Kapitel 32: Darians Vergangenheit und mein Scheitern

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Und was wurde aus Ashwor? Was hat sich jetzt verändert? Hast du den Gefallen eingelöst? “, fragte ich ihn, von seiner Geschichte komplett erstaunt. Er hatte mich wirklich nur schützen wollen.

Seine Schultern sackten bei meiner Frage noch ein bisschen tiefer. Er biss sich auf die Lippe, nickte und unterdrückte ein gequältes Aufstöhnen.

„Ashwor starb. Obwohl ich mich beeilt hatte wieder mit der Medizin zurückzukehren, war es bereits zu spät. Er starb wegen mir.“ Ich runzelte die Stirn. Das war nicht richtig, Darian hatte seinen Bruder nicht sterben lassen, er hat für ihn gekämpft, bis zu seinem Tode. Er fuhr fort, wieder in unerreichbarer Ferne für mich.

„Aber der Handel war bereits besiegelt worden. Ich war einen Pakt mit dem Feind eingegangen. Jeden Tag musste ich darum bangen, was dieser Dunkelwicht von mir fordern könnte und als dann auch du noch hier herkamst, war ich einfach zu überfordert. Alles entglitt meinen Händen, bis ich mich genauso fühlte wie damals. Aber ich hatte Glück gehabt.“ Jetzt hob er wieder den Kopf und sah mir mit seinen türkisen Augen ins Gesicht. Unserer Situation zum Trotz hob sich mein Herz bei seinen Worten ein wenig und ich stellte überrascht fest, das ich während seiner Erzählung geweint hatte. „In den vergangenen 2 Monaten führte ich den Auftrag aus, den mir der Dunkelwicht aufgetragen hatte. Für den ich meine Schuld begleichen musste.“

Nun wurde ich immer neugieriger. Wenn er nicht an der Front gekämpft hatte wie alle sagten, wo genau war er dann? „Was musstest du tun, Darian?“ fragte ich ihn deshalb leise. Seine Miene zeigte ihn diesem Moment großes Bedauern, wieder wendete er den Blick von mir ab. „Ich habe dem Feind eine mächtige, uralte Macht besorgt. Ein Amulett, das einem die geistige Kontrolle über andere Personen oder Wesen gibt.“ Erschrocken sog ich die Luft ein und schlug die Hand vor den Mund. Damit könnten sie überall in Reiim Spione unterschmuggeln! „Aber Darian..-“ Weiter kam ich nicht, denn wir wurden durch ein Klopfen an der Tür unterbrochen.

Schnell sprang Darian vom Bett auf und brachte so viel Abstand wie nur möglich zwischen uns beide. Die Tür wurde aufgerissen und eine mit Tränen überströmte Serafina spurtete in den Raum. Als sie mich sieht, brachen alle ihre Dämme und schluchzend zog sie mich in ihre Arme. Verwirrt sah ich Darian über ihre Schulter hinweg an. Was war denn los mit ihr? „Jage mir nie wieder so einen Schrecken ein, hast du verstanden?! Du bist schließlich meine beste Freundin! Ich dachte,.. als du so umgekippt bist. Und der Ritter.“ ihre Stimme war einerseits bestimmend, aber auch Erleichterung und Besorgnis mischten sich hinzu. Lächelnd schlang ich meine Arme auch um sie. Eine Weile hielten wir uns nur schweigend in den Armen, bis mich die Realität wieder zurückholte.

„Darian, Serafina?“

„Ja?“antworteten sie gleichzeitig.

„Wie viele sind gestorben? Wie lange war ich bewusstlos und wie geht es den Verbliebenden?“ Diese Fragen beschäftigten mich schon seit meinem Aufwachen, doch ich war bis eben zu abgelenkt gewesen.

Unter meinen Fingern spannten sich Serafinas Muskeln an. Darian antwortete schließlich. „1/6 der Bewohner von Reiim wurden gestern getötet, das sind 4.000 Feenwesen. Darunter waren 1.600 Zivilisten. Die Krankenhäuser, oder was davon noch übrig geblieben ist, sind überfüllt.“ Er biss seine Zähne mittlerweile so fest zusammen, dass sein Kiefermuskeln deutlich hervortraten. „Darüber werden 2 Elfen vermisst. Beide werden als Verräter angeklagt, weil sie unter dem Verdacht stehen, die Tore von Reiim für den Feind geöffnet zu haben. Thalia und Faramir.“

Serafina löste sich langsam von mir und stellte sich neben Darian. Ich schlang mir bei seiner Ansprache die Arme um den Oberkörper, weil ich mich innerlich ganz taub und kalt fühlte. Jedes Wort, das er zuvor ausgesprochen hatte, bohrte sich wie ein Pfeil in mein Gedächtnis. 4.000 Leben waren verloren gegangen, wir wurden hinters Licht geführt und das nur, weil ich es nicht verhindern konnte. Als Prophetin hatte ich auf ganzer Linie versagt. Wäre ich stärker gewesen, hätte wir dann die Initiative ergreifen können und somit all dieses Leid hier verhindert?

Du warst zu schwach Mädchen. Die Stimme in meinem Kopf war nicht mehr als ein leises Flüstern, dennoch besaß sie die Macht mir meinen Mut zu nehmen, meine Entschlossenheit und meinen Willen zum Kampf. Verzweifelt fasse ich mir mit den Händen an den Kopf. „Keiner ist mehr sicher vor ihnen, sie schlachten uns alle ab. Einen nach dem anderen“, murmelte ich langsam.

Sie kommen, weil du hier bist. Weil sie dich wollen. Willst du dich ihrem Willen beugen? Oder bleibst du hier? Die Stimme wird immer lauter, immer fordernder. „Hör auf!“ brüllte ich und handelte mir im Laufe dessen einen seltsamen Blick von Serafina und Darian ein.Ich glaubte auch in ihren Augen einen Schimmer von eigener Schuld zu sehen, dabei wusste ich doch das ich daran die Schuld trug. Ich würde es niemals vergessen, und ich würde mir nie aufhören, mir selbst die Schuld für alles zu geben, für mein gesamtes, schreckliches Scheitern als Retterin der Elfen.

Die Retterin der Elfen (Buch 1)- Completed!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt