14.

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"Das bringt uns doch alles nicht weiter!", wütend schmeißt Sirius den Blätterhaufen und das Buch neben sich.

Augenverdrehend sammel ich alles wieder auf. "Weiß ich doch auch. Man muss eben an die Ratte herankommen und dann versuchen, sie in Peter zu verwandeln. Falls es es wirklich Peter ist.", füge ich schnell hinzu.
Allzu sicher bin ich mir nämlich immernoch nicht.

Mürrisch beißt Sirius in den Laib Brot, den ich ihm aus dem Schloss mitgebracht habe.
"Und wie kommen wir an die Ratte?"

"Das ist die Frage.", seufzend lasse ich mich auf das verstaubte Bett fallen, das in der Ecke steht.
Das Lattenrost knarrt bedrohlich auf, bricht aber nicht ein.

"Du könntest sie stehlen.", kurz leuchten seine Augen volller Hoffnung auf.  Umso schlechter fühle ich mich als ich diese wieder zerschlagen muss.

"Könnte ich das?"

"Ja. Du arbeitest im Schloss."

"Und das macht es weniger auffällig, wenn ich einem  fremden Jungen, den ich noch nicht einmal kenne, nach seinen Haustier frage?", erkläre ich.

Sein Gesicht fällt wieder in sich zusammen, als er realisiert, dass es eben nicht so einfach ist.

"Außerdem...", gebe ich etwas schwerer zu Bedenken. Der Gedanke gefällt mir gar nicht. "Wenn ich erwischt werde, wird Albus nicht gerade glücklich sein."

Ablehnend rümpft der Mann die Nase, streicht sich die langen Haare hinter das Ohr. "Was sagt denn der Mond?"

Bitter lachend stehe ich auf, lehne mich aus den Fenster.
Es ist stockdunkel, in der Ferne sieht man die Lichter von Hogsmeade blinken.

Mein Atem bildet kleine Wölkchen, als ich tief ausatme, meine Augen schließe.

Tausende Stimmen tuscheln leise, durcheinander.

"Denkst du wirklich, sie interessieren sich für uns?"

"Warum nicht?"

Ich lehne mich soweit aus den Fenster, bis ich beinahe vorne überfalle.

Was bringen Sie eigentlich?

Dass die Nächte nicht so dunkel sind?

Die Sterne würden mich nicht auffangen, wenn ich in die Tiefe stürzen würde, so wie sie mein Volk nicht retten konnten.
Oder wollten.
Ich weiß es nicht.
"Sie sind einfach zu weit weg."

Schwer atmend legt der Mann das Brot weg. "Weißt du, warum wir Animagi geworden sind? Peter, James und ich?"

"Nein."
Langsam lehne ich mich wieder ein Stück zurück. Heute ist nicht die Zeit, zu sterben.

"Wegen Remus."

Sein Name jagt mir unwillkürlich einen Schauer über den Rücken.
Remus John Lupin.
Der Werolf, der nette Professor, der Freund.

"Er war immer sehr unsicher wegen seiner Erkrankung. Hat uns lange nicht erzählt, dass er ein Werwolf ist. Wir haben es trotzdem herausgefunden.", im Sirius Augen spiegeln sich die Lichter der Vergangenheit wieder, Erinnerungen an eine heile Welt. "Er hatte so Angst, dass wir ihn verlassen würden. Wir haben ihn nicht verlassen. Nie. James wurde zum Hirsch, ich zum Hund, Peter zur Ratte. Jeden Monat waren wir hier, in dieser Hütte und haben auf ihn aufgepasst."

Träge erhebt er sich, stellt sich neben mich ams Fenster. "Wir vier waren unzertrennlich. Bis zu diesen einem Tag."

Als ich zu ihn aufsehe, glänzt es feucht in seinen Augen. "Ich kann es immer nich nicht glauben. James, Peter..."

Seine Stimme bricht.

Ich gebe ihn seine Zeit.

Nach einigen Sekunden sammelt er sich wieder.
"Es ist so grausam, dass sich niemand für die Wahrheit interessiert. Nicht die Zauberer, nicht die Dementoren, nicht die Sterne..."

Ist es seltsam, dass ich genau verstehe, was er meint?

Aufmunternd lege ich ihn meinen Arm um die knochige Schulter.

Ich bin ihm dankbar.

Dankbar, dass er ehrlich zu mir ist, dass er mir vertraut.
Und dass er auf Remus aufgepasst hat.

"Ich will wieder weg."
Schwer schlucke ich.
Das ist das erste Mal, dass ich diesen Gedanken laut ausgesprochen habe.
"Ich will nicht mehr lügen."

"Verstehe ich.", seine Stimme ist belegt, nachdenklich.

Eigentlich schade, dass man diesen Mann für 12 Jahre nach Askaban geschickt hat.
Er ist intelligent und einfühlsam, eine Bereicherung für die Gesellschaft.

"Aber Dumbledore hat dich aus einen Grund hierher geholt. Sei es Harry, Remus oder ich... Der Mann hat immer einen Plan."

"Das bringt doch nichts. Wer wird mir je wieder vertrauen?"

Sirius schwieg einige Minuten lang.

"Jasmin?"

"Hm?", mein Blick ist immernoch starr in die Sterne gerichtet. Ich will nicht wieder ins Schloss zurück, zurück zu Clarissa.

"Warum bist du noch hier? Und sag jetzt ja nicht wegen mir, das kaufe ich dir nicht ab."

Schulterzucken wende ich mich ab, ziehe meinen Mantel enger um mich, fröstel. "Keine Ahnung."
Aber wenn ich so darüber nachdenke...
"Doch. Ich habe eine leise Ahnung, aber sie gefällt mir nicht."

Neugierig legt Sirius den Kopf zur Seite, sieht mich mit einer unausgesprochenen Frage in den Auge  an. "Warum?"

Unsicher spiele ich mit meinen Zauberstab herum, wirbel ihn zwischen meinen Fingern hin und her.
"Vielleicht habe ich noch die Illusion, dass es den Orden helfen könnte. Und außerdem sind hier sehr nette Leute."

"Der Orden...", wieder scheinen Erinnerungen und Emotionen den Mann zu überwältigen.
Immerhin war er ein Mitglied, immer engagiert, gegen die dunklen Macht zu kämpfen.

Ob Remus auch im Orden war?
Wundern würde es mich nicht.

"Der Orden wird immer da sein. Und mit etwas Glück und Verstand wird er vielleicht wieder stark genug... Es ist nicht viel Zeit, Jasmin. Du-weißt-schon-wer ist noch nicht vollständig bei Kräften. Wir müssen uns vorbereiten, solange wir können."

"Wir? Sirius, du bist in ihren Augen ein Verräter und Mörder. Glaubst du ernsthaft, es gibt für sie ein 'wir'?"

Bedrückt schweigend lässt er sich wieder auf das Bett fallen, fährt sich durch die Haare, vergräbt das Gesicht in seinen Händen.

Sein Atem geht unregelmäßig, seine Schultern zucken.

Weint er?

"Sirius?"

Besorgt knie ich mich vor ihm, nehme vorsichtig die Hände von seinem Gesicht.

Ja.

Tränen laufen in kleinen Bächen seine schmutzige Wange hinunter, verfangen sich in seinen Bart.

"Ich wünschte, es wäre alles anders gewesen... Ich wünschte James wäre noch am Leben und ich wäre nie in Askaban gewesen. Es ist so verdammt falsch."

"Ich weiß...", ermutigend drücke ich seine Hand.
Sie ist eiskalt. "Aber kannst du es ändern?"

Er schluchzt leise auf.

"Nein...", passt er unter Tränen hervor.
"Nein, kann ich nicht."

Wie erschlagen sitzt der Mann da, in such zusammengefallen, müde vom Leben.

"Dann versuch es nicht."

Wie gut passen die Worte auf uns beide zu.

Wir haben alles verloren, die Leute, die wir lieben.

Und wir hassen unsere Vergangenheit.




Die Frau im Mond (Remus Lupin FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt