35.Kapitel

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Meine Mom und ich fuhren schweigend zu May und Theo. Es gab nichts zu sagen. Ich wollte nichts sagen. Ich versuchte mich mit dem Gedanken an unsere baldige Weihnachtsfeier aufzumuntern, doch es klappte nur wenig.

Als wir vor der Haustür standen, wurde ich jedoch trotzdem irgendwie nervös. Die Tür wurde schwungvoll von Theo aufgerissen.
Als ich ihn sah, war ich kurz sprachlos und wechselte einen Blick mit meiner Mutter.
Dann prusteten wir gleichzeitig los und die Anspannung fiel augenblicklich von mir ab.

Theo sah normal schon einem Engel ähnlich, aber das hinderte ihn offensichtlich nicht daran, sich nochmal wie einer zu verkleiden.
Er trug einen Haarreif, durch welchen ein goldener Heiligenschein über seinen blonden Locken schwebte. Er hatte einen weißen Strickpullover an und um seinen Hals schmiegte sich eine weiße Federboa. Auch seine Hose war locker und weiß. Er sah wirklich so aus, als sei er gerade vom Messias auf die Erde gesandt worden. Als ich ihn umarmte bemerkte ich auch die Flügel auf seinem Rücken und ich musste nocheinmal losprusten. »Hey... alles okay bei dir?« flüsterte er mir so ernst und leise zu, als er mich in die Arme schloss, dass ich mir selbst für einen kurzen Moment nicht sicher war, richtig gehört zu haben. Ich nickte kaum merklich. Jetzt wo Theo mich wieder an den Gerichtstermin erinnerte, kam augenblicklich meine triste Stimmung zurück.
»Können wir bitte nicht darüber reden und einfach jetzt feiern?« Er löste sich von mir, musterte mich kurz ernst, ehe er anfing zu lächeln. Dann schaute er an mir vorbei zu meiner Mom und rief ein freudiges: »Kommt rein!«

Also folgtem wir ihm nach drinnen und erblickten May, welche sich als Rentier verkleidet hatte. Sie sah total niedlich aus. Die Blonde war gerade dabei den Tisch zuende zu decken. Der Raum war weihnachtlich mit Kerzen, Kränzen und Sternen geschmückt. Ich entdeckte auch einen Tannenbaum in der Ecke des Raumes, welcher wunderschön glitzerte und leuchtete. Wow... die beiden hatten sich echt viel Mühe gegeben.

»Heyy! Schön euch zu sehen!«, Begrüßte sie uns nun auch freudig. »Zieht eure Kostüme an und macht es euch auch bequem! Dianne deins ist hier diese...«, sie überreichte meiner Mom ein Weihnachtsmannkostüm, »...Weihnachtsfrau!« Ich musste grinsen. »Vielen Dank, May«, antwortete meine Mutter und blickte sich um. »Ihr habt das wirklich wieder toll gemacht. Ihr werdet von Jahr zu Jahr besser.« Sie hatte recht. Die Geschwister übertrafen sich malwieder selbst. »Ach quatsch...« May fühlte sich sichtlich geschmeichelt und auch auf Theos Gesicht erschien ein ähnlicher Ausdruck, was die beiden sofortig als Geschwister identifizierte. Ich räusperte mich, »Und wo ist mein Kostüm?« »Oh!« Mays Augen wurden groß. »Das habe ich wohl vergessen mit hier rüber zu bringen. Theo, du weißt doch wo es ist, kannst du es Rachel bitte geben?«

»Geht klar, Chefin.«, erwiderte er und setzte sich in Bewegung. »Ich gehe direkt mal mit und helfe ihm beim suchen«, nuschelte ich, wovon Mom und May jedoch keine Notiz nahmen, da sie sich in ein angeregtes Gespräch vertieft hatten. Also ließ ich die beiden alleine und folgte Theo. Dieser stand im Bad und kramte gerade das gesamte Kostüm einer Weihnachtselfe zusammen. Er zuckte zusammen, als er sich umdrehte und mich bemerkte. »Jag mir doch nicht so einen Schrecken ein, Rachel!« Ich kicherte und er überreichte mir kopfschüttelnd das Kostüm.
»Ziehs an, falls du Hilfe dabei brauchst, ruf mich.«

Ich nickte ihm zu und er huschte an mir vorbei aus dem Bad hinaus und zog die Tür hinter sich zu. Das Kostüm war neu, ich hatte es noch nie zuvor gesehen, geschweige denn angehabt und hoffte einfach, dass es passen würde. Ich zog meine Klamotten langsam aus und versuchte den Blick in den Spiegel zu meiden. Ich wollte nicht meine dürre Figur und die Narben sehen. Schnell schlüpfte ich in das Rot-grüne Kleid mit weißer Spitze und in die weißen Kniestrümpfe. Es waren auch Elfenohren dabei, welche ich mir aufsetzte, sowie ein goldener Haarkranz. Ich war froh, dass das Kostüm nicht zu freizügig war und mich somit nicht komisch fühlen ließ. In Kombination mit meinen langen braunen Haaren und der Stupsnase konnte ich sogar trotz kilometerlangen Augenringen, tatsächlich als Elfe durchgehen. Als ich jedoch das Kleid zumachen wollte, merkte ich, dass es klemmte.
Ich startete gleich mehrere Versuche den Reisverschluss zu schließen, scheiterte jedoch augenblicklich wieder. Genervt ließ ich meine Hand sinken und starrte unschlüssig nun doch mein Spiegelbild an.

This Person Does Not ExistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt