Nach diesem Tag bemerkte ich in den folgenden eine Veränderung in Sandors Verhalten. Er wurde zärtlicher. Sanfter.
Gerade jetzt tupfte er vorsichtig meine Wunden mit Desinfektionsmittel ab und fragte fast alle zwei Minuten, ob alles okay wäre.
Ich nickte daraufhin immer nur, perplex von seinem plötzlichen Charakterwandel. Es sah so aus, als hätte er wahnsinnige Schuldgefühle.
Geschah ihm recht, bei dem, was er mir alles angetan hatte.Schwach fragte ich, während er gerade über die entzündete Wunde an meinem Bauch strich,
»Lässt du mich irgendwann wieder gehen?«
Er runzelte die Stirn und schwieg. Ich hatte es satt nicht zu wissen, wieso ich hier war und warum man mir das antat. Und ich war mir ziemlich sicher, dass Sandor nicht der eigentliche Täter war.
Mit einer schnellen Bewegung, kam er näher an mich heran und flüsterte so leise, dass ich ihn, selbst mit nur fünf Zentimetern Abstand kaum verstehen konnte, »Du wirst schon noch erfahren, wieso du hier bist.«, als ständen mir meine anderen Fragen ins Gesicht geschrieben. Das taten sie wahrscheinlich auch.
Hektisch schaute er sich nach dem Gesagten um. Sein Blick fiel auf eine der Kameras.Nun wurden meine letzten Zweifel daran, dass uns wirklich jemand durch die Kameras beobachtete, durchs Sandors Reaktion wie weggeblasen.
Seine Augen waren fast schon ängstlich aufgerissen. So hatte ich ihn noch nie gesehen.
Vor was hast du Angst, Sandor?
Nun wanderte auch mein Blick zu einer der Kameras hinauf und ich sah das vertraute, rote Kontrolllämpchen aufblinken.
Kurz darauf fiel mein Blick wieder auf Sandor.
Sein verängstigter Blick war so schnell wieder verschwunden, wie er aufgetaucht war.Sandor gegenüber war ich mehr als misstrauisch. Vorallem wegen seiner jetzigen Sympathie-Masche. Sie erinnerte mich an die Zeit im Café. Die Zeit, in der ich ihn noch als wahrhaftigen Gentleman wahrgenommen hatte. Die Zeit, in der er wie der Mann wirkte, den ich mal meiner Mutter vorstellen wollte.
Ich hasste mich in dem Moment dafür, dass seine Masche tatsächlich bei mir zu wirken schien. Es fühlte sich vertraut an.
Vielleicht spielte er diesmal auch garnicht mit mir?
Darauf konnte ich mich jedoch nicht verlassen. Ich hatte Angst, dass er mich morgen schon wieder wie das letzte Stück Dreck behandeln könnte.Und ich behielt recht. Seine Zärtlichkeiten waren nicht von langer Dauer. Das enttäuschte mich enorm. Wenn er nun in meinen Raum kam, machte er sich es, noch mehr als zuvor, zur Aufgabe mich zu quälen. Oft, wie auch jetzt, stellte er sich mir gegenüber an den Tisch und rauchte vor mir eine Zigarette nach der anderen. Anstatt diese aber zu Ende zu rauchen und anschließend wegzuwerfen,
kam er mit den glühenden Stummeln zu mir, um dessen Glut an meiner Haut auszudrücken.Dieses Mal suchte er sich meinen Bauch aus.
Ich schrie wie am Spieß, »SANDOR, HÖR AUF, HÖR BITTE AUF«.
Ich hatte mal gehört, dass der Verbrennungstod die schlimmste Art von Tod sein soll. Ich hatte jetzt schon unglaubliche Schmerzen, die Schmerzen die man dabei haben musste, wollte ich mir garnicht erst vorstellen.Nach etlichen Minuten, welche sich nach mehreren Stunden anfühlten, ließ Sandor von mir ab. Mein Blick versuchte seinen zu fangen, ich wollte ihm in die Augen sehen.
Wollte sehen, ob ihm das hier gerade gefallen hatte. Aber er wandte sich, ohne mich einmal anzusehen, von mir ab und verschwand wortlos. Wie immer.Wut stieg in mir auf. Wie hatte ich für dieses Arschloch nur eine Sekunde Sympathie empfinden können? Wieso glaubte ich trotz alldem immernoch an das Gute im Menschen? Zu naiv. Ich war einfach viel zu naiv.
An diesem Tag verfiel ich in einen unruhigen Schlaf voller Albträume. Albträume, in denen meine beste Freundin May auftauchte.
Ihr Gesicht war jedoch nicht mehr sanft, vertraut und wie sonst engelsgleich, sondern seltsam verzerrt. Ihre Augen und ihr Mund rissen weit auf, sodass ich spitze Zähne erkennen konnte. Aus ihrem Mund kamen Töne, die ich nicht verstand. Allmählich formten sie sich jedoch zu Worten.
Sie schrie immer wieder dasselbe.
Als ich sie immernoch nicht verstand, packten mich ihre viel zu großen Hände unsanft an den Schultern. Ein Schauder durchfuhr mich.
Aber dann hörte ich es.Du hast etwas übersehen.
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This Person Does Not Exist
Misteri / ThrillerMeine Mom bläute mir früher immer ein, wie wichtig es wäre, zwar auch mal Fehler zu machen, da man durch diese am meisten lernen würde... ... Man in manchen Situationen aber einfach keine Fehler machen sollte. Sie werden dich sonst für den Rest dein...