Neue Schule, neues Glück. Zumindest sagt Eomma das, seit sie mir eröffnet hat, dass wir umziehen werden. Nur weil sie sich von Appa getrennt hat.
Yeeun wusste das weit vor mir. Meine große Schwester, die bleiben darf, weil sie sowieso hier studieren wird und schon eine Wohnung hat. Ich wäre viel lieber mit ihr geblieben, dann hätte ich meine Freunde nicht verlassen müssen. Die sich alle jetzt schon nicht mehr bei mir melden, sich nicht einmal richtig von mir verabschiedet haben. Wir sind seit heute Morgen unterwegs, und Yeeun ist die Einzige, die mir geschrieben hat. Dabei haben sie mir versprochen, den Kontakt aufrecht zu erhalten, auch wenn ich es nicht schaffe, mich zu melden.
Eigentlich ist Yangyang der Einzige, bei dem ich wirklich enttäuscht bin. Er weiß schließlich, dass wir ewig fahren, ich habe mich oft genug bei ihm darüber beschwert. Bis nach Seoul ist es von der südlichen Küste Koreas eben weit.
Naja, ohne die Umzugswägen wären es nur etwa viereinhalb Stunden, je nach Verkehr, aber mit dauert es eben länger, und dazu noch die Pausen. Es würde mich wundern, wenn wir weniger als sechs Stunden fahren, schließlich sind wir jetzt schon bei zwei Stunden angekommen und haben gerade so über ein Drittel der Strecke hinter uns. Nachher kommt dann vermutlich auch noch Feierabendverkehr hinzu, also essen wir wohl auf unseren Kartons und schlafen zwischen ihnen.
Eine alte Freundin von Eomma wohnt in Seoul und hat uns ihre Hilfe angeboten, sodass ich meinen morgigen Tag mit zwei gackernden, ätzend fröhlichen Frauen Mitte Vierzig verbringen darf, weil Yeeun momentan wenig Zeit hat und ich davon ausgehe, dass keiner meiner Freunde sich bei mir melden wird. Wohl nie wieder, aber das werde ich dann ja sehen.
Ich muss einfach beten, dass mein PC heil ankommt, damit ich, wenn in meinem Zimmer alles steht, wenigstens irgendetwas zur Ablenkung habe. Ich freue mich schon darauf, meinen Schlafrhythmus in die Luft zu sprengen, bevor ich nächste Woche wieder zur Schule gehen darf.
Weil ich mich auch so darauf freue.
Wenigstens durfte ich mir die Schule aussuchen, nachdem ich bei unserer Wohnung nicht einmal Mitspracherecht hatte. Es hätte mich ehrlich gesagt auch nicht überrascht, hätte Eomma mir gleich mit den Neuigkeiten des Umzugs ihren ausgefeilten Plan für meine Zukunft unterbreitet, schließlich tendiert sie dazu, solche Sachen ohne mich zu machen, obwohl es dabei um mein Leben geht.
Meine liebste Mutter ist auch diejenige, die mir jetzt meinen Kopfhörer aus dem Ohr zieht und mich streng von der Seite ansieht.
"Du vertrittst dir jetzt mal die Beine, junger Mann."
Mit aller Kraft das Augenrollen unterdrückend, das ich ihr schon die ganze Zeit verpassen will, schnalle ich mich ab und ziehe meine Schuhe an, ehe ich aus dem ersten von unseren zwei Umzugswägen steige – den zweiten fährt einer von der Vermieterfirma, und wir den ersten, da unser Auto immer Appa gehört hat und wir somit keins mehr haben. Da bin ich dann doch ganz froh, dass Eomma sich Seoul ausgesucht hat, da gibt es wenigstens ein vernünftiges Netz aus öffentlichen Verkehrsmitteln.
Während ich über den Parkplatz schlurfe und Eommas Rauchen versuche zu ignorieren, wähle ich Yeeuns Nummer, in der Hoffnung, dass sie rangeht.
Fehlanzeige.
"Hi, hier ist–" Ich drücke den Anrufbeantworter weg, sobald er anspringt. Wenn es nicht sie selbst ist, will ich ihre Stimme nicht hören.
Ohne meine Musik höre ich wieder die Welt um mich herum, und mir fällt der Mangel an Tieren auf. Generell an irgendetwas außer Blechkisten auf Rädern in den unterschiedlichsten Farben, Formen und Größen. Ich meine, wir haben nah genug an Busan gelebt, dass ich weiß, wie sich so etwas anfühlt, aber wir sind noch nicht einmal in Seoul und ich fühle mich kein Stück mehr wie zu Hause.
