42.

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Büsche und Hecken reißen an meinen Umhang, Peitschen über meine Beine, hinterlassen blutige Kratzer.
Doch gerade habe ich besseres zu tun, als wegen ein paar Schrammen innezuhalten.

So schnell mich meine Beine tragen renne ich durch die dichter werden Gebüsche, in den dunklen Wald.

Einmal verhakt sich mein rechter Fuß in einer knolligen Wurzel eines mächtigen Baumes.
Ein Ruck fährt durch meinen Körper.
Mir ist sofort klar, dass ich mir den Knöchel böse verstaucht haben muss.

Egal.

Schmerzerfüllt beiße ich die Zähne zusammen.
Ich gönne mir einige Momente der Ruhe, lausche in die Nacht.

Durch das Flüstern der Sterne kann ich ein leises Knurren, beinahe ein Grollen hören.
Er ist nahe.

Ein schriller Schrei lässt mir alle Haare zu Berge stehen.
Das war kein Tier, kein Werwolf, dass war ein Mensch.

Schlecht. Sehr schlecht.

Von Filch weiß ich, dass sich manche Schüler gerne mal in den verbotenen Wald schleichen.
Jetzt wäre ein sehr schlechter Zeitpunkt, diese Regel zu brechen.

Den scharfen Schmerz ignorierend setze ich in die Richtung, aus der ich mittlerweile zwei laute Stimmen und ein kehliges Grollen vernehmen kann.

Zu meinen Glück lichten sich die sowieso sehr kargen Baumwipfel genug, um den Boden mit einen silbernen Licht zu überziehen.

Das erste was ich sehe sind weiße Federn.
Viele davon, glänzend im Mondlich, gefolgt von einen schrillen Krächzen.
"Seidenschnabel!", rufe ich, sobald ich das Geschöpf erkenne.

Jetzt ist es nicht an der Zeit zu hinterfragen.

Der anmutige Vogelkopf schnellt zu mir herum.
Jetzt kann ich genauer betrachten, was gerade vor sich geht.
Ich verstehe es nicht.

Remus, sichtlich angeschlagen liegt winselnd im Dreck, einige Meter von ihm entfernt stehen zwei kleinere Gestalten, die mir verdammt vertraut vorkommen.

"Okay, ihr müsst weg.", keuche ich, ein wenig außer Atem, während ich mit bedacht auf die zusammengesunkene Gestalt am Boden zuhumpel.
"Sofort."

Es macht keinen Sinn.
Alles.
Es macht keinen Sinn, dass Seidenschnabel hier ist, es macht keinen Sinn, dass Harry und Hermine vor mir stehen.
Aber ich habe keine Zeit.
"Los jetzt!"

Sie antworten mir nicht einmal, wechseln einen kurzen Blick, bevor sie kehrt machen.
Hoffentlich verschwinden sie direkt nach Hogwarts.

Seidenschnabel gibt noch einen leisen Schrei von mich, als wolle er mich warnen, bevor das Geschöpf einmal mir den Hufen scharbt und dann in der Dunkelheit verschwindet.

Und dann ist es erstmal ruhig.

Ich kann ihn leise winseln hören, ein dünnes Rinnsal Blut läuft über seine Schläfe und gerade beginnen sich blaue Verfärbungen auf seiner so hellen Haut zu bilden.

Für einen Moment bin ich mir nicht mal sicher, ob er überhaupt bei Bewusstsein ist.
Eine Begegnung mit einen Hippogreif ist gefährlich, wenn nicht sogar tödlich.

Allein bei dem Gedanken, was der Messerscharfe Schnabel und die Krallen wohl anrichten können, setzt mein Herz einen Schlag aus.
"Remus?", frage ich leise, ganz leise.

Werwölfe haben gute Ohren und ein verängstigter, verletzter und unkontrollierter Werwolf ist das letzte, was ich brauche.

Er hebt träge seinen Kopf, Sieht mich aus hellen Augen heraus an.
Vielleicht erkennt er mich, vielleicht ist er zu erschöpft, um mich anzugreifen.

Wie aus Gewohnheit taste ich mach meinen Zauberstab, um wenigstens ein wenig Sicherheit zu verspüren, aber da ist nur Gähnende Leere in meiner Tasche.

Als Remus sich aufrappelt, zwinge ich mich, an Punkt und Stelle stehenzubleiben.
Werwölfe unterscheiden sich zwar in vieler Hinsicht von normalen Wölfen, aber verfügen doch über einen ausgeprägten Jagdinstinkt.

Der Werwolf ist groß, wenn auch kränklicher als andere Werwölfe, die ich zu Auge bekommen habe.
Trotzdem... Es fällt mir sehr schwer den Remus in diesen Geschöpf auszumachen, den ich kenne.

"Hey... Geht es dir gut?", versuche ich es.
Er scheint weniger aggressiv zu sein, mehr damit beschäftigt, seine Wunden zu inspizieren.

Es war ein Fehler.

Ich merke noch nicht einmal wie sich alle Muskeln in seinen dürren Körper anspannen, als er seine Zähne emblöst und auf mich zuhetzt.

Es geschieht alles so schnell, keine Chance, ihm zu entkommen.
Gerade rechtzeitig kann ich mein Kopf wegducken, hebe meine Hände abwehrend in die Höhe.

Ein weiterer Fehler.

Als ich spüre, wie sein Fang von der Mitte bis zum Ende meines Daumens die Hauf aufreißt, weiß ich, dass ich in Schwierigkeiten bin.
Ich kann noch fühlen, wie der Zahn am Nagel meines rechten Daumens abprallt.

Mit rasenden Herzen versuche ich ein Schritt zur Seite zur machen, aber mein rechter Knöchel verrät mich einmal mehr.
Das Gelenk gibt einfach nach, versagt den Dienst.

Unsanft pralle ich auf den Boden auf.

Beinahe sofort treiben sich zwei Paar Krallen an meine Schulter, erwischen zum Glück mehr Stoff als Haut.

So nahe war ich einen verwandelten Wolf noch nie.

Als er erneut seine Zähne emblöst, kann ich sein Atem auf meiner Hat spüren, kann fühlen, wie sein Körper zittert.
Ihm läuft Blut aus der Schläfe, tropft auf meine Wange.

Da ist etwas Wildes, etwas so fremdes in seinen immernoch so grünen Augen, etwas, das ich nicht begreifen kann.

Es ist das erste Mal, wo ich so richtig Angst vor ihm habe.
Angst, dass er mich verletzt, Angst, dass es hier vielleicht enden wird.
Ich will nicht sterben.

Heiße Tränen laufen über mein Gesicht, als ich mir eingestehen muss, dass ich ihm gerade hilflos ausgeliefert bin, dass es ausgerechnet Remus sein muss, der mich beendet.
Ich will mir gar nicht vorstellen, wie er sich fühlen wird, wenn er sich wieder in einen Menschen verwandelt und ich nicht mehr da bin.

Das eigentlich so leise Schluchzen hallt in der Stille wieder.

Ich lebe noch.

Mit einen Mal verschwindet das Gewicht, dass mich unbarmherzig auf den Boden gedrückt hat.
Zitternd wische ich mir die Tränen aus dem Gesicht, auch wenn weitere ungeachtet auf den Waldboden Tropfen.

Zitternd setze ich mich auf, traue mich aber nicht, zu ihm aufzusehen.
Ich kann  spüren, dass er mir nich immer nahe ist, kann ihn tief und schwer atmen hören.

Erst als ich höre, dass er sich wieder nähert, zuckt mein Blick mach oben.
Instinktiv schrecke ich zurück, krieche rückwärts über den Waldboden, bis sich das Holz eines Massiven Baumes in meinen Rücken drückt.

Er betrachtet jede meiner Bewegungen, sieht mich aus wachen Augen heraus an.
Und doch macht er die wenigen Schritte auf mich zu.

Ich zwinge mich, ruhig zu bleiben, schließe meine Augen.
Was auch immer jetzt passiert, ich kann nichts tun.

Eine Schwere macht sich auf meinen Oberschenkel bemerkbar.
Als ich mich wieder traue, nach unten zu linsen, hat er seinen Kopf auf meinen Bein abgelenkt, die Augen halb geschlossen, beinahe wie ein Höriger Hund.

Da ist nichts mehr von der Wut, von dem Unkontrollierbaren, dem Fremden.
Da ist nur noch...

"Remus?"

Der Werwolf winselt nur kurz, rekelt sich, bevor er die Augen schließt.


Die Frau im Mond (Remus Lupin FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt