Tills Sicht:
Ich öffnete meine Augen und musste feststellen, dass es schon dunkel draußen war. Wie lange hatte ich bitte geschlafen?! Ich fühlte mich total schlapp und K.O. Was gaben sie mir hier nur für Medikamente?! Was war überhaupt mit mir passiert? Ich erinnere mich nur noch daran, dass Martha zu Besuch kam. Ach ja Martha. Sie war wirklich ein Traum. Direkt stahl sich ein Lächeln auf meine Lippen. Ich wunderte mich ja immer noch wieso sie hier her gekommen war, um mich zusehen. Was gab es da schon großartiges zu bestaunen. Nur einen kaputten und völlig fertigen Jungen. Mehr nicht. Nur einen Loser. Mich würde doch niemals jemand attraktiv finden. So ausgelaugt, wie ich war. Ich spürte nur noch Hass mir selbst gegenüber. Ich ekelte mich vor mir selbst. Wie sollte ich das dann jemand anderen zumuten? Das ging nicht. Das konnte ich nicht. Es war vielleicht echt besser wenn ich Martha wieder auf Abstand hielt. Ich würde sie doch nur mit runterziehen und das wollte ich nicht. Traurig drehte ich mich auf die Seite und starrte aus dem Fenster. Mich würde hier niemand vermissen. Wenn ich jetzt einfach verschwinden würde, wer würde sich schon dafür interessieren?
Diese Gedanken kamen in letzter Zeit immer öfter auf. Aber wahrscheinlich war ich selbst dafür zu blöd. Selbst dafür hatte ich nicht den Mut.
Dann schloss ich meine Augen und träumte von einer besseren Welt. Von einem besseren Leben.
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Ich merkte Wärme auf meiner Haut und als ich die Augen öffnete, lag ich lang ausgebreitet auf einer Wiese. Die Wärme kam von den Sonnenstrahlen die auf meinen Körper trafen und dort dieses wohlige Gefühl hinterließen. Eine leichte Briese wehte durch meine Haare und ließ sie kreuz und quer umher schwingen. Ich fühlte mich frei. Niemand würde mich hier fertig machen oder demütigen. Hier würde mir niemand Gewalt antun.
Ich lag einfach auf der Wiese und genoss die Stille. Nur die Vögel sangen ihre Lieder.
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
"Till? Hallo Till?", riss mich eine Stimme aus diesem schönen Traum. Verwirrt öffnete ich meine Augen und schaute in die Augen meiner Mutter. Was zur Hölle tat sie hier?! Wieso war sie hier?! "Mama? Was machst du denn hier?", fragte ich sie dann erstaunt und rieb mir erstmal den Schlaf aus den Augen. Dann setzte ich mich erstmal auf und sah auch den Stieftrottel am Bett stehen. Na super. Auch das noch. "Hallo Till.", sagte er kühl. "Mein Schatz was ist denn passiert? Wieso bist du im Krankenhaus und wieso müssen wir das von der Internatsleiterin erfahren und nicht von dir?", fragte meine Mutter vorwurfsvoll. "Ich wollte nicht, dass ihr euch Sorgen macht." "Ja das hast du super hinbekommen! Deine Mutter konnte die ganze Nacht nicht schlafen wegen dir. Und jetzt mussten wir auch noch den weiten Weg nach Erfurt auf uns nehmen.", meckerte Lutz direkt drauf los. "Ich hab euch ja nicht darum gebeten zukommen.", sagte ich bissig und funkelte ihn böse an. "Till! Jetzt streitet euch doch nicht wieder!", ermahnte mich meine Mutter streng. War ja klar, dass ich wieder als Sündenbock herhalten musste. "Also. Kannst du uns jetzt mal erklären wieso du hier bist?", harkte sie dann nach. Ich zögerte und schaute unsicher auf die Bettdecke. Sollte ich es ihnen wirklich anvertrauen? Würden sie mir überhaupt glauben? "Schau uns gefälligst an, wenn wir mit dir reden!", herrschte Lutz mich wieder an. Langsam hob ich meinen Blick und sah sie dann angespannt an. "Ich. Also. Ich bin hier. Also. Weil." "Man jetzt stotter doch nicht so rum. Und bring mal nen graden Satz heraus.", unterbrach Lutz mich genervt. Ich schloss kurz meine Augen, um mich zusammeln. Aber ich schaffte es nicht ihnen zu erzählen warum ich hier war. Stattdessen erzählte ich ihnen ich hätte beim Training einen Schwächeanfall gehabt.
"Ja großartig! Wir fahren 5 Stunden mit dem Auto her, weil der feine Herr zu wenig trainiert und nicht mehr konnte. Das ist ja wohl die Höhe!", polterte Lutz wieder los. Seine Worte trafen mich wie Faustschläge in den Magen. "Lutz, bitte beruhige dich. Aber Till von dir hätte ich mehr Verantwortung erwartet. Du hättest dich bei uns melden sollen. Dann hätten wir uns diesen weiten Weg wirklich sparen können.", meinte meine Mutter dann. Autsch. Sie sahen es also als unnötig mich zu sehen. "Tut mir Leid.", sagte ich leise und versuchte die Enttäuschung, die augenblicklich meinen Körper flutete, hinunter zu würgen. Aber sie blieb mir im Hals stecken und bildete dort einen riesen Kloß, der sich hartnäckig festsetzte und mir mal wieder die Luft zum Atmen raubte.
