18.

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Es riecht fantastisch gut.

Erinnert mich an damals, als ich als ein kleines Mädchen mit meiner Mutter und meinem Bruder eben diese Tinkturen hergestellt habe.

Nur die unangenehme Kälte des Kellers zerstört das Bild in meinen Erinnerungen.

Wir hatten immer ein Kaminfeuer.

Suchend drehe ich die Etiketten von einigen Gläsern um, auf der Suche nach Feuerblumenwurzeln.

Zum Glück ist mir Pomona Spout, die Lehrerin für Kräuterkunde, so nett entgegengekommen.
Nur dank ihr darf ich die Zutaten benutzen, die sie im Keller aufbewahrt.

In einem kleinen Glas auf den Tisch bewahre ich das bisherige Ergebnis auf.

Nur noch die Wurzel, dann bin ich fertig.

"Was machen Sie hier?"

Ohne mich umzudrehen durchsuche ich weiter das Regal. "Pomona hat mir erlaubt, ein paar ihrer Feuerblumenwurzel zu benutzen."

"Wofür?"

Gott, will der mich jetzt schon wieder ausfragen?
Ich antworte ihm einfach nicht.
Triumphierend ziehe ich das Gefäß mit der passenden Aufschrift aus dem Regal.
Erst jetzt drehe ich mich zu der blassen Gestalt um, die unheimlich Still im Türrahmen steht.

Seine schwarzen Augen wandern von mir zu der Tinktur und wieder zurück.

"Was ist das?", ohne Umschweife nimmt er das Glas, hält es gegen das Licht, schwenkt es herum.
Misstrauisch ziehen sich seine Augenbrauen zusammen.

Gift.
Das schütte ich morgen in Ihren Kaffee und löse einige Probleme.

"Noch nichts."
Ich entkorke die Flasche.
Sofort strömt ein beißend scharfer Geruch aus der Öffnung.
Schnell ziehe ich eine der feuerroten Gewächse heraus, stelle das Gefäß wieder weg.

Eine gute Wurzel.
Leicht dehnbar und vor allem voller Saft.

"Bekomme ich es wieder?"

Langsam lässt Snape das Gläschen wieder sinken, ich nehme es aus seiner Hand.

"Was ist das?", wiederholt er.

Seufzend krempel ich meine Ärmel hoch. "Geheimrezept."

Vorsichtig ritze ich die Wurzel mir meinem Fingernagel an.

Eine orangene Flüssigkeit quillt aus dem Riss, ich fange sie im Gläschen auf.

Exakt dreizehn Tropfen.

Das zuvor gelbe Gemisch nimmt eine beinahe durchsichtige Farbe an. Und dann dieser Geruch...

Bevor ich mich an die zu bittersüße Tage erinnere, schraube ich einen Korken in die Flasche.

Snape steht immernoch ganz still da, die Augen beinahe suchend auf die Flasche gerichtet, als würde es in seinen Kopf rattert.

Bevor er noch auf irgendeinen logischen Schluss kommt, stecke ich die Flasche in meine Manteltasche.
Nichts wie weg.

"Halt."
Gerade als ich an ihn vorbeiziehen will, packt er mich grob am Arm.

Erschrocken reiße ich mich los, meine Hand tastet wie automatisch nach meinem Zauberstab. "Was ist?"

Sein Blick wird härter, kälter.
"Wer sind Sie?"

Drei Worte, die mich komplett aus der Fassung bringen?
Hat er es verstanden?

"Wie meinen Sie das? Clarissa Gunn."

"Falsch.", langsam zieht er seinen Zauberstab hervor, richtet ihn direkt auf mich. "Wer sind Sie?"

Schnell senke ich meinen Kopf.
Ich muss hier raus.
"Entschuldigung, ich muss vorbei.", halbherzig versuche ich mich an ihm vorbei zu drängen, aber ich habe keine Chance.

Seufzend verschränke ich die Arme vor meiner Brust. "Was wollen Sie?"

Als er seinen Blick wieder auf mich richtet, triefen seine Augen voller Hass und Abneigung.
"Ich wusste gleich, dass ich Sie schon einmal gesehen hatte. Erinnern Sie sich nicht?"

Seine Lippen kräuseln sich zu einen spöttischen Grinsen, als ich nur mit den Kopf schüttel.

Habe ich ihn schon einmal gesehen?
Nein. Ich kann mich nicht daran erinnern...

"Natürlich haben Sie es vergessen.", die Hand, mit der er den Zauberstab auf mich gerichtet hat, zittert kaum merklich.
Ist es Wut? Hass?
Warum hasst er mich?
"Sie hatten nur Augen für ihn. Und er nur für Sie. Erinnern Sie sich noch an ihn? Gabriel Ducan."

Gabriel...

Ich vermisse dich.
Wie oft habe ich mir gewünscht, dass du noch da wärst, dass ich wieder dein Lachen hören kann?
Und wie oft musste ich feststellen, dass du wirklich weg bist?

Mein Mund wird trocken und meine Kehle schnürrt sich zu. "Woher...", mehr kann ich nicht herauspressen.
Mein Gabriel.

Mein Schmerz scheint ihn etwas Genugtuung zu verschaffen.
"Gabriel Ducan. Slytherin. Hochbegabt. Brach die Schule im siebten Jahr ab, um mit einem Mädchen wegzuziehen.", sein Grinsen wird immer breiter.

Ja.
Er weiß es.
Er weiß alles.

"Dieses Mädchen... Ich sah sie an den einen Tag im Drei Besen. Wie war doch gleich ihr Name?", der Professor legt eine Pause ein, sieht mir mit einen verbissenen Ausdruck ins Gesicht.

Es würde mich nicht wundern, wenn er mich hier und jetzt auf der Stelle umbringen würde.

Aber warum?
Was habe ich ihm getan?
Ich erinnere mich nicht.

"Jasmin von Hohburg."

Seine Stimme hallt in den leeren Kellergewölbe nach.

Als ich meinen Namen höre, zieht sich mein Herz unwillkürlich zusammen.

Warum?
Warum ist es so kompliziert?

Tapfer erwiedere ich seine mörderischen Blicke.
"Ja. Ich bin Jasmin. Und Gabriel ist mit mir gegangen."

Meine ruhige, feste Stimme scheint ihn nur noch mehr in Rage zu bringen.

Woher ich die Kraft nehme, so gefasst zu bleiben weiß ich selbst nicht.
Vielleicht will ich es ihm einfach nicht gönnen, mich weinen zu sehen.

"Gabriel hat bei mir gelebt und ist bei mir gestorben."

Ein Teil von mir will selbst jetzt, zwölf Jahre nach seinen Tod, nicht begreifen, will nicht wahrhaben.

Jetzt zittert nicht nur seine Hand, sondern sein gesamter Körper.
Fast so, als würde er unter extremer Spannung stehen, zu platzen drohen.

Und wenn er platzt, dann bin ich tot.

Was war Gabriel für ihn?
Warum habe ich vergessen?

Entschlossen richte ich mich auf, stelle mich ganz gerade hin, mache mich groß.

Du hast keine Macht über mich.

Das, was ich hier mache, ist zwar falsch, aber von Dumbledore eingefädelt worden.

"Wir gehen jetzt zum Schulleiter, Snape.", bestimme ich mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldet. "Und stecken Sie Ihren verdammten Zauberstab weg, sonst verletzen Sie sich noch."

Für einen kurzen Moment scheint pure Mordlust durch seine Venen zu pulsieren, dann lässt er seinen Stab aber sinken.
"Was machen Sie hier?"

"Wir gehen zu Albus. Dort werden wir alles erklären.", mein Ton wird wieder etwas gefasster. Die Situation soll jetzt nicht eskalieren.

Sein blasses Gesicht sieht vollkommen leer auf mich hinab.

Jetzt sind seine Augen wie tot.

Für einige kurze Sekunden empfinde ich schon beinahe so etwas wie Mitleid mit ihm.

Was wurde ihm angetan?
Habe ich ihn verletzt?

Seine Stimme ist jetzt auch so seltsam flach und vollkommen leer.

"Ich hasse dich."

Die Frau im Mond (Remus Lupin FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt