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"Kannst du bitte noch viel öfter für mich tanzen?", wispere ich, als er in seiner Endposition verharrt. Aus seiner geradezu majestätischen Haltung wird wieder der schüchterne Jaemin, wie er Anfang des Monats auf meinem Sofa saß, und ich kann von beiden Seiten nicht genug kriegen.

"Wenn du nicht irgendwann gelangweilt bist", murmelt er.

Ich stehe auf und ziehe ihn an mich, woraufhin er mich ein wenig verschreckt ansieht. Seine Augen sind unruhig, in ihnen steht Unsicherheit und so nervös, wie er sich die Hände an die Brust presst, bereut er es wohl schon wieder, mich zusehen gelassen zu haben.

"Das war wunderschön, Jaemin. Ich weiß, deine Lehrer hätten garantiert ganz viele Fehler gefunden, aber ich bin eben kein Tanzlehrer und habe keine Ahnung von Ballett und habe auch noch nie in meinem Leben bewusst jemandem dabei zugesehen– Worauf wollte ich hinaus? Du verzauberst mich, Jaemin. Ich liege dir gerade zu Füßen, wenn du das nicht merkst."

Er fummelt an meinen Hoodiebändern herum. "Tust du gar nicht", flüstert er, "du hältst mich ja fest."

"Ich kann mich eben nicht halbieren." Und weil er das vorhin auch gemacht hat und ich nicht anders kann, platziere ich einen Kuss auf seiner Wange. "Du machst mich sprachlos, kleiner Tänzer."

Jaemin versteckt sein erhitztes Gesicht an meiner Schulter und erwidert dabei die Umarmung, hält sich so an mir fest, dass ich mich nicht traue, ihn zuerst loszulassen. Aber es ist ehrlich gesagt auch schön, mit ihm hier so zu stehen.

Sein Zittern fällt mir erst einen Moment später auf, und ich lasse sofort meine Hand über seinen Rücken gleiten.

"Alles okay?", frage ich leise in sein dunkles Haar.

"Ich– Ich weiß nicht." Er holt tief Luft. "Ich bin nur– Ich hatte die ganze Zeit Angst, dass du doch noch wie– alle anderen bist, und gerade auch, und jetzt–"

"Wie waren sie denn?"

"Zwei Wochen, Jeno. Zwei Wochen lang habe ich jeden Tag etwas dazu zu hören bekommen, bis endlich Ferien waren und ich die Schule wechseln konnte. Ich kann dich nicht einmal das Wort 'Ballett' sagen hören, ohne Angstzustände zu kriegen. Dabei weiß ich, dass du nicht so bist. Und trotzdem–" Sein Griff wird fester. "Ich kannte einen von ihnen seit meiner Geburt. Er war der ältere Bruder, den ich nie hatte. Und selbst er hat sich über mich lustig gemacht. Hätte Eomma nicht jeden Abend wieder auf mich eingeredet, hätte ich wieder aufgegeben. Und das macht mich zu einem Schwächling–"

"Nein", unterbreche ich ihn, "es macht dich nicht zu einem Schwächling. Es macht dich stark, dass du deinen Traum nicht aufgegeben hast, obwohl du dafür deine Freunde verloren hast. Gott, ich hätte ihnen– Wenn auch nur irgendjemand irgendetwas darüber sagt, sag Bescheid, dann mache ich ihn zu Lebertran."

Jaemin lacht erstickt in meine Schulter. "Bitte nicht, aber danke für das Angebot." Er seufzt. "Hätte ich hier nicht so schnell Anschluss gefunden... ich wäre wohl bis zu meinem Lebensende davon ausgegangen, dass mein Tanzen scheußlich aussieht."

"Tut es nicht", erwidere ich mit Nachdruck, "und auch wenn du dich vertanzt oder stolperst, dann bist du immer noch graziös."

"Graziös wie ein Elefant im Porzellanladen", prustet er.

"Nein! Wie, wie... Fische unter Wasser. Weißt du, sobald du sie an Land holst, zappeln sie nur noch unbeholfen, und wenn man sie zubereitet, sehen sie einfach nur grässlich aus, aber... Unter Wasser kannst du ihnen nichts vormachen. Du bist ein Falterfisch im Korallenriff. Kennst du Falterfische? Die meisten haben einen Punkt auf ihrem Körper, also nicht auf ihrem Kopf, sondern am anderen Ende, weil nämlich viele ihrer Fressfeinde nach den Augen jagen, weil das eben vorne ist und der Fisch dann nicht mehr entkommen kann. Und Falterfische haben Augen, die wie ihre Schuppen drumherum aussehen, deshalb denken so Haie und so, dass hinten vorne ist und vorne hinten und die Falterfische können in die andere Richtung wegschwimmen." Ich seufze. "Das war nicht das, worauf ich hinauswollte."

black swan 𖣓 nominWo Geschichten leben. Entdecke jetzt