"Wir müssen dann jetzt auch wieder. Wir sehen uns ja dann in den Ferien okay? Ich hab dich lieb. Und pass auf dich auf.", sagte meine Mutter dann, zog mich in eine kurze Umarmung und ging schon mal vor auf den Flur. "Wenn du uns nochmal wegen so einer Lappalie hierher bestellst, dann werden wir uns zu Hause wohl wieder öfter unterhalten müssen. Ist das klar?!", flüsterte mir Lutz zu. Ich nickte eingeschüchtert. "Gut.", sagte er grinsend und verließ dann ebenfalls das Zimmer. Ich starrte auf die geschlossene Tür. Was war hier gerade passiert?Marthas Sicht:
Am nächsten Morgen nahm ich mir vor, Till nochmal im Krankenhaus zu besuchen. Aber vorher musste ich Viktor einfach zur Rede stellen. Denn was er da mit Till, machte ging einfach gar nicht und es überraschte mich, dass bisher niemand was dagegen getan hatte. Ich fande es auch erschreckend, dass es niemanden, also wirklich niemanden, zu Interessieren schien, wieso Till nicht in der Schule war. Wahrscheinlich hatten sie alle angst vor Viktor. Aber ich nicht. Mir war es egal. Er würde mir nichts tun. Davon war ich einfach überzeugt. In der Pause ergriff ich die Gelegenheit beim Schopf und fing ihn ab, als er alleine war. "Hi Viktor, hast du mal nen Moment?" "Für so eine hübsche Frau wie dich doch immer.", sagte er und zwinkerte mir zu. Iiiih. Ich hätte kotzen können. Was für ein Heuchler er doch war. "Komm lass den Scheiß.", sagte ich unbeeindruckt. "Also können wir jetzt reden oder nicht?" "Klar." "Gut.", sagte ich. "Was gibt's denn?" "Wieso machst du Till so fertig?", fragte ich ihn direkt. Überrumpelt von meiner Direktheit entglitten ihm für eine Sekunde seine Gesichtszüge, bis er sie wieder im Griff hatte. "Was meinst du?" "Tu nicht so Viktor.", sagte ich sauer. "Du mobbst Till. Und ich will wissen wieso." "Hat Till etwa gepetzt?", lachte er. "Man Viktor! Er liegt im Krankenhaus. Und nur du bist daran schuld! Ist dir das etwa völlig egal?!" "Ich kann doch nichts dafür, wenn er so empfindlich ist." "Wie bitte?! Ist das gerade dein Ernst?!" "Boar Martha, lass mich in Ruhe!", sagte er gereizt und ließ mich einfach stehen. Mit offenem Mund schaute ich ihm nach. "Will der mich verarschen?!", murmelte ich vor mich hin und stapfte sauer zurück ins Klassenzimmer.
Immer noch total aufgebracht, kam ich dann bei Till an und klopfte. Doch es kam kein Ton von der anderen Seite der Tür. Ich wartete noch ein paar Sekunden, machte aber dann doch vorsichtig die Tür auf und betrat den Raum. Er lag in seinem Bett, mit dem Rücken zu mir gedreht. "Till?", sagte ich sanft. Er zuckte zusammen, drehte sich zu mir um, sah mich und wischte sich schnell über seine Augen. Mist hatte er geweint? Wieso? Was war passiert? Ging es ihm heute immer noch nicht besser?
"Sorry, ich hab dich nicht gehört.", sagte er und setzte sich dann auf. Erneut wischte er sich über sein Gesicht und sah mich beschämt an. "Was ist los?", fragte ich ihn und setzte mich auf den Stuhl, der neben seinem Bett stand. "Wieso bist du hier?", fragte er. Verwundert schaute ich ihn an. "Wieso nicht?" "Keine Ahnung. Ich. Also. Ich.", stotterte er erst und brachte dann ein leises: "Ich hab es nicht verdient." über seine Lippen. "Ich verbringe gerne Zeit mit dir.", sagte ich dann und hoffte ihm mit meinen Worten ein wenig Mut zu schenken. Er lächelte müde und schaute wieder nur auf seine Bettdecke. Was hatte Viktor nur mit diesem Jungen angestellt, dass er jetzt so traumatisiert und eingeschüchtert war? Es machte mich wirklich rasend vor Wut. "Es ist wohl besser wenn du jetzt gehst.", sagte er dann plötzlich. Verständnislos schaute ich ihn an. "Wieso?" "Bitte Martha. Es ist besser so, glaub mir.", sagte er leicht sauer. Prüfend lag mein Blick auf ihm, doch dann ergab ich mich und verließ das Zimmer. Was sollte das jetzt schon wieder?
DU LIEST GERADE
Bad Liar
FanfictionMartha ist ein 16-jähriges Mädchen und augenscheinlich führt sie das perfekte Leben. Sie hat reiche Eltern, schreibt immer gute Noten, hat viele Freunde und den beliebtesten Jungen der Schule als Freund. Doch was ist wenn sie von heute auf morgen al...