Aber am meisten vermissen werde ich das Meer.
Ich tue es schon, seit ich es gestern das letzte Mal gesehen habe, spät abends, im Dunkeln, und auch wenn ich mir einen abgefroren habe, konnte ich nicht anders, als wenigstens für ein paar wenige Minuten das letzte Mal in meiner Heimat schwimmen zu gehen.
Seit ich denken kann, tue ich das regelmäßig, und wenn Eomma mich nicht ins Meer gelassen hat, hielt eben unser altes Schwimmbad her, das mehr Kalk beinhaltete als Wasser. Nicht nur das Meer wird in Seoul nicht sein, auch werden die Schwimmbäder viel reinlicher sein – und das ist etwas Gutes, definitiv, aber in so einem kleinen Vorort war es eben schon eine Besonderheit, überhaupt ein Schwimmbad zu haben.
Gott, ich vermisse meine Kindheit. Ich vermisse den Sand unter meinen Füßen und das Salz in meinen Haaren, das selbst Eomma im Sommer kaum aus meinen Haaren bekommen hat, so oft, wie ich schwimmen war. Ich kann mit jedem Abzeichen dienen, und habe sie doch alle nur gemacht, weil Eomma es so wollte. Das macht sich gut in deinen Bewerbungen. Schön, freut mich, ich wäre aber viel lieber einfach aus Spaß geschwommen und nicht, um irgendeine beschissene Qualifikation für einen Job zu haben, den ich eh nicht haben will. Anwalt, sagt Eomma, das ist was Feines. Arzt. Ich könne das ja mit links schaffen. Und damit verdiene man ja so viel Geld. Schön und gut, Mutter, aber ich will das eben nicht. Ich will zurück an die Küste und in die Fischerhütte von Appas Eltern ziehen und die Netze meines Großvaters flicken und selbst Fischer werden, auch wenn ich das früher gehasst habe. Aufs Meer fahren und den Tieren dabei zusehen, wie sie ersticken, zucken, bis sie nicht mehr leben. Und ich hasse das auch immer noch, aber dann wäre ich wenigstens wieder zu Hause.
Meeresbiologe wäre schön, aber dann muss ich studieren. Noch mehr Jahre in einer anderen Hölle, in die ich nicht will und wo ich niemanden kenne und niemanden kennenlernen werde. Ich hasse Menschen und Menschen hassen mich, wie meine unbeantworteten Nachrichten mich wissen lassen.
Mein Handy vibriert.
noonie
kleiner meermann, ich sitz gerade in
einer stinklangweiligen Vorlesung, ich
kann dich danach anrufen, aber dann
fahrt ihr wohl wieder und du sollst nicht
eommas Zorn auf dich ziehen. meld dich
bei mir, wenn ihr angekommen seid,
dann hab ich Zeit für dich!
sieh dich nach schwimmbädern um,
wasserjunge, und tritt irgendeinem
Schwimmverein bei, du sollst doch deine
Wurzeln nicht verlieren!Wirklich, dieses Mädchen kann meine Gedanken lesen. Selbst über so viele Kilometer Entfernung. Aber hey, sie war immer mehr Mutter als große Schwester, so oft, wie Eomma nicht daheim war, also ist das wohl kein Wunder. Dabei ist sie keine zwei Jahre älter als ich.
"Jeno!", hallt die Stimme meiner Haupterzieherin über den Parkplatz, und ich schreibe Yeeun eine schnelle Antwort, bevor ich mich auf den Weg zurück zu Eomma mache.
In der Fahrerkabine riecht es nach Rauch, aber ich lasse das Fenster geschlossen, um Yeeuns Rat zu folgen und Eomma in ihrem Stress nicht noch zusätzlich zu reizen. Kaum sitze ich, streife ich meine Schuhe wieder ab und lege meine Beine auf der Konsole ab, was Eomma mit einem missbilligenden Blick hinnimmt. Sie sagt nichts, startet nur mit einer besonders ruckartigen Bewegung den Motor.
Ich seufze innerlich und schalte meine Musik wieder ein. Ich wünschte, Yeeun wäre hier.
04.01.2021
i'm so excited for this uwu
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black swan 𖣓 nomin
FanficJeno liebt das Schwimmen. Seine Mutter hat ihn deshalb alle Abzeichen machen lassen, die sie auftreiben konnte. Jeno verflucht sie dafür, bis zu dem Tag, an dem er Jaemin das Leben rettet. « Jeno ↑↓ Jaemin !slowburn !angst !sexual content (warnings...