31.

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"Er ist doch... tot... Oder?", finde ich nach einen kurzen Moment der Stille meine Stimme wieder. "Sirius Black hat ihn getötet."

Fahrig entfaltet Remus das Pergament.
"Die Karte lügt nicht."

Neugierig trete ich näher.
Das stück Pergament sieht vollkommen normal aus, vielleicht etwas alt, aber unbeschrieben und unspektakulär.
"Was ist das?"

"Die Karte des Rumtreibers. Man sieht jede Person in Hogwarts, wo sie ist, wohin sie geht. Wenn man weiß, wie man sie benutzt."

Er strahlt eine beunruhigende Nervosität aus.

"Geht es dir gut?", langsam mache ich mir Sorgen. Er scheint etwas durch den Wind zu sein.

"Peter... Wenn er wirklich auf der Karte ist, dann..."

Ja. Dann ist Sirius unschuldig.

"Was würdest du dann tun?", frage ich ihn. Sirius haust noch immer in der heulenden Hütte, versucht seine Unschuld zu beweisen, Pettigrew zu fangen.

"Ich weiß es nicht.", murmelt er leise, zieht seinen Zauberstab und berührt leicht das Pergament. "Ich schwöre feierlich, ich bin ein Tunichtgut."

Wie ein Spinnennetz breiten sich dunkle Linien auf den eben noch leeren Pergament aus, ziehen Gänge und Räume.
Fasziniert erkenne ich die kleinen Namen, die sich über die Karte bewegen, sich in den Gemeinschaftsräumen sammeln.

Und dann ist da ein Name, der sich durch die Gänge bewegt und mir ins Auge sticht.

Peter Pettigrew.

"Er lebt.", hauche ich leise.

Remus nickt langsam.
Seine Stimme zittert. "Ja..."

Doch dann fällt mir noch etwas auf.

Mein Herz setzt einen Schlag aus.

Mein Name steht auch auf der Karte.
Mein echter Name.

Ehe ich reagieren kann, weiß ich, dass es zu spät ist.

Er macht aprupt einen Schritt zurück.
"Jasmin?"

Unfähig auch nur irgend einen anständigen Satz von mir geben zu können, spannt sich jeder Muskel meines Körpers an.

"Wer bist du?", auch seine Stimme klingt atemlos, gepresst.

Ich will mir gar nicht vorstellen, was er gerade denkt, was er gerade fühlt.

"Remus...", ein Kloß bildet sich in meinem Hals.
Ich wollte es ihm doch sagen. Ich war so nahe dran.

Er macht einen weiteren Schritt zurück, zieht seinen Zauberstab.
Er richtet ihn direkt auf mich.
Seine Hand zittert unkontrolliert, aber er steht stramm und wie erstarrt inmitten des Raums.

Unwillkürlich nehme ich meine Hände hoch.
Ich bin unbewaffnet, bitte tu mir nichts.
"Es ist schwier-"

"Clarissa oder Jasmin?"
Und jetzt klingt er verletzt.
Es wäre mir lieber gewesen, er hätte mich angeschrien, vielleicht würde es weniger wehtun.

"Jasmin.", mein Herz hat aufgehört zu schlagen, sitzt wie ein einziger nutzloser Stein schwer in meiner Brust.
"Ich kann das erklären."

Er antwortet nicht.
Bleich und unbewegt sieht er auf mich hinab.
"Ich brauche deine Erklärungen nicht."

Mit einer einzigen, etwas steifen Bewegung steckt er seinen Stab wieder weg.
Er dreht mir den Rücken zu, eilt schnellen Schrittes durch den leeren Raum.

Ehe ich es überhaupt realisieren kann, fällt die Tür hinter ihm ins Schloss.

Was jetzt?
Ist es zu spät?

Ich setze ihn nach.
Warum weiß ich nicht, aber mein Körper gehorcht mir nicht mehr.

Er ist nur ein paar Meter weit gekommen, als ich ihn einhole. Der Gang ist noch immer düster und menschenleer.

"Remus-", ich berühre ihn an der Schulter.

Sofort schlägt er die Hand weg. "Lass mich in Frieden.", fährt er mich an.

"Bitte, ich will doch nur-"

"Und ich will es nicht hören.", in seinen doch so warmen Augen spiegelt sich purer Schmerz wieder. "Du hast mich angelogen. Der ganzen Zeit. Warum tust du mir das an?"

"Es- Es tut mir leid.", kleinlaut beiße ich mir auf die Zunge.
Nicht weinen.
Ich darf nicht weinen. "Ich wollte das nicht."

"Es tut dir leid? Es tut dir leid?!", jetzt hebt sich seine stimme doch an.
Eingeschüchtert mache ich einen Schritt zurück.
"Verstehst du, was ich gerade fühle? Wie weh das tut?", nachdrücklich deutet er auf seine Brust, genau dort, wo sein Herz schlägt. "Es tut verdammt weh."

Es schmerzt.
Es fühlt sich an, als hätte man mir ein eiskaltes Messer in den Bauch gerammt.

"Komm mit mir nach Elterwater."
Die Worte sind mir einfach herausgerutscht, ohne groß darüber nachzudenken.

Auch er hält kurz perplex inne. "Wieso sollte ich? Du hast mir nichts mehr zu sagen."

"Zwei Tage. Danach wirst du mich nie wieder sehen müssen.", vielleicht ist es die Verzweiflung, ihn wirklich zu verlieren, vielleicht will ich ihn nicht gehen lassen. "Zwei Tage."

Kurz verliert sein Blick den stumpfen Glanz, dahinter verbirgt sich die Wärme, die mir so vertraut ist.

Aber der Moment ist kurz.
Nur eine Sekunde später scheint er mir wieder ein Fremder zu sein.
Nein.
Schlimmer.
Er ist wieder so traurig, wütend und enttäuscht.

"Nein."
Wieder dreht er sich weg, will weitergehen.

Und wieder eile ich ihm nach, stelle mich ihm in den Weg. "Bitte..."

"Nein!", im Rage drängt er mich zurück, bis die Wand mir hart in den Rücken stößt. "Du hast das nicht verdient."

Kein Weg zum Entkommen.
Sackgasse.
Ich bin zwischen der Wand und seinen rasenden Blick gefangen.

Sein Atem geht schnell, seine Wangen sind gerötet. "Ich wünschte, ich hätte dich nie getroffen."

Er tut mir weh, weil ich ihm wehgetan habe.
Vielleicht ist es gerecht so.
Vielleicht habe ich diese Worte verdient.

Stumm sehe ich wie einige dicke Tropfen auf den Boden fallen, zerbersten und lediglich einen Fleck zurücklassen.

Ich weine nicht.

Seine Augen glänzen feucht im kargen Licht.
"Ich will dich hassen."
Kraftlos fallen seine Arme an seine Seite, er macht einen Schritt zurück.
"Ich will dich so sehr hassen."

Unfähig auch nur mit einen Muskel zu zucken stehe ich da, dicht an die Wand gepresst.

Fahrig wischt er sich die Tränen aus dem Gesicht, doch sie werden sofort durch neue ersetzt.
"Zwei Tage."
Seine Stimme klingt rau und kraftlos, als hätte er seit Tagen nicht geschlafen.
"Zwei Tage und dann nie wieder."

Ich bringe nur ein steifes Nicken zustande.

Er zollt dem keine Aufmerksamkeiten, sondern verschwindet stumm und heschlagen in der Dunkelheit.

Schwer atmend sinke ich auf den Boden. Meine Beine versagen mir ihren Dienst.

Ein letztes Mal.

Ich will aber nicht.
Ich will nicht, dass es ein letztes Mal ist.
Und ich will nicht, dass er weint, schon gar nicht wegen mir.

Zwei Tage.

Die Frau im Mond (Remus Lupin FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt