31.Kapitel

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Aufeinmal erfasste mich unbändige Wut.
»Du warst jetzt eine Woche weg, man hat nichts von dir gehört und jetzt spazierst du hier so rein, als wäre nichts gewesen?! Du hast mich zu Tode erschreckt! Ich dachte Loreen und ich wären in Gefahr!«, hektisch legte er mir einen Finger auf die Lippen. »Shh.. Rachel.. lass uns das bitte draußen bereden. Loreen schläft doch wahrscheinlich und das sollte auch so bleiben.« Ich atmete tief ein und aus, um mich wieder zu beruhigen. Dann nickte ich zaghaft. Ich fühlte mich aufeinmal wie ein Hundewelpe, der sich versuchte vor einem Wolf zu behaupten. Sandor strahlte eine solche Dominanz aus, dass ich mich automatisch immer kleiner als ich sowieso schon war, fühlte. Mein Eindruck wurde mal wieder dadurch unterstrichen, dass sein Finger einen so kurzen Moment meine Unterlippe entlang fuhr, ehe er ihn wieder entfernte, sodass ich mich fragen musste, ob er das gerade überhaupt wirklich getan hatte.

»Na dann komm. Hast du eine Jacke dabei, oder willst du eine von mir haben?«
»Ich habe eine, danke.«, murmelte ich. In diese schlüpfte ich geschwind und als ich mit Sandor vor die Haustür trat, fiel mir im Licht auf, dass er selbst eine Lederjacke trug, welche seinen Körper umschmiegte wie eine zweite Haut. Ich schluckte und ließ meinen Blick zu Boden sinken. Sandor warf mir hingegen einen Blick zu und aufgrund seiner Tonlage ging ich davon aus, dass er grinste. »Kommst du, Rachel?« Zögerlich wanderten meine Augen wieder nach oben und augenblicklich wurde meine Annahme bestätigt. Er grinste so breit, dass ich mir sicher war, dass er bemerkt hatte, wie ich ihn gemustert hatte.

Rachel reiß dich verdammt nochmal zusammen. Du solltest sauer auf ihn sein und ihm nicht hinterherschmachten wie ein notgeiler Teenager! Warnte ich mich selbst. Und als wäre das nicht schlimm genug, geht es mir mit Theo im Moment ähnlich. Ich schob es darauf, dass ich mich nach der Folter wohl nach Liebe und Sicherheit sehnen musste. Nach einem starken Mann. Was weiß ich.

Ich beeilte mich, um zu ihm aufzuschließen, dann liefen wir gemächlich an der Straße entlang nebeneinander her. Wo Sandor einen Schritt brauchte, brauchte ich schon zwei, so lange Beine besaß er. Erst jetzt fiel mir wieder erst auf, wie groß er eigentlich wirklich war. Er überragte mich mindestens um zwei Köpfe.

»So... ich glaube du hast mir viel zu erzählen Sandor. Als allererstes will ich wissen: wieso brichst du in dein eigenes Haus ein und wo zur Hölle warst du die ganze Zeit?! Was ist passiert?!« Er antwortete mir erst nicht, weshalb ich davon ausging, er hätte mich nicht gehört. Gerade wollte ich meine Fragen etwas zickiger wiederholen, als er es doch tat, »Sorry, Loreen hat den einzigen Schlüssel des Hauses und sie würde mich normalerweise reinlassen. Aber jetzt war es Nacht und ich wollte sie nicht aufwecken, deswegen.«, er machte eine kurze Pause, ehe er weiter redete. »Zu deiner anderen Frage... Derek hat mich mit seinem Messer erwischt, hat mir meinen halben Bauch aufgeschlitzt. Ich hab dann entsprechend viel Blut verloren und glaub mir, ich weiß nicht, wie ich das in dem Zustand noch geschafft habe, aber ich habe ihn irgendwie überrumpelt und habe ihn nochmal bewusstlos geschlagen. Dann bin auch ich weggelaufen. Auf dem Weg bin ich zur nächsten Telefonzelle, habe die Polizei gerufen und dabei erwähnt, dass du dich wohl auch noch irgendwo in der Umgebung aufhalten müsstest. Ich wollte, dass du in Sicherheit bist und nicht direkt vom Nächsten auf der Straße mitgenommen wirst. Dann habe ich einen alten Bekannten von mir angerufen, ein ehemaliger Doktor. Direkt nach dem Anruf bin ich in der Telefonzelle zusammengesunken. Ich hätte niemals gedacht, dass ich das überlebe, aber mein Kollege kam noch rechtzeitig und hat mich bei ihm zuhause wieder zusammengeflickt. Dann konnte ich erstmal nicht laufen und habe auch noch leicht gefiebert. Da dachte ich ein zweites mal, dass ich sterben würde.« Ungläubig schaute ich ihn an und plötzlich nagte das schlechte Gewissen an mir. Ich hatte ihn so dumm angemacht, obwohl er so gelitten hatte. Und das nur, weil er mich - malwieder - gerettet hatte. Er wäre fast gestorben. Trotzdem tat er so, als wäre es keine große Sache gewesen, so wie er die ganze Zeit über einfach weiter gelaufen war und lächelnd während seiner Erzählung den Vollmond am Himmel betrachtete. »Ich habe mich total schwach gefühlt und bin dann bei meinem Kollegen geblieben. Ich hätte mich in dem Zustand niemals um Loreen kümmern können, es tut mir leid.«

This Person Does Not ExistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt