Die Frau im Mond (Remus Lupin FF)

10.

Fluchend wische ich mir die Erde vom Umhang.

Mittlerweile ist die Sonne beinahe untergegangen, die ersten Sterne spielen ihre Spiele im Himmel.

Zu allen Überfluss ist das Schloss wie leergefegt, niemand auf den Gängen, selbst die Gemälde sind leer.

Kein Wunder, die fette Dame wird ordentlich Panik gemacht haben.

Dieser dämliche Black.

Er macht alles so viel komplizierter, als es doch schon sowieso ist.

Wo sind die alle nur?

Am wahrscheinlichsten ist die große Halle.

Es ist schon beinahe unheimlich.
So leer habe ich das Schloss noch nie erlebt, keine Geister, keine Schüler, keine Gemälde.
Unheimlich.

Gedämpfte Schritte kommen auf mich zu.

Stocksteif bleibe ich stehen, ziehe meinen Zauberstab.

Sie kommen näher.

Ein silbriges Licht scheint um die Ecke, kündigt eine weitere Person an.

"Wer...?!"
Langsam lasse ich mein Stab wieder sinken.
Diese schiefe Krawatte hätte ich überall wiedererkannt.
"Du hast mir einen Schrecken eingejagt."

Remus macht ein paar Schritte auf mich zu. "Und du erst."
Dann tut er was ziemlich unerwartetes.

Seine Arme legen sich um mich, ziehen mich in eine feste Umarmung.
"Gott, ich hatte schon Angst, dass dir etwas passiert ist...", flüstert er leise. "Ich hab nur mitbekommen, dass Black hier im Schloss war und wir konnten dich nicht finden-"

"Tut mir leid...", einen kurzen Moment schließe ich meine Augen. Verdammt, der Kerl riecht gut.
Doch letztendlich lösen wir uns voneinander. "Ich bin bestimmt fünf Mal durch das gesamte Schloss gerannt und habe nach diesen Black gesucht."

Keine Ahnung, ob er mir diese Lüge abkauft.
Immerhin fragt er nicht weiter nach.
"Komm, lass und zusammen in die große Halle gehen. Albus hat nach dir gesucht."

"Oh nein...", verdammt. Wenn Albus nach mir gesucht hat, bedeutet das nichts gutes. Er wird mir nicht so schnell alles abkaufen, was ich ihn auftische.

"Mach dir keinen Kopf. Er ist dir nicht böse, hat sich nur Sorgen gemacht.", kurz schweigt er. "Wir alle haben uns Sorgen gemacht."

Bedrückt schweige ich.
Tut mir leid, aber ich musste mit Sirius sprechen.
"Remus?"

"Hm?"
Der Mann hält seinen Zauberstab von sich gestreckt, erleuchtet die menschenleeren Gänge.

"Wie gefährlich ist Sirius Black?"

Ich meine kurz zu erkennen, wie sein Griff um das Holz sich verstärkt, ein beinahe trauriger Ausdruck über sein Gesicht huscht.

"Keine Ahnung. Weißt du, früher kannte ich ihn gut. Sehr gut sogar. Wir waren sowas wie beste Freunde. Zusammen mit Peter Pettigrew und James Potter.", er seufzt leise, sein Blick verliert sich in der Dunkelheit. "Eigentlich dachte ich immer, ich kenne meine Jungs, aber... Naja. Du weißt ja selber, was Passiert ist."

Nein, weiß ich nicht.
Mittlerweile habe ich absolut keine Ahnung mehr, was Stimmt und was nicht.
Vielleicht ist Sirius ein Verräter, vielleicht aber auch nicht.
Vielleicht ist Pettigrew noch am Leben, vielleicht aber auch nicht.

"Tut mir leid. Ist bestimmt nicht einfach..."

Verbittert lacht er auf.
Es klingt so laut, in der Ruhe des Schlosses.
"Nein, das bestimmt nicht. Aber was soll ich tun?"

Vor mir tut sich die weite der großen Halle auf.
Keine Bänke, keine Tische, nur hunderte schlafende Schüler.

Wie ein Wächter schreitet Dumbledore durch die Reihen, unruhig, wachsam.
Snape und Minerva stehen etwas abseits, reden leise aufeinander ein.

Doch sobald wir die Halle betreten, richten sich alle Blicke aus mich.
Wie gerne würde ich jetzt einfach verschwinden, in ein unsichtbares Loch hüpfen und einfach weg sein.

"Clarissa... Wo warst du?", mit wenigen Schritten steht Albus direkt vor mir, blitzt mich mit seinen Brillengläsern an.

"Ich... Ich war im Schloss."

"Aha."
Nein, er ist nicht so einfach zu belügen.

Zu meiner Überraschung belässt er es dabei.
"Danke, Remus. Clarissa, du hältst hier mit mir Wache."

Stumm nicke ich.
Wenn ich jetzt einen Schritt zu weit gehe, wird er nicht mehr so nachsichtig sein.

"Ich gehe wieder im Schloss Patrouille.", Lupin wendet sich wieder ab, jedoch nicht ohne mir ein aufmunterndes Lächeln zu schenken.

In meinen Kopf schwirren immernoch die ganzen Sachen, die heute passiert sind, herum.

Wie soll ich herausfinden, ob die Ratte ein Animagus, ein Verräter und anhänger Voldemorts ist?

"Geht es dir gut?", Albus Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern, zum einen um die Schüler nicht zu wecken, zum anderen, damit nur ich ihn hören kann.

Steif nicke ich.

Nein, nichts ist gut.

Ein klein wenig Heimweh macht sich in mir breit, der Wunsch nach Ruhe, fernab von den Problemen der Welt.

Und vor allem habe ich das Lügen satt.
Ich will mich nicht in meinen eigenen Gespinsten verlieren, am Ende vergesse ich noch, wer ich wirklich bin.

"Albus... War es eine gute Idee, hierher zu kommen?"
Traurig sehe ich auf das Meer aus Decken, die die schlafenden Körper umhüllen.
Das ist nicht meine Welt.
Meine Welt ist in Elterwater, fernab von anderen Menschen.

"Es war die beste Idee, die ich seit langem hatte."
Dieses tiefere Wissen, das in seiner Stimme mitschwingt, macht alles nur noch schlimmer.
Warum versteht er es und ich nicht?

Wie soll ich mich hier im Schloss einfinden, wenn ich noch Nicht einmal ich selbst sein kann?

Schluckend drehe ich meinen Kopf weg.
Meine Kehle schnürrt sich zu, ich beiße mir auf die Zunge, um nicht loszuheulen.

Was würde ich alles verlieren, wenn man meine Lüge aufdeckt?
Wer würde mir je wieder vertrauen?

"Du machst dir zu viele Gedanken, Jasmin.", ermutigend legt er mir eine Hand auf die Schulter. "Du bist hier, weil wir alle dich brauchen. Vielleicht solltest du für heute Schluss machen. Leg dich schlafen. Geh ruhig in deine Zimmer, ich glaube nicht, dass Black noch hier im Schloss ist, oder?"

Wie viel weiß er wirklich?

"Danke, Albus. Gute Nacht."

"Gute Nacht, Clarissa."

Immernoch mit einem schwer schlagenden Herzen wende ich mich ab.
Morgen wird alles anders sein.

Mein Blick hebt sich.

Nur für den Bruchteil einer Sekunde.

Snape sieht mich direkt an.
Sein Blick lässt einen Schauer meinen Rücken hinunterlaufen.

Als würde er mir direkt in die Seele schauen.

Hastig sehe ich wieder weg, setze meinen Weg fort.

Zum ersten Mal hasse ich mich selbst.
Ich hasse mich dafür, dass ich hier bin, das ich diese Entscheidung getroffen habe.
Denn jetzt weiß ich, dass ich jemanden damit wehtun werde.