23.

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Lachend wische ich mir den dünnen Schweißfilm von der Stirn.
"Endlich."

"Ja. Endlich.", schwer atmend verschließt Remus den braunen Lederkoffer. "Das war mal ein widerspenstiger Irrwicht."

"Kann man so sagen." Die kalte Nachtluft lässt mich erschaudern.
Nach den ganzen Anstrengungen dieses tosende Wesen in den Koffer zu verbannen, macht sich die Erschöpfung in mir breit.

Auch er scheint müde zu sein, hebt den Koffer auf. "Komm, lass und zurück gehen."

Stumm nickend machen wir kehrt, durch das dichte Gestrüpp, durch die dürren Äste.

"Wie kommt es eigentlich, dass McGonagall wusste, dass du so gut mit Irrwichten kannst?", fragt der Lehrer mich, während er einige Äste aus dem Weg schiebt.

"Ach, sie war eine Zeit lang bei mir in Elterwater. Da gibt es viele solcher Biester."

Es war Sommer, beinahe fünf Jahre nachdem mein Volk ausgelöscht wurde, als die Hexe einfach so auftauchte.
Sie wollte sehen, wie es mir geht, so ganz alleine.

"Meine Eltern haben sich durch einen Irrwicht kennengelernt.", Remus lacht leise. "Meine Mum ist ein Muggel, wurde von einen Irrwicht gejagt und von Papa gerettet. War wohl ein ganz schöner Schock."

Auch ich muss Lächeln.
Er redet im Präsens.
Sie leben noch.

Der Boden erzittert.

Wie auf Kommando bleiben wor starr stehen, wechseln einen schnellen Blick, ziehen unsere Zauberstäbe.

Das trommeln schneller Schritte kommt näher und näher.
Was auch immer es ist, es ist groß.

"Haben wir ein Problem?", flüstere ich leise, gerade laut genug dass er es durch das Gerampel verstehen kann.

"Keine Ahnung."
Seine Antwort ist genauso leise, aber auch sicher, beinahe zuversichtlich.

Aus dem Gebüsch bricht eine dunkle Gestalt, groß, mächtig.

Kurz setzt mein Herz aus, dann lasse ich den Zauberstab langsam sinken.

Ein Zentaur.

Der blasse Oberkörper schimmert im blassen Mondlicht, das dunkelbraune Fell scheint mit der Dunkelheit zu verschwimmen.

"Guten Abend.", seine Stimme ist tief, tiefer als die der meisten Zentauren.

Das Wissen und die Weisheit die sich in seinen wilden Augen wiederspiegelt ist sowohl beängstigend als auch faszinierend.

"Guten Abend.", automatisch stelle ich mich aufrechter hin, reiche ihn aber trotzdem noch nicht einmal bis zur Brust.

Langsamen Schrittes umkreist er uns, scheint uns zu begutachten, bevor er wieder einige Schritte zurücktritt.
"Was ist das?", sein Blick richtet sich auf den Koffer.

"Ein Irrwicht. Wir haben ihn gerade gefangen.", versucht Remus zu erklären.

Täusche ich mich, oder zittert seine Stimme ein ganz klein wenig?
Hat er Angst?

Der Zentaur rümpft seine Nase, richtet seinen Blick jetzt direkt auf Remus.
"Der Mond ist wieder am rufen."

Er zuckt zusammen, als hätte ihn jemand mitten ins Gesicht geschlagen.
Hat er Angst, dass das Wesen sein Geheimnis ausplappern könnten?
Das Geheimnis, das ich schon viel zu lange kenne?

"Und du...?", der Zentaur macht einen Schritt auf mich zu, beugt sich hinab, um mir direkt in die Augen zu sehen.

Nur einige Sekunden lang, dann breitet sich so etwas wie Erkenntnis auf seinen groben Gesichtszügen aus.
Seine schmalen Lippen verziehen sich zu einen Grinsen, als er sich wieder aufrichtet.
"Was sagen die Sterne zu dir?"

Mein Mund wird trocken.
Ich habe auch ein Geheimnis, das Remus nicht kennt und auch nicht kennen soll.

Der Professor wirft mir einen fragenden Blick zu.

"Sie lachen und spotten über die Welt."

Wieder erscheint dieser amüsierte Ausdruck auf seinen Gesicht.
Sein Kopf legt sich in den Nacken, als er laut zu lachen beginnt.

Ich kann ihn nur flehend ansehen, flehend, dass er mich nicht verrät.

Aprupt verstummt sein Lachen und er wird wieder ernst.
"Sie Flüstern am Himmelszelt über den blauen Planeten..."
Erwartungsvoll sieht er mich an.

"Der Mond wacht über seine Kinder."

Beinahe andächtig nickend macht er einen Schritt zurück, neigt seinen Kopf.
"Danke."

Beschämt wende ich mich ab.
"Wir müssen gehen."

"Passt auf euch auf. Man munkelt, es tribt sich ein Werwolf in den Wäldern herum."

Wieder kann ich spüren, wie sich jeder einzelne Muskel in Remus Körper Anspannt.
Wie kann man nur so sehr einen Teil von sich hassen?

Ein letzer wissender Blick, ein letztes spöttisches Grinsen.
Mit einen Satz verschwindet die Gestalt.

Remus und ich bleiben wie erstarrt im Wald zurück, stumm, den verhallenden Hufschlägen horchend.

"Was war das denn?"
Es ist Remus, der als erster seine Sprache wiederfindet. "Kinder des Mondes? Lachende Sterne? Was meinte er damit?"

Nervös drehe ich mich weg, stapfe den gefrorenen Waldboden entlang. "Lass uns weitergehen."

Er holt zu mir auf. "Was habt ihr da geredet? Kennt ihr euch?"

Schwach schüttel ich den Kopf. "Meine Familie hatte eine enge Verbindung mit Zentauren. Anscheinend hat er mich erkannt."

Es ist keine Lüge.
Aber auch nicht die ganze Wahrheit.

Er räusperte sich, unsicher und nervös fragt er mich: "Denkst du, es gibt hier wirklich einen Werwolf?"

Mit einen Lächeln lege ich den Kopf in den Nacken, sehe in den Himmel.
"Und wenn schon. Es dauert noch etwas bis zum Vollmond. Außerdem gehöre ich zu den wenigen Menschen, die keine Angst vor Werwölfen haben."

"Echt?", mit einem Mal hört er sich beinahe freudig an, beinahe wie ein kleines Kind.

"Ja."

Ich meine zu spüren, dass er darüber machdenkt, es mir zu sagen.
Er will sich mir anvertrauen.
Ich ihm nicht.
Es ist seine Entscheidung, ob oder wann er es mir sagen wird.

Aber heute ist nicht der Tag.
Er sagt nichts.

"Warum?"

Mittlerweile lichtet sich das Unterholz ein wenig, ich meine das Ende des Waldes durch die kahlen Zweige hindurch schon erkennen zu können.

"Werwölfe sind Menschen, die jeden Monat unfassbare Schmerzen erleben müssen. Und meistens haben sie niemanden, den sie vertrauen. Also warum sollte man so jemanden hassen oder Angst haben?"

Er antwortet mir nicht, aber greift nach meiner Hand, verschränkt unsere Finger miteinander.
Einfach so.

In ein paar Wochen bin ich weg.






Die Frau im Mond (Remus Lupin FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt