28.

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Mit meine Händen tief in den Taschen meines Mantels vergraben, stapfe ich durch den mittlerweile kniehohen Schnee.

In der ganzen Zeit, in der ich schon hier bin hat es beinahe durchgehend geschneit.

In der Ferne kann man Feuerwerkskörper am Himmel explodieren sehen.
Es ist eine klare Nacht, die weit entfernte Stadt scheint durch den Lärm um einiges Näher zu sein.

Ein weiteres Jahr vorbei, ein weiteres Jahr alleine.

Eilig lege ich die letzten Meter bis zu meiner Unterkunft zurück.
Gerade hatte ich einige dichte Tannenzweige und Blumen auf den Gräbern abgelegt, hoffentlich freuen sie sich darüber.

Bevor ich die Hütte betrete, klopfe ich mir den Schnee von den Stiefeln und den Mantel, sonst wird noch meine ganze Wohnung schmutzig.

Die angenehme Wärme und der vertraute Geruch heißen mich willkommen.

Die Schuhe stelle ich neben der Tür an, den Mantel hänge ich auf.

Gerade als ich mir einen Tee machen will, fällt mir das kleine Federknäul auf, das auf meinen Bett hockt und mich aus großen Augen heraus ansieht.

"Wer bist du denn?"
Der arme Vogel hat sich aufgeplustert, anscheinend gefällt ihm das Wetter nicht so gut.

"Hunger?"

Wie zur Bestätigung gibt das Knäuel einen heiteren Schrei von sich.
Eine kleine Schüssel voll Kernen und Nüssen scheint den kleinen Boten allerdings zu genügen.

Erst jetzt fällt mir der Brief auf, der fein säuberlich auf meinen Schreiben abgelegt wurde.
"Ist der für mich?"

Offensichtlich.
An wen sonst?

Neugierde nehme ich den weißen Umschlag in die Hand.
Er ist staubtrocken, auch wenn die Eule ihn durch den Schnee getragen haben muss.
Ein Zauber.

Kein Absender, keine Adresse. Ein einfacher Umschlag.

Ohne weiter nachzudenken reiße ich das dünne Papier auf.

Es ist eine schöne Schrift.
Eine Schrift, die ich sofort wiedererkenne.

Mein Herz wird schwer.
Remus.

Remus John Lupin, der Mann, den ich schon seit Wochen versuche zu vergessen und es mir einfach nicht gelingt.

Mit einem Mal bin ich mir nicht mehr ganz sicher, ob ich den Brief lesen will.

Bestimmt ist er enttäuscht, dass ich es nicht geschafft habe, mich von ihm zu verabschieden.

Egal.
Ich bin doch selbst dran schuld.

Mit einer merkwürdig zugeschnürrten Kehle entfalte ich das Pergament.

Liebe Clarissa,
Eigentlich wollte ich dir schon viel früher schreiben, aber Albus meinte, ich sollte dir Zeit geben.
Aber trotzdem will ich dir wenigstens frohe Weihnachten und ein frohes neues Jahr wünschen, auch wenn ich mir wünschte, es mit dir zusammen feiern zu können.
Warum du gegangen bist wollte mir niemand sagen, aber die Schüler munkeln, dass du gekündigt hast.
Bisher ist mir nicht mehr übrig geblieben, als zu hoffen, dass es nicht wahr ist.
Erinnerst du dich an das letzte Mal, als wir uns gesehen haben?
Damals ist mir klar geworden, dass du mir viel bedeutest. Sehr viel sogar.
Es bricht mir das Herz nicht zu wissen, ob ich dich wiedersehen werde.
Ich vermisse dich so sehr.
Alles Liebe,
Dein Remus

Ich muss mich setzten.
Mein Remus.
Meine Hände zittern, als ich den Brief fest umklammer.

Ich vermisse ihn auch.
Ich vermisse sein Lachen, seine sicheren Arme, seine warmen Augen.

Schwer schluckend schließe ich meine Augen, versuche die Tränen zurückzuhalten, auch wenn mich hier niemand weinen sehen würde.

Er ist so ein lieber Mensch.

Allein der Gedanke, dass ich ihn verletzt haben könnte, jagt mir eisige Schauer den Rücken herunter.
Remus hat das nicht verdient.

Er hätte die Wahrheit verdient, aber ich war zu feige, ihn meine Lügen zu beichten.
Und irgendwann war es einfach zu bequem zu lügen, eine Rolle zu spielen.
Selbst jetzt ist der Brief noch an Clarissa adressiert.

Wer hätte gedacht, dass ein einziger Brief von einem einzigen Mann meine Welt so ins schwanken bringen könnte?
Vor allem jetzt, wo ich gerade dabei bin ihn zu vergessen. Oder es zu mindestens zu versuchen.

Trotzdem wünsche ich mir im Moment so sehr ihn bei mir zu haben.

Das leise Fiepen der Eule reißt mich aus meinen Gedanken.
Hier bin ich wieder.
Alleine in meiner Hütte.

Die großen Augen starren mich fragend an.
Es hat aufgehört zu schneien, sie will wieder zurückfliegen, nach Hogwarts.

Einen Moment zögere ich.
Soll ich ihm zurückschreiben?

Letztendlich entscheide ich mich dagegen.
Es könnte wie ein Versprechen Wirken, ihn Hoffnung geben, wo ich doch noch nicht einmal weiß worauf.
Rückkehr?

Sobald ich das Fenster öffne, flattert der kleine Vogel wieder ins Freie.
Ohne Antwort.

Ich sehe ihm nach, bis er in der Dunkelheit verschwindet.

Mir ist aufgefallen, dass hier die selben Sterne am Himmel scheinen wie in Hogwarts, die selben Worte über den Himmel huschen.

Doch bevor das leise Lispeln mir zu Kopfe steigt, schließe ich das Fenster wieder.

Der Brief hat mich völlig aus der Bahn geworfen.

Dieser kleine Funke Freude, dass er mich nicht vergessen hat, dieses kleine egoistische Hochgefühl, dass er noch an mich denkt.
Gleichzeitig fühle ich mich Hundeelend.

Mein Remus.

Er war für mich da, als es mir schlecht ging, einfach so, einfach, weil er eine gute Person ist.

Je länger ich hier bleibe, desto mehr wird mir klar, dass ich ihn nicht aus meinen Kopf bekommen werde.

Aus irgendeinem Grund hat er sich einfach in meine Gedanken geschlichen und will einfach nicht verschwinden.

Und ich will auch nicht, dass er verschwindet.

Nicht, wenn ich noch die Chance habe...

Ja.

Die Chance auf was?
Vergebung?

Ja, ich habe mich in diesen Mann verliebt und vermisse das Herzklopfen und das leichte Ziehen in meinen Magen, das ich immer bekommen habe, wenn er mich angelächelt hat.

Aber da steht eine einzige Person twischen uns, weigert sich, zu verschwinden.

Clarissa Gunn.

Meine Doppelgängerin.

Frustriert reiße ich meinen Schrank auf, zerre den großen Koffer heraus.

Mich selbst verfluchend stapeln sich mekne Klamotten und Habseligkeiten in der Tasche.
Hoffentlich werde ich das nicht bereuen.

Es ist an der Zeit nach Hause zu gehen.


Die Frau im Mond (Remus Lupin FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt