Theo stürmte am nächsten Morgen pünktlich um acht Uhr in meine Räumlichkeiten und zog die dicken Vorhänge auf. Sofort erhellten die Sonnenstrahlen mein gesamtes Zimmer und unzufrieden kroch ich unters Kissen. Sollten alle doch schon ohne mich anfangen und mich einfach noch ein paar Stunden weiterschlafen lassen.
,,Mira, komm aufsteh-he-hen !", rief Theo und ich hörte wie er durch den Raum wanderte. Wahrscheinlich ging er ins Ankleidezimmer, um mir schon mal mein heutiges Outfit auszusuchen.
'Wie konnte man so früh schon so gute Laune haben?'
Vor allem ist er definitiv schon mindestens eine halbe Stunde früher aufgewacht als ich.
,,Du liegst ja immer noch im Bett!", hörte ich ihn ein paar Minuten später sagen. Seine Schritte kamen mir immer näher und näher. Ruckartig zog er das Kissen von meinem Kopf und mürrisch stöhnte ich auf. Langsam öffnete ich meine Augen, strich mir meine verirrten Haare aus dem Gesicht und drehte mich auf den Rücken, um ihn besser ansehen zu können.
Mit meinem Kopfkissen in der Hand stand er genau neben mir und grinste breit.
,,Komm, ich habe was Schönes für dich ausgesucht", er wippte mit seinen Augenbrauen auf und ab.
,,Okay", gab ich auf. ,,Aber nur wenn es wirklich was Schönes ist", sagte ich und streckte mich ausgiebig.
,,Versprochen", meinte er und hielt mir seine Hand hin, um mir aufzuhelfen.
~Er hat mir ein leichtes Make-up verpasst und meine langen, dunkelbraunen Haare etwas gelockt.
Aufgrund dessen, dass wir heute sehr schönes Sommerwetter hatten, hat er mir ein dazu passendes Sommerkleid ausgewählt.
Es hatte dünne Träger, war weiß, mit apricot farbenden Lilien und ein paar grünen Blättern darauf. Unten war das Kleid leicht gewellt und ging mir bis zur Mitte meiner Oberschenkel.
Dazu zog er mir weiße Perlen als Ohrringe an und ein silbernes Armkettchen. Meine Schuhe durfte ich mir selber aussuchen. Ich entschied mich sofort für grüne Sandalen mit Keilabsatz der nur aus Schnüren bestand. Theo erlaubte mir nicht, zu dem Kleid flache Schuhe zu tragen, somit hatte ich nur eine Auswahl zwischen Keilabsatz und normalen Absatz. Und Keilabsatz, war da um Welten bequemer.
Zehn Minuten vor Zehn begleitete er mich noch zum Speisesaal. Es war ein großer Raum mit hohen Fenstern und in den gleichen Tönen gehalten wie das ganze Schloss. Weiß und Gold. Die Esstische waren rund und überall im Raum verteilt.
Als ich mich umsah, bemerkte ich Angelina an der Theke stehen. Schnell verabschiedete ich mich von Theo und eilte zu ihr, bevor ich sie aus den Augen verlieren konnte.
,,Morgen", begrüßte ich sie sofort und lächelte. Ich war wirklich froh darüber, sie genau jetzt hier anzutreffen. Somit musste ich mir nicht mehr meinen Kopf darüber zerbrechen müssen, mit wem ich am Tisch sitzen würde.
,,Hey, Mira", begrüßte auch sie mich lächelnd und umarmte mich kurz. ,,Gut, dass wir uns hier treffen, dann können wir ja gleich am Esstisch zusammen sitzen", sprach sie meine Gedanken aus und ich nickte nur zustimmend.
Nachdem wir unsere Teller mit dem Frühstück vollbeladen haben, entschieden wir uns für einen Tisch genau neben dem Fenster.
Durch das große Fenster, welches vom Boden bis zur Decke reichte, konnte man in den Schlossgarten schauen, wo Gärtner schon fleißig am Arbeiten waren.
,,Emma müsste auch noch gleich kommen und sich zu uns setzen", berichtet Angelina und biss von ihrem Croissant ab.
,,Emma?", fragend hob ich meine Augenbrauen an.
,,Sie ist die Nummer sechs. Und dadurch, dass ich die Nummer sieben bin, haben wir uns gestern Abend, während wir auf unseren Auftritt gewartet haben, kennengelernt", erklärte sie.
Daraufhin nickte ich nur. Dagegen hatte ich nichts. Je mehr, desto besser.
Keine Minute später setzte sich Emma auch schon mit einem ebenso vollen Teller an unseren Tisch. Ich erinnerte mich an sie. Sie war es, die es gestern komisch gefunden hatte, dass Brandon nur mich in den Saal begleitet hatte.
,,Guten Morgen", begrüßte sie uns und streckte mir sogleich ihre Hand entgegen. ,,Mein Name ist Emma".
Ich schüttelte ihre Hand und lächelte freundlich. ,,Mira".
,,Was denkt ihr, wer von uns wird als Erstes zu einem Treffen von Brandon eingeladen?", warf Angelina die Frage in die Runde.
,,Ganz klar Mira", kam es wie aus der Pistole geschossen. ,,Sie scheint sein Liebling zu sein". Verwundert drehte ich meinen Kopf zu Emma.
,,Er hat mich nur in den Saal begleitet, weil ich die Letzte war. Was anderes steckt da nicht dahinter", stellte ich sofort klar und konnte mir ein Augenrollen nicht unterdrücken.
,,Rede es dir ruhig weiter ein", flötete sie und beschmierte seelenruhig ihren Pfannkuchen mit Marmelade.
Ich spürte wie diese Konversation anfing mich aufzuregen und Angelina schien dies wohl auch zu bemerken, denn bevor ich wieder etwas dazu sagen konnte, kam sie mir zuvor.
,,Sie zieht dich doch nur auf", meinte sie belustigt und ich drehte meinen Kopf wieder zu Emma, die mir kokett zu zwinkerte.
Ich atmete tief aus und schüttelte leicht meinen Kopf. Daraufhin fing Emma an zu lachen und ich klinkte mich mit ein.
Nach dem Essen unterhielten wir uns noch etwas am Esstisch und ich erfuhr, dass Emma vom Beruf her Schauspielerin ist und bis jetzt nur kleine Rollen spielen durfte.
,,Ich und Brandon würden uns beide super ergänzen", schwärmte sie. ,,Wir führen beide ein öffentliches Leben und somit muss sich seine Zukünftige nicht noch daran gewöhnen müssen".
Auf ihre Aussage hin runzelte ich meine Stirn. ,,Was macht er denn beruflich? Auch schauspielern?".
Zwei Augenpaare blickten mich ganz entgeistert an.
,,Du weißt nicht, wer er ist?", verblüfft beäugte mich Angelina.
Langsam schüttelte ich den Kopf. So populär konnte er wohl nicht sein, dass ich nichts von ihm wusste. Außerdem habe ich mich schließlich nur wegen einer Wette hier angemeldet. Mir war es schlicht und einfach egal, wer Mister X sein würde. Zumal er eh verdeckt war.
,,Du verarschst mich", ungläubig sah mich Emma an, doch ich konnte nur mit den Schultern zucken.
,,Er ist einer der bekanntesten Models auf der ganzen Welt. Wie konntest du nur noch nie etwas von ihm gehört haben?".
,,Ich interessiere mich einfach nicht für Mode", beantwortete ich Angelinas Frage.
,,Also bist du einfach blind hier hergelaufen?". Emma schlug sich leicht mit der flachen Hand auf die Stirn und konnte einfach nicht glauben, was sie da gerade von mir erfahren hatte.
Ich hob meinen Zeigefinger in die Höhe. ,,Na ja, genau genommen, sind wir das ja eigentlich alle", rechtfertigte ich mich. Niemand konnte schließlich so genau wissen, wer Mister X sein würde.
,,Ja, aber als ich Thalila sah, wusste ich sofort, dass Mister X Brandon ist. Von der Freundschaft zwischen den beiden weiß doch jeder Bescheid", meinte Angelina.
Doch noch bevor ich etwas dazu sagen konnte, bemerkte ich einen der Security-Männer direkt auf uns zusteuern.
Es war der, den ich gestern Abend unter meinem Balkon gesehen hatte. In seiner Hand trug er einen Umschlag.
Er schien mich auch erkannt zu haben, denn er blickte mir kurz in die Augen, bevor er sich wieder abwandte und auf Emma hinunterblickte.
,,Eine Nachricht für Sie, Miss Wayen", berichtet er, überreichte ihr den Umschlag und verschwand auch schon wieder.
Etwas kritisch öffnete sie diesen und las laut vor.
,,Wie wäre es mit einem Spaziergang Miss Wayen? Ich werde in der Mitte des Irrgartens auf Sie warten. Schaffen Sie es, den richtigen Weg zu mir zu finden? - Brandon".
Sofort fing sie breit an zu grinsen und drückte das Stück Papier gegen ihre Brust.
,,Nun geh schon. Er wird nicht ewig auf dich warten!", sagte Angelina, worauf Emma sich noch schnell von uns verabschiedete und den Tisch verließ.
Dann seufzte sie. ,,Die Glückliche".
,,Du wirst auch bald dran kommen, keine Sorge", versuchte ich sie aufzumuntern. Im Gegensatz zu ihr war ich nicht wirklich enttäuscht darüber, dass ich nicht die erste bin, die mit Brandon ausging. Es ist erst der erste Tag und er hat ganze fünfzehn Frauen zur Auswahl. Dass die Chancen nicht allzu hoch sind, dass man als Erstes drankommen würde, war auch so schon klar gewesen.
Nach kurzer Zeit begannen auch schon die ganzen Interviews und nach und nach wurde jeder der Kandidatinnen aufgerufen.
Ich kam erstaunlicherweise sogar noch vor Angelina dran und befolgte die Anweisung mich in den zweiten Stock zu begeben.
Vor der Tür entdeckte ich im Flur einen Kameramann und wusste nun, wo genau ich hin musste. Während ich ihm immer näherkam, verfolgte er jeder meiner Schritte genaustens.
Daran würde ich mich wohl niemals gewöhnen. Zwar wurde man hier immer und überall gefilmt, jedoch hingen die Kameras und an den Wänden und versperrten einem nicht den Weg wie ein Kameramann.
Im Interviewraum ganz rechts in der Ecke, vor einem Bücherregal stand ein Stuhl, vor welchem sich ein ganzes Team von fünf Personen Platz nahmen.
Ich begrüßte alle ganz freundlich und setzte mich auf den für mich vorgesehenen Stuhl.
Die Aufregung stieg wieder.
,,Guten Morgen" begrüßte mich eine nette Dame, die sich als Simone vorstellte. ,,Ich bin dafür zuständig, euch über den Zeitraum, in dem ihr hier sein werdet, zu interviewen", erklärte sie.
Ich schätzte sie auf Mitte dreißig.
,,Erzähl uns doch bitte mal von deinem heutigen Morgen", forderte sie mich auf.
,,Okay, also", ich strich meine Haare nach hinten. ,,Da ich gestern Abend recht spät erst eingeschlafen bin, kam ich heute Morgen auch dementsprechend schlecht aus dem Bett. Doch Theo, mein Stylist, spielte die Rolle als mein menschlicher Wecker ziemlich gut". Ich sah wie Simone kurz schmunzelte und wieder auf ihr Klemmbrett sah, dass die ganze Zeit über schon auf ihrem Schoß lag.
,,Die Kameras gestern Abend haben aufgenommen, wie du auf deinem Balkon stehst und noch unten zu einem Security-Mann siehst, der dir übrigens entgegenblickte. Kennt ihr euch?".
Ich schluckte. Dass sogar auf meinem Balkon wohl eine Kamera versteckt ist, wusste ich nicht. Genauso wenig wie ich gewusst habe, dass sie so etwas wohl ziemlich schnell herausfinden konnten.
,,Nein, wir kennen uns nicht. Ich habe ihn lediglich nur dort unten bemerkt und mich gefragt, wer das ist. Nachdem ich gesehen habe, dass auf seiner Jacke ,,Security" stand, wandte ich mich auch schon sofort wieder von ihm ab und lief in mein Zimmer zurück", erklärte ich die ganze Situation. Und auch wenn das alles der Wahrheit entsprach, fingen meine Hände an vor Nervosität zu schwitzen.
Mit wurde plötzlich klar, dass ich mir hier keinen einzigen Fehltritt erlauben konnte, weil sie alles, wie es schien, immer gut im Blick hatten.
,,Danke. Das wäre dann alles für heute", beendete Simone das Interview und ich verabschiedete mich wieder von allen.
Ab jetzt musste ich wohl besser aufpassen, was ich tat und zu wem ich sah. Geschweige den, mit wem ich sprach. Solche unangenehmen Fragen sollen mir in Zukunft erspart bleiben.

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Mister X
Mystery / ThrillerEine verlorene Wette, ein Casting, ein Mister X, eine Reality-Show. Eigentlich ganz harmlos...wenn man natürlich die mysteriösen Briefe, das Verschwinden der Kandidatinnen, die ganzen Security-Männer und das seltsame Verhalten der Veranstalter ignor...