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"Und?" Jaemin streckt sich. "Was denkst du?"

Ich halte ihm die Tür auf. "War gut."

Er bleibt stehen und mustert mich. "Und weiter?"

"Ich mein's ernst." Ich streiche über seine Wange und schiebe ihn sanft weiter. "Ich hätte viel lieber viel mehr mit dir getanzt, aber das kommt ja noch."

"Keine Sorge", grinst er und nimmt meine Hand, bevor ich sie von ihm wegziehen kann.

Eigentlich bringe ich ihn nur nach Hause, aber wir verbringen noch gute fünf Minuten in seiner Wohnungstür, weil wir uns nicht voneinander trennen können. Erst seine Mutter mit den Einkäufen sorgt dafür, da sie Hilfe braucht und Jaemin mich wegschiebt, bevor ich meine anbieten kann.

"Bis morgen", ruft er mir noch hinterher, ich winke und jogge die Treppen hinunter.

Zuhause ist es merkwürdig still, und das, obwohl Eomma schon da ist. Sie sitzt im Wohnzimmer, und neben ihr auf dem Sofa liegt die Erklärung: Ein schlafender Hund.

"Seit wann haben wir wieder ein viertes Familienmitglied?" Ich hocke mich vor das weiße Fellknäuel, und Eomma krault ihm seufzend über den Kopf.

"Die Kleine wurde bei uns in der Praxis abgesetzt. Niemand konnte sie aufnehmen und das Tierheim hatte geschlossen. Ich kümmer mich morgen um eine Anzeige."

Vorsichtig streiche ich über das weiche Fell. "Ist sie ein Samoyed?"

"Ja, etwa vier Monate alt. Aber sie ist krank, also selbst wenn wir sie behalten, wird das wohl eher ein kurzfristiges Vergnügen."

Sie tut mir sofort noch viel mehr leid. "Was hat sie?"

"Pulmonalstenose. Eine Einengung der Lungenarterie", ergänzt Eomma, als ich sie blöd ansehe, "was im Grunde nur heißt, dass ihr Herz mehr arbeiten muss. Aber wenn das schwerwiegend ist und man sich keine Operation leisten kann, hat sie eben ganz schnell eine niedrige Lebenserwartung."

"Geht's ihr denn sonst wenigstens gut?"

"Sie ist in der Praxis bald vom Tisch gesprungen, ich schätze mal schon."

"Und... hat sie einen Namen?"

Eomma schüttelt lächelnd den Kopf. "Den kannst du ihr geben, sofern sich keiner als ihr Besitzer meldet."

"Solange bleibt sie hier?", vergewissere ich mich.

"Das war der Plan."

"Hast du schon Futter und so gekauft?"

"Mach ich morgen. Ich hab ein bisschen was aus der Praxis mitgenommen, das sollte noch reichen."

"Okay." Ich stehe auf. "Ist noch Essen da?"

"Ich mach gleich noch was, ich wusste nicht, wann du kommst. Wie war die Tanzstunde?"

"Gut." Ich kratze mich am Arm. "Ich weiß jetzt ganz sicher, wie man den Kopf aufrecht hält."

"Man weiß nie, wann man es mal wieder braucht", schmunzelt Eomma.

"Hat noonie sich bei dir gemeldet?"

"Nein, wieso?"

Ich winke ab. "Ich fahr am Wochenende zu ihr."

"Ist gut." Ihr Blick ist irgendwie müde. "Ich sag dir Bescheid, wenn's Essen gibt."

"Mhm." Ich nehme meine Tasche und wähle schon auf dem Weg in mein Zimmer die Nummer meiner Schwester.

Lange telefonieren wir nicht, weil sie kaputt ist, und ich weiß nicht einmal, ob sie es richtig mitkriegt, als ich ihr sage, dass ich zu ihr fahren werde. Aber wenigstens versichert sie mir, dass das nur an den Schmerzmitteln liegt, die sie bekommen hat, und dass es morgen schon ganz anders sein wird. Als wir auflegen, sitze ich eine Weile doof herum, bevor ich aufstehe und Eomma beim Kochen helfe.

black swan 𖣓 nominWo Geschichten leben. Entdecke jetzt