Kapitel 38

192 11 0
                                    

,,Mira, ich will dich ja nicht drängen aber es ist bereits über eine halbe Stunde vergangen", nervös drehte Thalila sich zu der Wanduhr, welche in meinem Schlafzimmer hing.

9.42 Uhr

,,Ich weiß. Ich weiß", sagte ich verzweifelt. ,,Aber ich habe schon alles Mögliche ausprobiert. Er lässt sich einfach nicht entsperren !". Frustriert legte ich den Laptop auf mein Bett und stand auf um daraufhin im Zimmer umher zu laufen.
Ich wusste das Passwort nicht. Es war unmöglich es zu erraten. Dafür kannte ich Kayl noch zu schlecht. Wobei wahrscheinlich auch das nichts gebracht hätte. Warum hat er mir nicht einfach sicherheitshalber von seinem Plan erzählt und für alle Fälle das Passwort verraten ?
War das beabsichtigt ? Hat er das als Plan B gesehen, dass falls ihm etwas zustoßen sollte, keiner an die Dateien ran kam und diese dann automatisch verschickt werden konnten, wenn der Empfang wieder hergestellt wird ? Oder er hat es wohl nicht für nötig gehalten, weil er nichts von dem Notfallgenerator wusste. Er wollte mich da wohl einfach nur raushalten. Tja, nun steckte ich mal wieder mitten drin.

Tränen sammelten sich in meinen Augenwinkeln. Wie konnte das alles nur so dermaßen ausarten ? Und wie konnte er mich nur, verdammte Scheiße, hier ganz alleine zurück lassen ?!
Wütend fing ich an meine Hausschuhe durch das Zimmer zu kicken während mir meine Sicht durch die Tränen immer mehr verschwamm.

,,Hay", hörte ich Thalila sanft sagen, die das ganze beobachtet hatte und mir nun immer näher kam. Sie schloss mich in eine Umarmung. ,,Es tut mir leid wegen Kayl", flüsterte sie und strich mir beruhigend über meinen Kopf.

Schniefend löste ich mich ein paar Sekunden später auch schon wieder von ihr. Ich steuerte auf den Schminktisch zu um meine nun etwas verlaufene Schminke noch irgendwie zu retten. ,,Wie bist du eigentlich in das Ganze hier reingeraten ?", fragte ich und putzte mir meine Nase. Das Mister X uns wahrscheinlich über ihr Earpod zuhörte ahnte ich. Jedoch dachte ich, er würde mir diese Frage durchgehen lassen. Laut ihm, wusste ich ja sowieso schon über die Dateien bescheid. Dagegen wäre diese Information doch harmlos.

,,Ich....", begann sie, sakte aber sogleich unter schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden. ,,Tut mir leid, ich kann nicht". Sie schüttelte ihren Kopf und ich nickte daraufhin nur. Wie es schien, waren die Dateien wohl doch noch nicht alles. Es gab noch deutlich mehr was er verbarg.

Ich sah auf die Uhr.

9.55 Uhr.

,,Wo befindet sich eigentlich das Schlafzimmer von Kayl ?", fragte ich interessiert.

Thalila richtete sich wieder auf und ich half ihr dabei indem ich ihr stützend meine Hand reichte.

,,Im unteren Stockwerk", antwortete sie und wir machten uns sofort auf den Weg dort hin. Ich hoffte dort etwas zu finden. Nicht das Passwort. Ich bezweifelte nämlich stark, dass Kayl es sich irgendwo aufgeschrieben und im Zimmer aufgehangen hat. Ich hoffe etwas zu finden, dass mich mehr Informierte. Das Kayl deutlich mehr wusste als ich, glaubte ich nun nicht mehr sondern wusste es mit Sicherheit. Er erzählte mir vieles nicht. Antwortete mir nicht auf meine Fragen. Verschob alles auf später. Ich befand mich schon seit Wochen hier und tappte immer noch so gut wie im Dunkeln.

Während ich das Zimmer von Kayl betrat, hörte ich ein leidenden Laut hinter mir. Thalila hielt sich mit der einen Hand den Kopf und mit der anderen stützte sie sich an der Wand. Das war das Zeichen dafür, dass nun eine Stunde vergangen war.

,,Geht's ?", fragte ich sie mit besorgter Mine.

Sie glitt mit dem Rücken die Wand hinunter und krächzte nur ein leises "Ja".

Ich biss mir auf meine Lippe, wissend ich konnte ihr nicht helfen. Also wandte ich mich von ihr ab um mich im Raum umzusehen. Das Zimmer war nicht sonderlich groß. Lediglich nur die Hälfte von meinem Schlafzimmer. Genauso war es nur notdürftig eingerichtet. Ein schmales Bett stand an der linken Wand, welche nur in einem tristen weiß gefärbt war. Neben dem Bett stand ein Schreibtisch aus hellem Holz. Der Kleiderschrank befand sich direkt gegenüber neben der Badezimmertür, von welchem ich nur die Farbe der Fließen erhaschen konnte, weil sie einen Spalt offen stand. Ein helles grün.
Ich lief auf den Kleiderschrank zu und öffnete ihn. Fast schon zu perfekt gefaltete Kleidung stapelte sich auf den Regalen. Mit meinen Fingerspitzen fuhr ich über den weichen Stoff seiner T-Shirts, welche ausschließlich in schwarz waren.

,,Er war ein Soldat", hörte ich Thalila hinter mir sagen. Ein leises quietschen des Bettes war zu vernehmen. Ohne mich umzudrehen, wusste ich nun, dass Thalila dort platz genommen hatte.

'Das er Soldat gewesen war, erklärte die Sauberkeit, mit welcher jedes dieser T-Shirts gefaltet wurde'

,,Alle Security-Männer sind eingeweiht. Mehr oder weniger. Vielleicht aber wissen sie auch alles. Ich habe keine Ahnung. Ich weiß nur, dass Kayl der einzige ist, der nichts wusste", erzählte sie.

Ich legte meine Stirn in Falten und zog eines der T-Shirts aus dem Stapel. ,,Warum nur er ?", fragte ich immer noch mit dem Rücken zu ihr gedreht.

,,Kayl ist nur Zufällig hier rein gerutscht. Cole hatte die Aufgabe die Namen und persönliche Daten von allen einzutragen und an Mister X weiterzureichen, als einer der Männer absprang". Das Wort "absprang", sagte Thalila in einem Tonfall, welcher daraufhin deutete, dass dahinter wohl eigentlich etwas ganz anderes steckte.

Ich führte das T-Shirt in meine Händen zu meiner Nase und roch dran. Enttäuscht musste ich feststellen, dass es nur nach Waschmittel duftete. Daraufhin versuchte ich es wieder sorgfältig zu falten und sauber auf den Stapel zu platzieren, was die gesamte Idylle in diesem Schrank zerstörte, da es mir nicht sonderlich gelang. Seufzend schloss ich die Schranktüren wieder und drehte mich zu Thalila damit diese fortfuhr.

,,Da nun ein Security-Mann fehlte, musste ein Neuer her. Man hatte Kayl zuvor in einem der Überwachungsräumen erwischt, in welchen euer Casting überwacht wurde. Wo er herkam und überhaupt woher er gewusst hat, wo die Überwachungsräume sich befanden, kann sich keiner erklären aber wir schließen drauf, dass er gewusst hat, hier stimmt etwas nicht"

,,Wir ?", unterbrach ich ihre Erzählung.

,,Ich und Cole. Als man Kayl erwischte, sagte er nur, er hätte sich lediglich verlaufen. Aber wäre das der Fall, hätte er nicht schon am ersten Tag im Schloss angefangen zu schnüffeln und alles was ihm aufgetragen wurde zu hinterfragen. Er stellte zu viele Fragen. Ging an Orte die nicht für ihn bestimmt waren", Thalila drehte ihren Kopf zum Fenster, welches uns einen Ausblick auf dunkle Wolken freigab.

,,Aber warte....Wie kam er jetzt letzten Endes ins Schloss ? Er wurde doch beim Schnüffeln erwischt. War das nicht zu riskant ihn hier arbeiten zu lassen ?", fragte ich verwirrt.

,,Cole war derjenige, der ihn erwischt hatte. Uns fehlte ein Mann und er stellte ihn ein. Natürlich ohne jemandem von dem Vorfall zu erzählen. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich und Cole noch nicht, dass hier etwas vor sich geht. Genauso wenig wussten wir von unseren implantierten Chips. Er stellte Kayl also nur ein, um nicht noch jemand anderen suchen zu müssen", erklärte sie schulterzuckend.

Ich verschränkte meine Arme und drehte meinen Kopf ebenso zum Fenster. Wieso war Kayl von Anfang an so skeptische gewesen ? Und was war mit dem Security-Mann, welcher abgesprungen ist ? Hat er etwas geahnt und wollte deswegen nicht mehr mitmachen ? Und woher erfuhr Kayl von all dem ?

,,Wir sollten uns lieber auf die Suche machen. Es ist bereits 10.25 Uhr", wies mich Thalila darauf hin mit dem Blick auf ihre Armbanduhr.

,,Ja", ich nickte zustimmen und stellte mich vor den Schreibtisch auf welchem alles sauber und ordentlich auf seinem Platz lag. Links befand sich ein Stapel an leerem Papier und rechts gegenüber lagen drei schwarze Kulis. Ich setzte mich auf den Stuhl und schob den Stapel an Papier etwas näher zu mir.

'Warum musste auch ausgerechnet ich den Laptop entsperren ? Hat er den keine Hacker um sich herum die diese Aufgabe übernehmen konnten ?!'

Wütend verteilte ich das Papier auf dem gesamten Schreibtisch und fing an alles umher zu schieben. 'Er denkt, ich wüsste was auf den Dateien stand....Ließ er nur deswegen nur mich an den Laptop ? Weil kein anderer die Dateien sehen darf ? Was verdammte Scheiße stand dort nur drin ?!'
Ich stockte in der Bewegung. Zwischen all dem unbeschriebenen Papieren trat ein kleines Post-it hervor. Es befand sich wohl so ziemlich in der Mitte des Stapels.

49°02'51.8"N 14°26'19.7"E

'Koordinaten ?'
Ich runzelte meine Stirn. 'Waren es die gleichen, welche auch er mir gegeben hatte ?'

Ich spickte kurz zu Thalila nach hinten, welche sich im Badezimmer befand. Was genau sie dort finden wollte, war mir ein Rätsel, jedoch war es ein sehr günstiger Zeitpunkt für mich gewesen das Post-it zu falten und in meinen BH zu stopfen. Das sich hier im Zimmer keine Kameras befanden, bemerke ich schon nach meinem ersten Schritt hier rein.
So gut es mir gelang, stapelte ich das gesamte Papier und schob alles auf seinen rechtmäßigen Platz zurück.

,,Was gefunden ?", fragte ich Thalila, die gleich darauf auch schon aus dem Badezimmer kam.

,,Nein, du ?"

Ich ließ meinen Blick nochmals über den Tisch streifen während ich vom Stuhl aufstand. Dann schüttelte ich meinen Kopf.

Wir verließen das Zimmer. Plötzlich wurde Thalilas Chip erneut aktiviert und brachte uns beide dazu mitten im Fur stehen zu bleiben. Mit den Händen auf dem Kopf, sackte Thalila auf ihre Knie und unterdrückte einen Schmerzensschrei. Der Schmerz hielt dieses Mal länger an als beim ersten Mal und war, wie es aussah deutlich stärker.

,,Alles okay ?", fragte ich mit besorgter Stimme, als sie nicht mehr so angespannt schien. Vorsichtig legte ich meine Hand auf ihre Schulter.

Sie nickte nur woraufhin ich ihr half sich wieder aufzurichten.

,,Ich glaube, ich gehe mich mal kurz hinlegen", sagte sie etwas wackelig auf den Beinen.

,,Komm, ich begleite dich noch bis zu deinem Zimmer", schlug ich vor, doch sie schüttelte ihren Kopf. Ich bemerkte ihren erschöpften Blick. Diese Schmerzen raubten ihr wohl eine Menge an Kraft.

,,Verlier du lieber keine Zeit und finde das Passwort heraus. Die Schmerzen werden von Mal zu Mal schlimmer und ich glaube nicht, dass ich das allzu lange durchhalte".

Ich presste meine Lippen aufeinander. Das es immer jeden anderen traf außer mich, war zum Verzweifeln. Würde es nur um mich gehen, wäre es ja noch halb so schlimm. Aber nicht ich war die, welche diese Schmerzen erleiden musste, sondern sie.

Thalila verabschiedete sich noch von mir und machte sich auf den Weg in ihr Zimmer. Ich lief in die gegengesetzte Richtung in meines. Ich spürte das zusammengefaltete Post-it bei jeden meiner Schritte ein kleines bisschen an meiner Brust kratzen. Nachdem Kayl, an dem Abend, an welchem wir uns das aller letzte Mal gesehen hatten, gegangen war, warf ich das kleine Stück Papier, welches er mir zuvor gab achtlos in die goldene Deko-Vase im Badezimmer. Ich verfluchte mich jetzt dafür es nicht mal angesehen zu haben. Denn nun war ich mir nicht mehr so sicher, die Koordinaten darauf vorzufinden.

Ich betrat mein Badezimmer und schritt schnurstracks auf das Regal über der Badewanne zu, auf welchem sich die kleine goldene Vase befand. Ich drehte diese in meiner Hand kopfüber und schüttelte daraufhin etwas. Das besagte Stück Papier landete Sekunden später auch schon auf meiner Handinnenfläche. Ich faltete es auf.

Z248002

Mister XWo Geschichten leben. Entdecke jetzt