Es müssten nun ungefähr drei Monate sein.
Drei Monate seitdem ich entführt wurde.
Drei Monate seitdem ich fast täglich von dem attraktivsten Mann, den ich jemals in meinem Leben gesehen hatte, misshandelt wurde.
Ich konnte nicht sagen, wann das Gespräch mit Sandor stattfand, in dem er mir sagte, dass er mich hier heraus holen wollte.
Es schien, als wären seitdem drei Jahre vergangen.Just in dem Moment als ich das dachte, ging die Eisentür quietschend auf.
Ich schreckte aus meinem Halbschlaf auf.
Die Fesseln klirrten leise, als sie gegeneinander schlugen. Ich erkannte meinen Gegenüber sofort. Das war auch nicht schwer, da diese eine einzige Lampe in dem Kellerraum schließlich fast so gut wie nie aus war. Wahrscheinlich, sodass die Person, die mich und Sandor dauernd durch die Kamera stalkte, alles sehen konnte. Trotzdem fragte ich mich, wie sich das mit der Stromrechnung vereinbaren ließ. Als mein Blick weiter an der Decke entlang glitt, fielen mir die Kameras auf.
Sie blinkten nicht. Ah genau, es schien die Stunde zu sein, in denen sie aus waren.»Rachel.«, ertönte schließlich Sandors dunkle Stimme. Der bassige Klang bereitete mir wie immer eine Gänsehaut. Als er ein paar Schritte auf mich zu kam und ich ihn musterte, wurde mir augenblicklich warm ums Herz. In seinem Blick sah ich den Mann, von dem ich dachte, der er wirklich war. Und sofort wusste ich, was Sache war. War das der Moment, in dem er mich retten würde? Mein Blick glitt an seinen muskulösen Armen hinab, als er nun direkt vor mir stand. Mein Atem beschleunigte sich.
Wieder einmal wurde mir klar, wie heiß er war.
Ich wurde aus meinen Träumereien gerissen, als er eben diese Arme anhob. Erst dann fiel mir auf, dass er Kleidung in der Hand hielt.Meine Kleidung.
Die Kleidung, die ich an dem Tag meines Verschwindens an hatte.
Ein rotes T-Shirt und eine Jeans. Nein, mein T-shirt konnte es nicht sein. Das hatte er bereits in den ersten Tagen meiner Ankunft zerschnitten.
Als ich mich mehr darauf konzentrierte, fielen mir kleine Nadelstiche auf. Ernsthaft?
Hatte er mein T-Shirt geflickt?
Augenblicklich musste ich grinsen bei der Vorstellung, wie Sandor in einem Sessel vor dem Fernseher saß und währenddessen meine Kleidung wieder zusammen nähte.Der Schwarzhaarige verdrehte die Augen, als er meinen Blick bemerkte, »Ja, ich habe auch noch andere Talente, außer kriminell sein.« Mein Grinsen wurde noch etwas breiter.
»Kann ich mir bei dir garnicht vorstellen.«
Er verdrehte erneut die Augen, ehe er sich an meinen Fesseln zu schaffen machte.
Die Kleidung legte er vorher auf den einzigen existierenden Tisch in diesem Raum ab.
Es dauerte nicht lange, bis ich ein befreiendes Klicken hörte und meinen Arm anwinkeln konnte. Es war fast etwas schmerzhaft dies zu tun, da ich so lange in dieser stehenden von-der-Wand-häng-Position verweilt hatte.Als Sandor auch meine anderen Fesseln gelöst hatte und ich versuchte zu gehen, gaben meine Knie unter mir nach. Scheisse, das hatte ich garnicht bedacht. Sandor anscheinend auch nicht. Er fing mich zwar auf, biss sich jedoch gleich darauf schuldbewusst auf die Lippen.
»Es tut mir so leid, dass es so lange gedauert hat, Rachel. Aber ich musste sein Vertrauen zurückgewinnen. Ich wollte dich und Loreen so wenig Gefahr wie möglich aussetzen und dass bei der Flucht alles glatt läuft. Das hier habe ich leider nicht bedacht. Sieht fast so aus, als könnten wir unseren Plan nicht durchsetzen.«Nun biss ich mir ebenfalls auf die Lippen.
Nein, nein, nein. Das konnte nicht sein. Meine Muskeln hatten sich anscheinend in der Zeit wo ich hier war, stark zurückgebildet.
Tränen stiegen mir in die Augen, als ich trotzdem entschlossen sagte, »Nein, das wird schon irgendwie gehen. Bitte Sandor. Ich will einfach hier raus. Zu meiner Familie.
Meinen Freunden. Bitte, bitte hilf mir.«
Nachdenklich sah er mich an und ich bemerkte erst, dass wir durch meinen Fall immernoch auf dem Boden lagen, als er an meinem Arm zog, um mir wieder auf zu helfen.
Er stützte mich, bis ich einen festen Stand hatte. Dann griff er hinter sich und streckte mir wieder die Kleidung entgegen, »Dann zieh dich an.«, lächelte er.Ich bemerkte, dass auch frische Unterwäsche dabei war. Dankbar striff ich mir diese über.
Das Anziehen dauerte bei mir unter den Umständen länger als sonst. Doch als ich schließlich fertig war, grinste ich den Schwarzhaarigen stolz an. Erst jetzt fiel mir auf, wie groß er eigentlich war. Ich musste meinen Kopf in den Nacken legen um ihm ins Gesicht sehen zu können. Er überragte mich mindestens mit zwanzig Zentimetern. Er lächelte zu mir hinunter, »Komm, ich bringe dich nach Hause.«Ich zog meine Augenbrauen zusammen.
»Aber was ist mit dir?«
»Erst du, dann ich, okay?«
Zögerlich nickte ich. Aber ich machte mir Sorgen. Hierbleiben konnte er schließlich nicht, da wenn die Kamera wieder an gingen, er sofort sehen würde, was Sache war.
Aufmunternd klopfte mir Sandor auf die Schulter, als er meinen besorgten Blick sah und setzte sich in Bewegung, richtung Tür. Ich folgte ihm mit wackeligen Schritten.
Erst dann bemerkte ich, wieviel ich wirklich abgenommen haben musste.
Das musste auch der Grund gewesen sein, weshalb ich, seitdem ich hier war, nicht einmal meine Periode bekommen hatte.Meine Jeans, welche mir früher als Einzige meiner Hosen perfekt gepasst hatte, rutschte nun jeden Schritt den ich ging, ein Stückchen weiter nach unten. Genervt zog ich sie immer wieder hoch.
Kurz bevor ich bei Sandor ankam, welcher wartend vor der Tür stand, hörte ich aufeinmal etwas knistern, als meine Hand die linke, hintere Hosentasche striff.Verwundert griff ich in diese hinein.
Fühlte sich an wie ein Stück Papier.
Energisch zog ich dieses heraus. Es war komplett zusammengeknüllt. Als ich es auffaltete, erkannte ich sofort, um was es sich hierbei handelte. Es war das Bild. Das Bild von mir. Welches ich in der Nacht meines Verschwindens kurz vor meiner Haustür auf dem Boden liegend vorgefunden hatte.
Ich wusste noch, wie ich es zusammengeknüllt und in meine Hosentasche gesteckt hatte, kurz bevor mich Sandor vor dem gruseligen Mann rettete und mich schließlich selbst entführte.
Wow, das klang echt wie ein schlechter Film, oder?»Was hast du da?«, fragte mich der Schwarzhaarige sogleich. Ich antwortete nicht, sondern fing stattdessen an, das Bild behutsam auseinander zu falten. Das Fotopapier war etwas vergilbt, da der besagte Tag vor drei Monaten schließlich eine Regennacht war.
Jedoch ließen sich unverkennbar meine langen, dunklen Haare, die Sommersprossen und die Stupsnase erkennen. Eine Sehnsucht kam in mir auf, als ich mich ausgelassen auf dem Bild lachen sah. Dann fiel mir etwas ein.
Ich wendete das Foto vorsichtig, als wäre es zerbrechlich und erkannte einen Schriftzug auf dem Bild. Jetzt konnte ich ihn lesen.
Und plötzlich fügten sich alle Teile so schnell in meinem Gehirn zusammen, dass ich unter der Last zu ersticken drohte.Sandor musste mir garnichts mehr erklären.
Ich wusste nun, warum ich hier war.
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This Person Does Not Exist
Misterio / SuspensoMeine Mom bläute mir früher immer ein, wie wichtig es wäre, zwar auch mal Fehler zu machen, da man durch diese am meisten lernen würde... ... Man in manchen Situationen aber einfach keine Fehler machen sollte. Sie werden dich sonst für den Rest dein...