26.

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Die Koffer sind gepackt, das Zimmer aufgeräumt.
Man sieht nicht mehr, dass hier mal jemand gelebt hat.

Die Morgensonne lässt den Schnee beinahe wie flüssiges Gold aussehen, das die Hügel und Ländereien bedeckt.

Zuhause wird es wohl genauso sein.
Meine Hütte beinahe vom Schnee verschluckt, die Bäume kahl.

Doch bevor ich losfliege, gibt es noch eine wichtige Sache zu tun. Eine wichtige und trotzdem so unfassbar schwere Sache.

Das Fläschchen, das auf den leer geräumigen Schreibtisch steht, verschwindet im meiner Manteltasche.

Hastig eile ich die Treppen hinunter.
Je schneller ich es hinter mich bringe, desto besser.
Kurz und schmerzlos.

Trotzdem stehe ich einige Zeit einfach nur ratlos vor seiner Tür, nicht fähig, auch nur einen Muskel zu bewegen.
Ein seltsames flaues Gefühl macht sich in meinen Magen breit.
Das letzte Mal.

Tief atme ich durch.
Ich mass da jetzt durch, immerhin hab ich mir das selbst eingebrockt.

Ich klopfe kurz und mit schweißnassen Händen gegen das massive Holz.

Als ich auf der anderen Seite Schritte hören kann, rutscht mein Her mir im die Hose.
Ich will das nicht.

Doch bevor ich auf den Ansatz kehrt machen kann, öffnet sich die Tür.

Dunkel untermalte Augen stehen mich an.
An diesen Anblick werde ich mich wohl nie gewöhnen.

"Hi, Clarissa."
Seine raue Stimme jagt mir einen eiskalten Dolch in die Brust.

Einige Momente ringe ich mit der Sprache.
"Ich- ich wollte nach dir sehen. Anscheinend bist du wieder krank."

"Tja... Bin ich wohl.", ergeben lässt er sich in sein Zimmer.

Die Umgebung ist mir mittlerweile so vertraut, dass ich gar nicht daran denken mag, sie nie wieder zu sehen.

Remus setzt sich auf die Bettkante, nippt an einer dampfenden Tasse.
"Und wer hat es dir diesmal verraten? Madam Pomfrey?"

Ohne auf seine Frage zu antworten ziehe ich die Flasche aus meiner Tasche.
"Nimm. Das hilft."

Neugierig greift er nach dem Gefäß, beäugt es beinahe skeptischen. "Und was ist das? Willst du mich vergiften?"

Mein Lachen ist etwas zu Freudlos.
Alles fühlt sich so endgültig an. "Ja klar, was sonst."

Der Mann zieht eine Augenbraue hoch.

"Ich mach nur Spaß.", winke ich ab. "Es ist wie Hustensaft. Zwei, drei Tropfen und man fühlt sich besser."

"Hustensaft?", kurz verdunkelt sich sein Gesicht.

Er kämpft mit sich selbst.

"Komm her.", einladend klopft er neben sich. "Ich muss dir was sagen."

Nein.
Ich will nicht, dass er mir vertraut.
Meine Schritte sind mechanisch, ich habe keine Kontrolle mehr.

Als ich mich auf sie weiche Matratze setze, gibt sie etwas nach.

Remus dreht das Glas in seiner Hand.
"Hör zu... Was ich dir jetzt erzähle bleibt unter uns. Albus weiß schon Bescheid. Und...", er zögert, sieht mich aus seinen grünen Augen fast schon flehend an. "Und bitte hör mir zu, okay?"

Mehr als ein Nicken bringe ich nicht zur Stande.

Sein Atem geht tief, aber zitternd.
Er hat Angst.
Ich auch.

"Dieser Hustensaft- er wird mir nicht helfen. Ich bin nicht einfach krank... Keine Grippe oder Erkältung- Ach verdammt...", verzweifelt berhränt Remus sein Gesicht in seinen Händen.

Ich gebe ihn die Zeit.
Was habe ich auch für eine andere Wahl? Sprechen kann ich schon lange nicht mehr.

"Ich bin ein Werwolf."

Auch wenn seine Stimme durch seine Hände seltsam verzerrt und dumpf klingt, kann man doch den Schmerz spüren, der mit den Worten schwingt.

Trotzdem sieht der Mann nicht auf, wartet stumm auf meine Antwort.
Oder vielleicht erwartet er auch, dass ich Fluchtartig das Zimmer verlasse.

Stattdessen lege ich ihn vorsichtig einen Arm auf den Rücken.
Sein gesamter Körper zittert.
"Remus... Das ist Hustensaft für Werwölfe."

Sofort stockt sein Atem, sein Kopf schnellt in die Höhe.
"Du- du wusstest...?"

"Ja.", andächtig nicke ich. "Ich bin nicht dumm. Du warst immer mach einen Vollmond krank, hast Angst vor dem Vollmond und außerdem habe ich aus meinen Zimmer einen hervorragenden Blick auf das Gelände."
Und ich habe dich singen gehört, habe deine Verwandlung beobachtet, deine Schmerzen gefühlt.

"Also ist es in Ordnung?"

"Klar.", aufmunternd nehme ich seine Kohle Hand, drücke sie ganz fest. "Es macht mir nichts aus. Und jetzt nimm was, du wirst dich wirklich besser fühlen."
Ermutigend entkorke ich die Flasche.

Es riecht gut, etwas wie Honig, wenn auch kräftiger.

Immernoch unsicher beäugt er die klare Flüssigkeit. "Sicher?"

"Werden wir ja sehen."
Es fühlt sich zu gut an.

Vorsichtig Tropft er sich etwas auf die Zunge, schluckt.
Kurz legt er die Stirn in Falten, dann erhellen sich seine Gesichtszüge wieder.
"Was ist da drinnen? Es bringt ja wirklich was!"

Ich verdrehe nur die Augen.
Diesmal ist mein Lachen echt. "Das ist ein altes Geheimnis. Aber keine Sorge, das reicht für einige Zeit."

"Zum Glück. Und zur Not bist du auch noch da, oder?"

Nein, bin ich nicht.
Mit einem Schlag überrollt mich wieder meine Schuldgefühle.
Er hat lkr gerade sein wohl größtes Geheimnis verraten und ich?
Er weiß noch nicht einmal, wie ich heiße.

"Clarissa? Alles gut?"
Behutsam legt er mir eine Hand auf die Wange, streicht Vorsichtig über meine Haut.
Sein Blick hält mich in seinen Bann, so warm und dennoch zurückhaltend.

Ich muss schlucken.
Mein Magen zieht sich zusammen, als er mich mit seinen wachen Augen mustert.

"Danke. Für alles.", seine raue Stimme ist nicht mehr als ein Flüstern. "Danke, dass du da bist."

Meine Kehle schnprrt sich bei jedem seiner Worte mehr zu.
Unveweglich, gefangen in meinem Körper hocke ich auf der Matratze, weiß nicht, wie ich es ihn sagen soll.

"Remus, ich...", unwillig rücke ich ein Stück von ihm weg.
Die Wärme auf meiner Wange verschwindet.
Unsicher verkrampfen meine Finger sich in meinen Schoß.
Warum vermisse ich jetzt schon seine Berührung, warum fühlt es sich so gut an?

"Tut mir leid, ich wollte nicht-"

"Nein, nein.", falle ich ihm ins Wort. Erst mal durchatmen. Puls beruhigen.
"Es ist nur... Ich... Also..."
Die richtigen Worte, falls es diese gibt, wollen mit einfach nicht einfallen.

"Schon gut.", mit einen schiefen Grinsen sieht er mich an. "Wollen wir morgen einfach... Einfach etwas zusammen unternehmen?"

Nein, Remus. Morgen bin ich weg.
Du siehst mich gerade zum letzten Mal.

Ich nicke.
"Klar, können wir machen."

Die Frau im Mond (Remus Lupin FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt