Bis Mittwoch bringe ich Jaemin jeden Tag zur Schule, und hole ihn von dort auch wieder ab. Manchmal gehe ich davor noch nach Hause oder setze mich auf den Flur oder in die Pausenhalle, um auf ihn zu warten. Er wird mit jedem Tag aufgeregter, bis er Mittwochmorgen plötzlich ruhig ist, still seine Schritte durchgeht. Ab und zu bleibt er stehen, probiert sie aus in Straßenschuhen und Jacke, und ich muss jedes Mal wieder lächeln, wenn ich ihm dabei zusehe. Danach halte ich ihm immer meine Hand hin, und manchmal hält er sie noch fest, während er tanzt.
Wir reden kaum miteinander, er ist schließlich mit Tanzen beschäftigt. Erst vor seinem Schultor, als er meine Hand loslässt und ich ihn in eine Umarmung ziehe.
"Viel Glück", wünsche ich ihm, "du schaffst das. Aufstehen und weitermachen und nicht aufgeben."
Es bringt ihn zum Lächeln. "Ja, ich weiß. Danke, Jeno. Alles Gute für deine Gruppenarbeit."
Ich seufze leise. "Viel lieber würde ich dir zusehen."
"Ich weiß. Aber dann bringst du mich noch durcheinander, und dann ist es deine Schuld, wenn ich nicht genommen werde."
"Oha." Ich ziehe ihn noch etwas dichter an mich. "Ich will, dass du mir sofort Bescheid sagst."
"Kommst du nachher etwa nicht?" Ich kann seinen Hundeblick hören, und als ich ihn leicht von mir wegschiebe, kann ich auch sein Schmollen sehen. Mein Herz verabschiedet sich an dieser Stelle vollständig und kehrt an die Küste zurück, auf den tiefsten Grund des Pazifiks.
"Doch, aber ich will es sofort wissen."
"Das ist aber erst später. Ich kann's dir dann gleich in Echt sagen."
"...Na gut. Und jetzt guck mich nicht so an, sonst muss ich dich einpacken und mitnehmen."
Er grinst und drückt mir einen Kuss auf die Wange. "Morgen gerne. Bis nachher, Jeno-yah."
"Jaemin-hyung!", geht ein schrilles Kreischen über den Platz.
"Es wird nach dir verlangt." Schmunzelnd lasse ich ihn los. "Bis nachher, kleiner Tänzer. Du schaffst das, ich weiß es."
Er führt lächelnd seine Verbeugung aus und rennt dann auf einen seiner Freunde – ich kann es mir immer noch nicht merken – zu. Ich wende mich ab und schlurfe Richtung meiner Schule.
Ich mag seine Freunde. Viel Kontakt hatten wir bisher nicht, wir begegnen uns normalerweise nur, wenn ich Jaemin abhole. Sie haben mittlerweile aufgehört, mich zu mustern, und fragen sich dementsprechend hoffentlich nicht mehr, was Jaemin nur an mir finden mag. Einer der beiden Jüngsten hat wenigstens schon gesagt, dass er mein Lächeln mag, und sein Grinsen war daraufhin so breit, dass ich nicht anders konnte, als zu lächeln.
Es frustriert mich irgendwie. Ich meine, ich bin total froh darüber, dass Jaemin so gute Freunde hat und alles, aber es erinnert mich an meinen Freundeskreis. Mit Yangyang hat es sich eingependelt, wir zocken auch manchmal noch zusammen, aber von den anderen höre ich maximal gelegentlich, eigentlich nur über ihn. Ich sollte wohl langsam damit abhaken, aber so lange ich an meiner Schule keinen Anschluss finde, werde ich wohl nicht aufhören, immer wieder nachzusehen, ob sie mir vielleicht doch geschrieben haben.
Ich ziehe meine Schultern hoch, als mir ein kalter Windzug entgegenkommt.
Es gibt ja durchaus Leute, die nett zu mir sind, aber ich bin immer noch derjenige, den alle irgendwie unsicher ansehen, wenn Gruppenarbeiten angekündigt werden. Auch wenn ich so tue, als wäre ich mit meinem Heft oder sonst etwas beschäftigt, merke ich trotzdem, wenn über mich getuschelt wird oder ich von der Seite durchdringend angestarrt werde. Dass ich in allen Fächern irgendwo vorne oder mittig sitze, hilft da nicht wirklich. Ich hoffe, im neuen Schuljahr wird das geändert. Ich will wieder in meine Ecke zurück. Da bohren sich keine Blicke in meinen Rücken.
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black swan 𖣓 nomin
Fiksi PenggemarJeno liebt das Schwimmen. Seine Mutter hat ihn deshalb alle Abzeichen machen lassen, die sie auftreiben konnte. Jeno verflucht sie dafür, bis zu dem Tag, an dem er Jaemin das Leben rettet. « Jeno ↑↓ Jaemin !slowburn !angst !sexual content (warnings...