den Mädchen, sondern immer den Jungs. Ich wollte es auch lange nicht wahr haben und diese ungewohnten, verwirrenden Gefühle haben bei mir auch diese unkontrollierbare Wut hervorgerufen." Mit großen Augen schaute ich ihn an. Er war ebenfalls schwul?! Erst wollte ich leugnen, dass meine Aggressionen davon kommen, aber ich wusste es hatte keinen Zweck es weiter zuleugnen. "Was haben Sie dagegen gemacht?" "Ich habe es meinen Eltern und meinen besten Freunden erzählt. Glücklicherweise haben sie sehr cool reagiert. Hast du es schon jemandem erzählt?". Sollte ich ihm diese wirklich sehr persönlichen Dinge überhaupt erzählen? Ich meine, es war immer noch mein Direktor, der da neben mir saß. Aber andererseits war er wahrscheinlich der Einzige hier, der mich ansatzweise verstehen würde.

Martha's Sicht:

Wie ich es hasste so lange in der Schule zu sein. Aber Frau Levin wollte noch unbedingt mit mir reden. Sie wollte wissen, ob ich etwas darüber wüsste, was mit Till los sei. Sie hatte zwar schon versucht mit ihm zureden, aber natürlich hatte er ihr nichts erzählt und deshalb hatte sie es über mich versucht. Auch wenn Till und ich beim letzten Mal nicht gut auseinander gegangen sind, wäre ich ein mieser Mensch, wenn ich ihr jetzt auch noch alles was er mir anvertraut hat, unter die Nase reiben würde. Außerdem musste Till ganz alleine entscheiden, wem er wie viel erzählen wollte. Es war schon nach 15 Uhr als ich dann endlich ihr Büro verlassen konnte. Ich ging noch kurz auf die Toilette und als ich dann wieder auf den Flur gehen wollte, hörte ich plötzlich Stimmen. Ich wusste nicht mal wieso ich in der Tür stehen blieb und lauschte, aber die Worte "Und wie es aussieht habe ich mich in ihn verliebt.", ließen mich hellhörig werden. Vor allem, weil es zwei Männerstimmen waren, die da miteinander sprachen. Leider konnte ich nur Beine sehen, als ich um die Ecke lugte. Plötzlich glitt mir die Tür aus der Hand und sie fiel mit einem lauten Knall zu. Direkt verstummten die Stimmen. Mist. Ich war aufgeflogen. Schnell rannte ich in den anderen Flur, raus zu den Fahrradständern. Hoffentlich hatten sie mich nicht gesehen. Das wäre mir doch ein bisschen unangenehm. Den ganzen Weg nach Hause, grübelte ich darüber, wer da gesprochen hatte. Die Stimme kam mir unglaublich bekannt vor, konnte sie aber nicht zuordnen.

Zeitsprung nächster Morgen:

"Guten Morgen Martha.", tauchte plötzlich Viktor neben mir auf. Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Es war Viktor! Gestern im Flur! Viktor hatte das gesagt. Aber wen meinte er nur?! Moment, und Viktor sollte auf einen Jungen stehen?! Er war schwul?!
"Hat es dir bei meinem Anblick die Sprache verschlagen? .", lachte Viktor nur selbstbewusst. Und dann redete ich schon wieder ohne nachzudenken. "Von wegen. Tu nicht so! Ich weiß Bescheid über dein kleines Geheimnis, also mach hier nicht auf großen Macker und Frauenheld!", sagte ich bissig. Dieser Typ regte mich einfach nur auf, mit seiner überheblichen Art. Verdutzt schaute er erst mich an und guckte sich dann um, ob mich jemand gehört hatte. Dann aber bekam er seine Mimik wieder in den Griff und seine Augen funkelten gefährlich. "Ach ja? Was weißt du schon? Du bist doch nur die Neue, die denkt sie könne hier auftauchen und die Welt verbessern.", flüsterte er mir wütend ins Ohr. Und auch wenn ich eigentlich keine Angst vor ihm hatte, bekam ich am ganzen Körper Gänsehaut und wurde ganz still. Verdammt Viktor war echt gut darin Leute einzuschüchtern. Blöd für ihn war nur, dass seine Reaktion nur bestätigte, was ich da auf dem Flur aufgeschnappt hatte und ich mit meiner Vermutung richtig lag: Viktor Müller war tatsächlich schwul und hatte sich noch nicht geoutet. Und ich wusste nicht wie ich das finden sollte.

Bad LiarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt