Kapitel 5

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Dein Zuhause - deine Festung.
Aber wofür brauchst du eine Festung?
Wer greift dich an?

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Die Woche verstrich sehr schnell. Ich hatte aber auch um ehrlich zu sein eine Menge zu tun. Ich war mir ewig nicht im Klaren, ob ich dort jetzt hinfahre oder einfach nicht hingehen sollte. Letzten Endes habe ich mich doch dafür entschieden, diese Chance zu ergreifen. Denn alles, was ich beim Casting gesagt habe, war auf irgendeiner Weise die Wahrheit gewesen. Auch wenn ich es mir vielleicht nicht eingestehen wollte, weil es so absurd war.
Ich wollte wieder etwas erleben. Ein weiteres Häkchen auf meiner imaginären Lebens-To-Do-Liste setzten. Ganz besonders bei dem Punkt um den ich schon so lange drumherum kreiste.

Ich saß nun mit Alisa, wie auch schon genau eine Woche zuvor im Auto. Sie hatte sich bereit erklärt mich wieder zu fahren, was sehr verwunderlich war, denn sie hatte sich die ganze Woche über von mir zurückgezogen.

Seufzend machte sie mit einer schnellen Handbewegung das Radio aus und sah kurz zu mir rüber.

,,Ja, ich war sauer", fing sie an, mit dem Blick auf die Fahrbahn gerichtet.

,,Sag bloß?", kommentierte ich und ergatterte daraufhin einen bösen Blick von ihr.

,,Du musstest dich noch nie für etwas anstrengen, um es zu bekommen. Es ist dir einfach immer alles in die Hände gefallen!", meckerte sie und strich sich aufgebracht vereinzelte Strähnen aus dem Gesicht.

Ich runzelte die Stirn. ,,Wie meist du das?".

,,In der Schule zum Beispiel, hast du immer bessere Noten bekommen, ohne dafür zu lernen, während ich das ganze Wochenende damit verbracht habe, mich vorzubereiten, um trotzdem immer wieder schlechter abzuschneiden als du".

Ich wollte sie unterbrechen, jedoch hatte sie sich schon in Rage geredet.

,,In der Schule als ich in Jan verknallt war und alles dafür getan habe, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen, hat er sich allen Ernstes im Endeffekt in dich verknallt, obwohl du noch nicht mal nett zu ihm warst!". Verärgert drückte sie etwas fester aufs Gaspedal und vorsichtshalber umklammerte ich meinen Anschnallgurt.

,,Du fängst ZUFÄLLIGERWEISE den Blumenstrauß auf Ninas Hochzeit. ZUFÄLLIGERWEISE! Während ich ihn eigentlich unbedingt haben wollte! Und im Club lasse ich dich nur kurz alleine an der Bar, weil ich auf die Toilette muss.... als ich wieder zurückkomme, macht sich jemand an dich ran, der sich später, natürlich, wie sollte es den bei deinem Glück auch anders sein, als Music Video Producer outet. Und selbstverständlich lädt er dich auch noch zu einem Dreh ein". Beim letzteren verdrehte sie die Augen.

,,Und dann das gestern", nun sprach sie leiser und klang etwas bedrückt. ,,Als ich dort in der Lobby saß, hatte ich mir kurzzeitig überlegt dort wirklich mitzumachen. Doch wie auch schon die ganzen Male davor hast du es ohne wirklich zu wollen geschafft und ich mal wieder nicht. Ehrlich gesagt, habe ich mich auch nicht sonderlich angestrengt, aber aus Erfahrung kann ich sagen, dass, auch wenn ich mich angestrengt hätte, ich niemals gegen dich angekommen wäre", sie seufzte. ,,Sag mir, warum ist das immer so?", nun drehte sie ihren Kopf wieder kurz zu mir.

Ein paar Sekunden blieb es still. Man hörte nur die Autos, die an uns vorbeifuhren.

,,Du weiß, ich kann da nichts dafür", sprach ich. Ja, sie möge recht damit haben, dass ich manchmal etwas bekomme, wofür ich gar nicht gestrebt habe, aber genauso wie sie, hatte auch ich Reinfälle bei den Sachen, die ich eigentlich wirklich wollte.

,,Ich weiß. Das ist mir dann auch im Nachhinein klar geworden. Deswegen will ich mich jetzt für mein Verhalten entschuldigen. Es frustriert einfach nur so krass, wenn deine beste Freundin gefühlt immer besser ist als du obwohl du dich so hart für etwas anstrengst".

,,Ich weiß, was du meinst", flüsterte ich. Ihre Worte brachten mich etwas zum Nachdenken. Denn eigentlich sah ich mein Leben nicht so, wie sie es tat. Ich hatte genauso viele Rückschläge erlitten wie auch sie im Leben. Oder überhaupt. Es gibt keinen Menschen auf dieser Welt, bei dem immer alles glattgelaufen ist.
Doch ich wollte das Thema nicht weiter fortführen und steckte eine CD in den Rekorder. Ich ließ das Lied 'TikTok' von Kesha laufen und fing sofort an schief und laut mitzusingen, woraufhin Alisa lachen musste und nach kurzer Zeit auch mitmachte. So verbrachten wir dann die restliche Autofahrt zum Schloss. Und alles, was vorher war, war schon vergessen.

Am Schloss angekommen stiegen wir sofort aus dem Auto, um das atemberaubende Schloss besser betrachten zu können.

,,Wo musst du jetzt eigentlich genau hin?", frage sie und sah sich genauso fasziniert um wie ich es tat. Das Schloss war riesig. Die Wände waren weiß gestrichen und es ragten Türme hervor. Echte Schlosstürme mit hellblauen Dächern. Auch wenn wir es nur von Hinten betrachtet konnten, war es wunderschön.
Da sich im Vorhof des Schlosses schon Reporter und Fotografen tummelten, die, die Hoffnung hatten jemanden schon vorher fotografieren oder ausfragen zu können, war unser Treffpunkt im Hinterhof des Schlosses. Wir dürften uns schließlich nicht frühzeitig erkenntlich zeigen, weil es sonst die Spannung vernichten würde.

Ich holte meine Tasche mit den nötigsten Sachen aus der Rückbank hervor und schmiss sie mir über die rechte Schulter.

,,Ich muss zu dem Türsteher da drüben", antwortete ich und zeigte zur Hintertür des Schlosses. Dann drehte ich mich zu ihr um, um sie zum Abschluss noch zu umarmen. Nachdem wir uns beide wieder voneinander gelöst hatten, umklammerte sie meine beiden Oberarme.

,,Du schaffst das. Hab keine Angst dich zu blamieren, denn das wirst du schon nicht. Um wenn doch, dann denke daran - das Fernsehen gibt es schon seit Ewigkeiten. Es gab also schon definitiv schlimmeres", versuchte sie mich zu beruhigen.

,,Wow, deine Aufbausprüche waren schon immer die wirksamsten", sagte ich ironisch und musste etwas auflachen. 'Jetzt bin ich definitiv beruhigt und entspannt'

,,Dafür bin ich doch da", sie grinste und ließ mich schließlich wieder los.

Während ich ein paar Schritte rückwärts ging, winkte ich ihr noch einmal kurz zum Abschied und machte mich dann mit schnellen Schritten auf den Weg zum Türsteher.

'Na dann, lasst uns das Abenteuer starten'

Mister XWo Geschichten leben. Entdecke jetzt