Kapitel 11

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Als ich am nächsten Morgen erneut von einem ziemlich gut gelaunten Theo geweckt wurde, verließ ich noch schwerer mein gemütliches Bett, als am Tag zuvor.
 
Brandon und ich sind gestern Abend doch schon recht spät wieder zurückgekommen und bis ich mich bettfertig gemacht habe, verging auch noch etwas Zeit.
 
,,Wie war dein Date gestern?‘‘, erkundigte er sich, während er mir einen langen, dünnen Pullover überzog. Allmählich hatte ich mich schon daran gewöhnt, dass er mich anzog wie einer seiner Puppen.
 
,,Mega. Wir sind in einer riesigen Arena gegeneinander ein paar Rennen gefahren‘‘, erzählte ich mit leuchtenden Augen und musste wieder an den vergangenen Abend zurückdenken.
 
Er zog den grauen Strickpullover bis zur Mitte meiner Oberschenkel runter und runzelte die Stirn. ,,Hört sich aber nicht wirklich romantisch an‘‘.
 
,,Na ja, er hat mir Blumen geschenkt‘‘, widersprach ich und zuckte etwas mit den Schultern. Nicht jedes Date muss immer zwingend romantisch ablaufen. Die Hauptsache ist doch, dass man Spaß hat. ,,Keine Ahnung, mir hat der Abend jedenfalls gefallen‘‘, winkte ich ab, beendete somit das Thema.
 
Ich stellte mich vor den Spiegel und sah mich an.
 
Ich trug eine hautfarbenen Feinstrumpfhose mit dem langen grauen Pullover, der an der Hüfte eng war und oben etwas lockerer saß. Die Ärmel waren weit ausgeschnitten und lang. Dazu trug ich schwarze Stiefel mit Absatz. Diese waren an den Zehen aus Leder und der Rest bis zur Mitte meiner Oberschenkel war wie ein Netz gemacht.
 
Theo zog mir noch große, runde Ohrringe an und band meine Haare zu einem hohen Zopf.
 
Als ich mich dann auf den Weg in den Essensaal machte und wir an den ganzen hohen Fenstern vorbeiliefen, wusste ich auch, warum mir Theo einen Pullover übergezogen hatte. Draußen regnete es nämlich in Strömen und ein starker Wind wehte, der die Äste der Bäume wild umher zappeln ließ.
 
'Heute wird es wohl keine Spaziergänge im Garten geben' ,dachte ich traurig.
 
Im Essensaal setzte ich mich mit meinem Frühstück an unseren Tisch. Sofort bemerkte ich die erwartungsvollen Blicke von Angelina und Emma auf mir. Ich wusste genau, was sie von mir wollten und fing deshalb gleich darauf, auch schon an zu erzählen.
 
,,Er hat mit Blumen geschenkt, danach sind wir auf eine Arena gefahren und haben ein Autorennen gestartet‘‘, erzählte ich zusammenfassend.
 
,,Warte. Ihr saßt die ganze Zeit über in zwei verschiedenen Autos?‘‘, fragte Angelina mit gerunzelter Stirn.
 
,,Beim Autorennen schon, ja‘‘. Ich bemerkte ihre komischen Blicke auf mir und seufzte. ,,Ja, es war nicht sonderlich romantisch‘‘, sagte ich augenrollend. ,,Aber es war etwas, was ich nie in meinem Leben gemacht hätte, wäre ich nicht hier. Es hat sich also trotzdem gelohnt‘‘.
 
Daraufhin sagte keiner der Beiden mehr etwas zu meinem vergangenen Date. Stattdessen fingen wieder die Spekulationen, wer den als Nächstes drankommen würde, an.
 
Bei diesem Gespräch beteiligte ich mich nicht mehr, weil es mir schlussendlich vollkommen egal war, wen Brandon als nächstes daten würde.

Ich war schon dran und würde somit nicht mehr so schnell erneut drankommen.

~
 
Da heute keine Termine geplant waren, hatten wir somit den ganzen Tag über Freizeit. Außer natürlich die, die heute ihr Date hatten.
 
Ich war gerade auf dem Weg zu Angelina, weil wir beschlossen hatten einen Beauty-Abend bei ihr zu veranstalten. Da sie mir den Weg zu ihrem Zimmer nur beschrieben hatte, fiel es mir dementsprechend schwer, es in diesem großen Labyrinth aus Fluren zu finden. Als ich mir nach Flur Nr. 6 schon überlegte, einfach an irgendeiner Tür zu klopfen und nachzufragen, lief mir plötzlich Brandon entgegen.
 
,,Guten Abend, Mira‘‘, begrüßte er mich breit lächelnd und blieb genau vor mir zum Stehen. ,,Wohin des Weges?‘‘.
 
Automatisch setzte sich auch auf meinen Lippen ein Lächeln. 
 
,,Ich bin gerade auf den Weg zu einem Mädelsabend. Und du so?‘‘
 
,,Hört sich aber sehr wichtig und seriös an‘‘, sein Lächeln wurde auch breiter. ,,Ich hatte eigentlich ganz andere Pläne, aber nun, da ich dir hier gerade zufälligerweise über den Weg gelaufen bin, würde ich diese gern spontan umändern. Natürlich, nur wenn du damit auch einverstanden bist‘‘, meinte er, und sah mir dabei direkt in die Augen.
 
,,Wie wollen wir unsere Pläne denn umändern?‘‘, ich betonte das ‘unsere‘ und hob provozierend meine linke Augenbraue an.
 
,,Komm mit‘‘, er schnappte mich an der Hand und zog mich hinter sich die Treppe nach oben. Er ließ meine Hand nicht los, bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir wohl an seinem gewünschten Platz angekommen waren.
Er sah nach links und rechts, um sich zu vergewissern, dass uns keiner sah und schob danach die Statue, die sich mitten im Flur befand beiseite. Daraufhin entfachte sich ein schmaler Gang und eine Wendeltreppe, die noch weiter hoch führte.
 
Fasziniert lief ich nach ihm in den Gang. Er zog die Statue hinter uns wieder an Ort und Stelle und deutete mir an, die Treppe hochzugehen. Dies tat ich dann auch, ohne zu zögern. Man könnte meinen, ich sei verrückt, mit einem Mann, den ich kaum kannte, in einen dunklen Gang zu gehen, doch in diesem Moment verspürte ich kein bisschen Angst oder Nervosität. Ich fühlte mich wohl in seiner Nähe.
 
Die Treppe war sehr schmal und während ich mich nach oben begab, musste ich mich mit einer Hand an der Wand etwas abstützen, um mehr Halt zu finden. Bei der letzten Stufen angekommen, wurde mir auch schon klar wo wir uns befanden. Wir waren in einem der Schlosstürme.
Genau gegenüber von der Treppe war ein großes Fenster, auf welches ich aufgeregt zu stürmte. Der Ausblick war atemberaubend. Man hatte den Blick genau auf einen wunderschönen Wald.
 
,,Schön, nicht wahr?‘‘. Brandon stellte sich zu mir und sah nun auch durch das Fenster.
 
,,Woher wusstest du wie man hier hochkommt?‘‘, fragte ich ihn überwältigt von dem Anblick.
 
,,Ich war schon etwas früher hier als ihr es ward und somit hatte ich genug Zeit um mich mal gründlich umzuschauen‘‘, meinte er und stellte sich genau hinter mich. ,,Jedes Schloss hat so seine Geheimnisse‘‘, flüsterte er, sodass ich sofort Gänsehaut bekam als sein warmer Atem mich am Hals streifte. Dann streckte er seinen Zeigefinger nach vorne.
 
,,Siehst du den dicken Baum da drüben?‘‘, er zeigte in den Wald. Kurz musste ich meine Augen umherwandern lassen, um zu verstehen, welcher der Bäume er genau meinte. Dann nickte ich leicht.
 
,,Und siehst du auch das Baumhaus auf dem Baum?‘‘. Ich nickte erneut.
 
,,Das da drüben wird auch einer unserer Dates sein‘‘, flüsterte er und ich spürte seine Brust genau an meinem Rücken. Mir stockte der Atem. ,,Aber natürlich erst, wenn es so weit ist‘‘, fügte er hinzu, entfernte sich wieder und stellte sich neben mich. Jetzt fing ich wieder an, zu atmen.
 
,,Wie kannst du dir so sicher sein, dass ich diejenige sein werde, mit der du dahin gehen wirst?‘‘, ich drehte mich zu ihm und neigte meinen Kopf etwas zur Seite.
 
,,Weil ich entscheide, wer geht und wer bleibt‘‘, er machte ein paar Schritte rückwärts und grinste.
 
,,Also lässt du mich eine Woche länger hier?‘‘, schlussfolgerte ich und lief ihm mit kleinen Schritten hinterher.
 
,,Aber nur wenn du mir nicht zu nervig wirst‘‘, kurz zwinkerte er mir zu und blieb schließlich am Geländer zum Stehen.
 
Empört sah ich ihn mit offenem Mund an und musste lachen. Hätte ich ein Kissen, dann würde ich es jetzt auf ihn werfen, aber da dies im Moment nicht der Fall war, musste eben mein rechter Schuh diesen Part übernehmen.
 
Mit Leichtigkeit fing Brandon ihn und sein Grinsen wurde daraufhin noch breiter. ,,Was will ich nur mit einem Schuh? Wenn, dann bitte zwei‘‘.
 
Sofort zog ich auch noch meinen linken vom Fuß, doch bevor ich auch noch diesen auf ihn werfen konnte, stockte ich in meiner Bewegung und zog ihn kopfschüttelnd und mit einem Lächeln wieder an.
 
,,Nö, du bekommst nicht das, was du willst‘‘, meinte ich und stellte mich wieder gerade hin.
 
,,Ach so ist das?‘‘, nun kam er mir wieder näher. Er klemmte meinen Schuh zwischen seinem rechten Arm und Oberkörper, legte seine beiden Hände auf meine Taille und hob mich so an, dass ich nun auf dem Fensterbrett saß. Danach beugte er sich runter und zog mir meinen Schuh, den ich zuvor auf ihn geworfen habe, wieder an.
 
Ich musste schmunzeln. Es war eine sehr süße Geste von ihm und sofort erwärmte sich mein ganzer Körper.
 
,,Sind hier oben eigentlich Kameras?‘‘, fragte ich und sah zur Decke.
 
Brandon schüttelte nur seinen Kopf. ,,Es soll ja nicht gleich jeder wissen, dass du mir bis jetzt am besten gefallen hast‘‘.
 
Erstaunt darüber sah ich ihn wieder an. ,,Bis jetzt‘‘, neckte ich ihn mit gehobener Braue.
 
,,Bis jetzt‘‘, wiederholte er und hielt mir seine Hand hin, um mir wieder runter zu helfen.
 
Anschließend begleitete er mich noch bis zu meinem Zimmer und ab dort trennten sich unsere Wege.
 
Wie eine bekloppte lief ich mit einem breiten Lächeln durch mein Zimmer und schmiss mich Rückwärts aufs Bett.
 
Dieses Gefühl, welches ich genau in diesem Moment verspürte, hat mir die ganzen Jahre über gefehlt.
 
In diesem Moment war mir egal, dass Brandon sich möglicherweise nur so verhielt, weil das alles hier eine Show ist. Er gab mir das Gefühl, nachdem ich mich schon so lange gesehnt hatte und alles andere war im Moment vollkommen egal.
 
Schwungvoll stand ich wieder vom Bett auf und machte mich auf den Weg ins Badezimmer um mich Bettfertig zu machen.
 
Ich schloss die Badezimmertür hinter mir ab und machte mit einem ‚klick‘ das Licht an. Dann zog ich meine Schuhe von den Füßen und bevor ich mich meinem Kleid widmen konnte, vernahm ich eine Stimme hinter mir, die mich sofort aufzucken ließ.
 
,,Nicht schreien‘‘.

Mister XWo Geschichten leben. Entdecke jetzt