Nachdem uns das Kamerateam wieder zurück ins Schloss gebracht hatte, steuerte ich sofort das Zimmer von Angelina an. Freundlicherweise hat mir einer der Kameraleute verraten, wo es sich befindet.
Wenn sie doch so ein Liebespaar waren, wie es Brandon behauptet, dann würde ich auch Kayl dort antreffen. Für die Kameras sollte es so aussehen, als würde ich nur zu Angelina wollen und nicht eigentlich zu Kayl.
Alles, was ich in diesem Moment einfach nur wollte, war es ihn zu sehen. Mich selbst persönlich zu vergewissern, dass es ihm gut ging. Ich fühlte mich so schuldig. Schuldig dafür, dass andere für meine Vergehen leiden mussten und ich einfach nichts dagegen tun konnte.
Etwas nervös klopfte ich an der besagten Tür. ‘Warum zum Teufel fange ich nur wieder an zu schwitzen? Was ist nur los mit mir?!‘
,,Mira?“, verwundert öffnete Angelina mir die Türe. Verkrampft hielt sie sich mit der linken Hand ihren Kimono zu. Den Gürten davon bemerkte ich auf dem Boden hinter ihr und als ich mich etwas vorbeugte, sah ich auch Kayl. Mit verschränkten Armen stand er da und blickte mir entgegen. Und erneut konnte ich nicht deuten, welche Emotion er widerspiegelt. War es Wut? Verwunderung? Oder doch einfach nur Emotionslosigkeit?
Ich presste die Lippen aufeinander. Mein Kopf war plötzlich, wie leer gefegt und ich vergaß, weshalb ich eigentlich hergekommen bin.
,,Ich wollte nicht….em…..“, stammelte ich und sah zwischen den beiden hin und her. ,,Tut mir leid für die Störung. Ich gehe dann mal wieder“. Etwas durch den Wind drehte ich mich um und lief schnellen Schrittes zum Treppengeländer.
Erst in genau diesen Moment wurde mir klar, dass die ganzen Gerüchte nicht nur Gerüchte waren. Sie waren wirklich ein Paar. Ein Schlag ins Gesicht wie ich fand, denn eigentlich hatte ich bis zum Schluss gedacht, zwischen ihnen läuft nichts und Angelina würde es einfach immer wieder erfolglos versuchen. Doch dem war wohl nicht so. Ich hatte mich geirrt.
~
An darauffolgenden Morgen hatte ich erfolgreich verschlafen. Zu meiner Verwunderung hat auch Theo mich einfach weiter schlafe lassen und war genauso schnell wie er gekommen ist, mit den Worten ‘Du hast um 12 Uhr das Interview‘ auch wieder verschwunden. Vielleicht aber bin ich auch schon an dem Punkt angekommen, wo ich meine schlechte Laune nicht mehr verbergen konnte und Theo einfach weg geekelt habe. Das hätte durchaus sein können.
Als ich von selbst wach wurde, war es bereits nach 11 Uhr. Auf meinem Bett neben mir lag Kleidung, die mir Theo wohl für den heutigen Tag herausgelegt hatte.
Murrend rieb ich mir über das Gesicht. Ich wollte heute keinen sehen, mit keinem reden und ganz besonders nicht aus meinem warmen Bett kriechen. Das Drama hier belastete mich sehr und das mit Kayl kam nun auch noch dazu.
Ich musste mir eingesehen, dass ich Gefühle für ihn entwickelt habe. Auch wenn ich es eigentlich nicht vorhatte und schon gar nicht wollte. Ich hatte doch schon genug Probleme. Warum kam so etwas immer in den unpassendsten Momenten?! Immer, wenn es beschissener nicht kommen könnte, denkt sich das Schicksal so 'Ah, hier fehlt doch noch Liebe!'
Dass aber nun zwischen ihm und Angelina etwas läuft, machte die Sache ein Stück besser. Wenn auch nur ein winziges Stück. Je weniger wir miteinander agieren, desto sicherer ist es für ihn. Natürlich nur dann, wenn er sich von der Sache etwas zurückzieht. Nicht unnötig den Helden spielt.
Mir hat Brandon gestern mehr als nur gut zu verstehen gegeben, dass wenn ich mich nicht selbst im Zaum halte, er das tun wird. Oder besser gesagt nicht er, sondern der, der ihm Dinge durch das Earbud zuflüstert. Ich war mir fast sicher, dass auch er nur eine Schachfigur war. Er weiß nichts von den Briefen, die mir Mister X schreibt und auch sonst verhielt er sich anders als die Worte, die er ausspricht.
Hinter all dem steckt jemand anderes. Der, der alle unter Kontrolle hat.
Ich hob meinen Kopf zur Kamera. Der, der sehr interessiert an mir ist. Mister X. Der wahre Mister X.
Mit dem Blick auf die Uhr, stellte ich fest, dass es so langsam Zeit wurde sich fertig zu machen. Für heute hatte mit Theo einen schwarzen Lederrock, Plateausandalen und ein hellbraunes, schulterfreies Top zurechtgelegt.
Schnell zog ich mir alles über, band meine Haare zu einem hohen Zopf und schminkte mich nur ganz leicht.
Ich musste unbedingt mit Kayl sprechen. Daran führte kein Weg vorbei. Er musste mir sagen, wo er die ganze Zeit über festgehalten wurde. Vielleicht konnte das ja unser Anhaltspunkt werden. Und wir brauchten dringendst einen. Zu lange standen wir schon auf dem einen und demselben Punkt.
Pünktlich um 12, betrat ich die kleine Bibliothek, in der immer unsere Interviews abliefen. Wie gewohnt setzte ich mich auf den Stuhl vor dem Bücherregal.
,,Hallo‘‘, begrüßte mich Simone freundlich. ,,Du warst heute nicht beim Frühstück. Ging es dir heute Morgen nicht gut?“
,,Ich bin gestern nur spät nach Hause gekommen und war heute Morgen viel zu müde gewesen, um aufzustehen“, erklärte ich.
Sie nickte verstehend. ,,Wie lief das Date mit Brandon?“
Ich überlegte. ‘Soll ich die Wahrheit sagen oder doch besser lügen?‘
Ich entschied mich für das Lügen. Auf die Fragen warum und weshalb war ich nicht in Stimmung gewesen.
,,Es lief wie immer ausgesprochen gut“
‘Sieht man mir an, dass mein Lächeln aufgesetzt ist? Ich hoffe nicht‘
,,Ihr hättet gestern Abend eigentlich ins Restaurant fahren sollen, doch anstelle von, fand man euch Stunden später im Wald auf. Was war der Grund dafür?“
Ich nickte. ,,Ja, wir hatten keinen Hunger und haben uns stattdessen entschieden einen Spaziergang zu machen“, klärte ich auf.
,,Im Dunkeln?“. Sie runzelte ihre Stirn.
,,Ist doch romantisch, nicht?“. Ich zuckte mit den Schultern. Was Besseres ist mir in dem Moment einfach nicht eingefallen. Daran herumhacken würde sie sowieso nicht. Dafür hatte sie zu wenig Zeit und zu viele Fragen.
,,Ah ja“. Sie warf mir kurz einen ungläubigen Blick zu und sah wieder auf ihr Klemmbrett. ,,Dann hätte ich für heute noch eine allerletzte Frage an dich. Und zwar, hast du das mit Demi gestern mitbekommen?“
Meine Hände fingen an zu schwitzen. ,,Was mitbekommen?“
,,Sie ist gestern Abend von der Treppe gestürzt und musste ins Krankenhaus gebracht werden“
Meine Augen weiteten sich. ,,Geht es ihr gut?!“
,,Ich habe die Information erhalten, sie hätte eine leichte Gehirnerschütterung. Ich hätte gedacht, du wüsstest schon Bescheid. Ihr wart ja, so viel ich weiß, Freunde“, fragend blickte sie zu mir.
Mein Atem beschleunigte sich und in meinem Kopf fing es an zu rattern. ‘Er weiß, dass ich ihr etwas erzählt habe. Wie konnten wir nur glauben, er würde es nicht herausfinden?‘
,,Weißt du, wie das passiert ist?“
Sie nickte. ,,Wir haben die Aufnahmen durchgeschaut, um uns zu vergewissern, dass sie niemand gestoßen hat. Und nein, sie schien einfach nur gestolpert zu sein“, erklärte sie mir mit einem mitleidigen Gesichtsausdruck.
