Kapitel 4

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Marthas Sicht:

Was machte ich hier? Ich wollte mich doch mit Niemandem mehr anfreunden. Ich hatte nämlich beschlossen mir hier keine Freunde zu suchen, die ich am Ende nur wieder zurücklassen musste und die mich auch nur wieder vergessen würden. Aber dieser Kerl tat mir irgendwie leid. Ich hatte ihn zu Unrecht angemeckert, aber ich wollte doch eigentlich nur in Ruhe mein Tagebuch schreiben. Naja und jetzt war ich ihm doch hinterher gelaufen, um mich zu entschuldigen. Das hatte ja schon mal gut geklappt mit dem 'keine Kontakte knüpfen'.
Auf seine Frage, auf welche Schule ich gehen würde antwortete ich, dass ich gerade neu hergezogen sei. "Wo habt ihr denn vorher gewohnt? Wieso seid ihr umgezogen?", fragte er dann weiter. "In Hannover und wegen meinem Vater. Er hat nen neuen Job bekommen.", erklärte ich ihm knapp. Ich wollte nicht mit ihm sprechen und schon gar nicht, wieso ich hier her ziehen musste. "Was arbeitet dein Vater denn?" "Sorry, aber ich muss jetzt los nach Hause.", blockte ich ihn ab. "Okay. Bis dann.", sagte er enttäuscht. Ich nickte ihm nochmal zu, drehte mich dann um und ging wieder zurück, an der Bank vorbei, nach Hause. War ich wohl doch zu gemein gewesen? Eigentlich war er ja ganz nett. Und mit seinen braunen leichtlockigen Haaren, sah er auch nicht mal schlecht aus. Naja, vielleicht würde ich ihn ja nochmal sehen. Ich schloss die Haustür auf und es roch schon lecker nach Essen. "Hallo, ich bin wieder da!", rief ich in den Flur hinein bevor ich direkt nach oben in mein Zimmer verschwand. Bevor ich die Tür schloss hörte ich noch ein "Essen ist gleich fertig! Also komm bitte runter!", von meiner Mutter. Ich verdrehte die Augen, holte aber trotzdem noch schnell mein Handy, da ich es vorhin nicht mit hatte. Ich schaute schnell drauf, ob sich Leo nicht doch noch gemeldet hatte, aber da war nichts. Keine Nachricht von ihm, aber auch keine von Lena. Schon wieder brach die Welle der Enttäuschung über mich ein und ich trottete zum Esszimmer, wo meine Mutter gerade den letzten Topf abstellte. "Wo warst du denn so lange?", warf mein Vater mir direkt vor. "Spazieren.", sagte ich leise. Ich war einfach nur traurig. Wieso meldete sich weder mein Freund noch meine beste Freundin, nachdem uns hunderte von Kilometer trennten. Lustlos stocherte ich in meinem Essen rum. "Martha was ist los?", fragte mich meine Mutter und schaute mich prüfend an. "Ich will einfach nicht hier sein.", murmelte ich. "Wie bitte? Nuschel doch nicht so." "Nichts. Alles super!", sagte ich jetzt lauter, stand auf und stapfte wütend die Treppe rauf. Sie würden mich doch eh nicht verstehen. "Ich will doch einfach nur wieder zurück.", flüsterte ich zu mir selbst, als ich die Schiebetür zum Balkon öffnete. Dann trat ich auf den Balkon, lehnte mich an das Geländer und beobachtete wie die Sonne entgültig hinter den Häusern verschwand und die Sterne hoch oben am Himmel hell aufleuchteten. Dann holte ich mein Handy aus meiner Hosentasche und wählte die Nummer von Leo. Es klingelte dreimal bis er dann tatsächlich ran ging. "Hey Baby! Es tut mir so Leid, dass ich heute Morgen nicht da war und ich mich auch noch nicht gemeldet habe. Es war heute einfach so stressig. Ich habs echt einfach nicht gepackt." Ich schluckte einmal. "Okay. Ist schon gut. Hätte mich halt nur gefreut.", sagte ich den Tränen nahe. Die Enttäuschung sitze immer noch tief in mir und wollte jetzt in Form von Tränen raus. "Ich mache es wieder gut. Versprochen!  Ich liebe dich Martha." "Ich dich auch.", flüsterte ich. Jetzt konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie liefen stumm über meine Wangen. Ich drehte mich um und ging wieder rein und legte mich auf mein Bett und starrte die Decke an. "Hast du dich schon ein bisschen eingelebt?", fragte Leo dann. Innerlich lachte ich auf. Ja klar. So schnell ging das auch. "Nein. Will ich auch gar nicht. Ich will einfach nur zurück zu dir." Meine Stimme bebte dabei. "Ich hab dir ja gesagt, dass wir das hinbekommen.", redete er beruhigend auf mich ein. "Mh" war alles was ich darauf antworten konnte. "Ich muss jetzt schlafen, aber wir hören morgen voneinander. Versprochen!", sagte er dann und legte so schnell auf, dass ich nicht mal die Chance auf eine Antwort hatte. Was war das jetzt schon wieder?! Verwirrt starrte ich aufs Display, bis ich mein Handy dann auf meinen Nachttisch legte, meine tränenverschleierten Augen schloss und versuchte zu schlafen.

Am nächsten Morgen war es dann so weit. Heute würde ich auf die neue Schule gehen. Ich war total nervös, obwohl ich es ja eigentlich gewohnt sein sollte "die Neue" zu sein. Doch es war jedes Mal für mich eine Herausforderung. Es war nie leicht die neue Person in einer eingeschweißten Klasse zu sein. Egal, wie oft man das schon hinter sich hatte. Was war wenn ich dieses Mal nicht so beliebt werden würde? Was wenn ich gar keine Freunde haben würde? Obwohl Stopp. Das wollte ich ja eh nicht. Ja vielleicht war es einfach an der Zeit, mal als Einzelgängerin an einer Schule zu sein. Das würde mir bestimmt einiges an Enttäuschungen und Problemen ersparen. "Viel Spaß an deinem ersten Schultag!", rief mir meine Mutter noch zu, bevor ich dann die Autotür zuschlug. Ich ging den Weg entlang, der vom Parkplatz zum Schulgebäude führte. Dann blieb ich vor der großen Eingangstür stehen. Ich ergriff meine Träger vom Rucksack und musterte ehrfürchtig das Logo was darüber hing. Es war Albert Einstein. Okay, machte auch Sinn bei einer Schule, die Albert Einstein Gymnasium heißt. Ich schüttelte über mich selbst den Kopf. Ich war ja ein richtiges Brain. Dann atmete ich nochmal tief ein und aus und setzte dann meinen Weg fort zu dem Büro des Direktors, mit dem ich einen Termin hatte. Nach langer Suche und viel zu spät, kam ich dort auch an. "Direktorat Herr Chung, Frau Stocker", stand auf einem goldenen Messingschild. Oh es waren sogar zwei Direktoren? Na super. Zaghaft klopfte ich und es ertönte direkt ein Herein. Also ergriff ich die Klinke und öffnete vorsichtig die Tür. Mein Puls beschleunigte sich nur noch mehr.

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