Einfach nur gestolpert also….
Ich schloss meine Augen. ‘Bitte lass das nur ein Zufall sein‘, hoffte ich. Doch innerlich wusste ich, dass es kein Zufall sein konnte. Es war er. Und er wird das mit jeder machen, der ich mich anvertrauen würde.
,,Mach dir keine Sorgen, sie wird schon wieder“, versuchte mich Simon zu beruhigen und legte ihre rechte Hand auf mein Knie.
Leicht nickte ich. ,,Wars das für heute? Kann ich gehen?“
,,Ja, natürlich“
Ohne mich zu verabschieden, stand ich auf und verließ den Raum.
‘Ich hätte wissen müssen, dass es mit mir und Demi herauskommen würde. Ich hätte an dem Abend nicht zu ihr dürfen. Scheiße, es war mal wieder alles meine Schuld!‘
Die ersten Tränen bannten sich den Weg frei und hinterließen eine nasse Spur auf meinen Wangen.
‘Ich wurde und werde an allen Ecken beobachtet, warum bin ich nur immer so neugierig und so unvorsichtig!‘
Am Fensterbrett stützend ließ ich meinen Kopf hängen.
‘Warum tut er mir das an? Warum gerade ich?!‘
Schwere Schritte ertönten und ließen mich aufschauen. Etwa zehn Meter weiter am Treppengeländer sah ich Kayl. Unsere Blicke trafen sich. Ohne auch nur seine Augen von meinen zu nehmen, lief er plötzlich direkt auf mich zu. Fast schon panisch weiteten sich meine Augen und hektisch fing ich an meinen Kopf zu schütteln.
Wir waren auf dem Flur, voller Kameras. Außerdem hätte in jedem Moment jemand den Flur betreten können. Uns sehen können. Und ich wollte mir nicht ausmalen, was dann passieren würde.
,,Du darfst nicht….“, fing ich an und wischte mit einer Hand schnell meine Tränen fort.
,,Ich habe die Videoaufnahme gestoppt, keine Sorge“, sprach er leise und schloss mich sogleich in eine Umarmung.
Nun brach der Damm vollends und unkontrolliert fing ich an in seinem Arm zu schluchzen. Meine Arme schlang ich um seine Mitte und drückte mich sogleich näher an ihn. Das hatte ich gebraucht. Nähe. Eine Person die einen versteht und weiß, was man durchmacht. Geborgenheit.
Ich fühlte mich in letzter Zeit so allein. Die Probleme häuften sich und ich konnte mit keinem darüber reden oder von jemandem Rat holen.
Diese Umarmung gab mir wieder Kraft. Zeigte mir, dass ich nicht allein war.
Beruhigend strich er mir über meinen Rücken und stütze sich mit seinem Kinn an meinem Kopf. Ich beruhigte mich relativ schnell wieder, da ich Angst hatte, jemand könnte in den Flur kommen und uns erwischen. Langsam löste ich mich von ihm. Seiner Umarmung. Seiner Nähe. Löste mich von dem Gefühl der Geborgenheit. Der Sicherheit.
,,Du hättest das nicht machen müssen“, schnief ich und atmete tief aus.
Dazu sagte er nichts. Er sah mich nur von oben herab emotionslos an. Wie konnte man sich nur die ganze Zeit über so beherrschen und kaum Emotionen zeigen? Oder war ich nur die Einzige, die ihn nicht lesen konnte? Verhielt er sich nur mir gegenüber so?
,,Komm heute Abend gegen 20 Uhr in Angelinas Zimmer“, waren seine einzigen Worte bevor er einfach ging und mich im Flur allein ließ.
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Mister X
Bí ẩn / Giật gânEine verlorene Wette, ein Casting, ein Mister X, eine Reality-Show. Eigentlich ganz harmlos...wenn man natürlich die mysteriösen Briefe, das Verschwinden der Kandidatinnen, die ganzen Security-Männer und das seltsame Verhalten der Veranstalter ignor...