Kapitel 35: Eine unerwartete Entdeckung

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Langsam schob ich den Stoff meines langen Gewandes über der Brust beiseite. Erschrocken wich ich einige Schritte zurück. Genau an der Stelle, an der ich in meinem Traum erstochen wurde, lag eine rote kleine Narbe.

Vollkommen fassungslos blieb ich mitten im Badezimmer stehen. Und entsetzt. Entsetzt darüber, dass die Geschehnisse in meinem Traum eine Auswirkung auf die Realität hatten. Ich verstand einfach nicht, was es zu bedeuten hatte. Lag es an dem Traum- oder doch an mir? Er war zu schnell vorbei gewesen, als das ich hätte genügend Schlüsse daraus ziehen können. Erneut versagte ich. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass das die Geschichte meines Lebens war. Meine Schwester war viel zu früh verstorben, mein Mum und mein Dad ließen mich daraufhin allein und Freunde hatte ich vor Serafina nie richtig gehabt. Niemand hatte mir etwas über all das hier erzählt, meine Bestimmung, Heilios oder diesen Krieg.

Und jetzt konnte ich einfach keinen Anhaltspunkt dafür finden, wo sich das Schwert befindet, das diesen Krieg beenden soll. Ich begriff auch nicht, was dieser Traum zu bedeuten hatte. Jupp, Scheitern enormen Ausmaßes und tragische Verluste schienen definitiv zu meinem Leben zu gehören. Ich setzte mich wieder auf mein riesiges Bett und musste beschämt feststellen, dass ich Ysera geweckt hatte. Er kam mit seinem massigen Körper auf mich zu geschlendert.

Er legte seinen Kopf auf das Bett und musterte mich aus bernsteinfarbenen Augen- Augen, die im Moment so unergründlich und traurig aussahen. Leise winselte Ysera, sodass ich davon ausging, dass es mich trösten wollte, selbst wenn er nicht genau verstand, wieso ich traurig war.Mit einem Seufzen streckte ich den Arm aus und streichelte seine langen, erstaunlich weichen Ohren. Ysera gab einen genießerischen Laut von sich und schob seinen Kopf näher an mich heran.

Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich besser, als ich ihn streichelte- obwohl er groß genug wäre um mich zu fressen. Ich streichelte ihn weiter. Die Minuten vergingen, dann waren es Stunden. Ich tat es so lange, bis ich endlich in einen traumlosen Schlaf glitt.

Der darauffolgende Tag war außergewöhnlich durchschnittlich. In voller Montur stellte ich sicher, dass ich schon einige Minuten vor Beginn des Waffentrainings auf dem Trainingsplatz stand, obwohl ich vollkommen übermüdet war.

Ich wollte unbedingt noch mit Darian reden, denn ich musste noch die letzten Ungewissheiten mit ihm aus dem Weg schaffen. Doch er tauchte nicht auf. Stattdessen erwartete mich Serafina. „Tut mir leid, Hope. Darian hat gesagt, das er noch einiges zu erledigen hat und sich nicht gut fühlt.“

„Geht mir genauso“, murmelte ich leise. Aber ich hatte mich schnell wieder gefasst und beschloss, Serafina zu fragen, was Träume hier bedeuteten. Ich wollte auch unbedingt noch ein paar andere Dinge mit ihr klären. Aber nicht hier.

„Wie wäre es denn, wenn du mir jetzt, da das Training ausfällt, Gesellschaft beim Frühstück leistest?“

Sie hatte den Wink verstanden und nickte grinsend. „Stets zu Diensten, Sir.“ Sie salutierte wie ein gehorsamer Soldat und sah dabei so ernst aus, das ich anfing zu lachen. Kurz darauf stieg auch sie mit ein. Wir verließen den Trainingsplatz und machten uns auf den Weg zu meinem Schlafzimmer. Auf dem Weg kamen wir an Elfenrittern vorbei, die wie wild trainierten. Meine Gedanken drifteten zu Darian.

Ich wusste nicht, was mit ihm los war, was ihn so beschäftigte, aber ich vermisste ihn jetzt schon, denn ich brauchte dringend jemanden, mit dem ich über meine Welt reden konnte, einfach um wieder das Gefühl von Normalität zu bekommen. Wir betraten den Palast und gingen den langen Flur auf der linken Seite entlang, bis wir an meinem Zimmer angekommen waren. Langsam drückte ich die Türklinke herunter, weil ich dachte, dass Ysera wahrscheinlich noch schlafen würde und ich ihn nicht aufwecken wollte.

Serafina setzte sich wieder auf den Sessel, in dem sie bei unserem letzten Gespräch gesessen hatte und ich setzte mich ihr gegenüber. Das ganze löste den Hauch eines Deja-Vu- Gefühls bei mir aus.

„Also worüber willst du reden?“, fragte Serafina aufgeregt. Ihre Augen glitzerten wie Perlen. „Gehst es um Jungs? Weißt du, ich wollte ja schon immer mal so etwas mit Freundinnen machen, bin bisher aber noch nicht dazu gekommen.“ Ein kleiner aufgeregter Kreischer entringt ihren Lippen. Sie war total aufgedreht. Doch ich musste sie erst einmal enttäuschen.

Ich räusperte mich um ihre Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Dieses Mädchen hatte eindeutig zu viel Energie, bemerkte ich lächelnd. „Ich habe noch ein paar Fragen Serafina“ Die Elfe sah starrte mich überrascht an. Nach einer Sekunde kniff sie die Augen leicht zusammen, aber ein leichtes Lächeln schob sich trotzdem auf ihr Gesicht. Mit einem kleinen Seufzer lehnte sie sich zurück. „Och maaan, und ich dachte jetzt können wir mal über dich und Darian reden. Aber das kann auch noch bis danach warten. Also schieß los.“ Als sie Darian erwähnte wurde ich augenblicklich rot im Gesicht, was mir ein schallendes Lachen ihrerseits einbrachte. Genervt verdrehte ich die Augen. „Nur um das mal klar zu stellen: Ich bin nicht in ihm verliebt.“

Das Klang selbst in meinen Ohren wenig Überzeugend, ich hoffte aber, dass es seinen Zweck erfüllt hatte. „Deshalb denkst du ja auch gar nicht an ihn, Hope“ Sie lachte lauthals. Erschrocken sah ich sie an. „Woher weißt du davon?“ Sie riss überrascht die Augen auf. „Hat dir niemand etwas davon erzählt?“ Verwirrt schüttelte ich den Kopf. Wovon redete sie bitte? Auf einmal schien es ihr unangenehm zu sein, mir davon erzählen zu müssen. Aber sie tat es trotzdem. „Naja Hope, also.. ich weiß nicht wie ich das jetzt am Besten sage. Elfen haben bestimmte magische Fähigkeiten. Jeder hat seine eigene individuelle Kraft, aber wir alle haben etwas gemeinsam.

Wir können Erinnerungen sehen. Und manchmal auf Gedanken lesen. Natürlich lernen wir uns zu schützen, man nennt diese Gabe Abschirmung. Dadurch wird verhindert, dass jemand deine Gedanken oder Erinnerungen sieht. Aber wenn wir starke emotionale Gefühle aussenden, dann verfällt die Abschirmung kurzzeitig. Bei dir passiert so etwas hin und wieder, deshalb können wir in deine Vergangenheit sehen und auch deine Gefühle sind frei zugänglich. Tut mir Leid, ich dachte du wüsstest davon.“

Beschämt sah sie zur Seite. Ich war total überrumpelt. Das hatte Darian bei unserem ersten Gespräch mit Abschirmung gemeint, deshalb wusste Serafina also von Faith und sie hatte immer wieder gesehen, was ich für Darian gefühlt hatte. Die Erkenntnis schlug mir so stark ins Gesicht, dass ich glaubte, Serafina hätte mir einen mit einer Keule übergebraten. Wussten alle davon, was ich über Darian dachte? Wusste er selbst davon?

So viele Gedanken kreisten in meinem Kopf herum. Auch Serafina schien es zu bemerken und hob die Hände. „Nein, nein, mach dir keine Sorgen! Es kann immer nur eine Person deine Gedanken oder Gefühle sehen und auch nur dann, wenn du in einem Gefühlschaos steckst. Wir versuchen uns immer so gut wie es geht zu beherrschen, weil wir wissen was passieren kann. Ich habe mich schon immer gewundert, wieso es bei dir überhaupt passiert ist.“

Mitfühlend sieht sie mich an. „Dein Geheimnis ist bei mir sicher. Ich werde niemandem von deinen Gefühlen für Darian erzählen. Aber es ist gut, dass ich dir davon erzählt habe. Es hätte so viel Schlimmes geschehen können!“ Sie schlug die Hände vor den Mund. „Stell dir doch mal vor, was passiert wäre, wenn jemand deinen wahren Namen herausfinden würde!“ Ein Schauer lief mir den Rücken herunter. Es erklärte so viel, was um mich herum passiert war. Auch mir war so etwas schon passiert. Ich hatte Darians Gefühle gespürt, als ich ihn geküsst hatte, kurz vor der Schlacht.

Die Erkenntnisse brachen wie schwere, große Wellen über mir zusammen. Darian mochte mich. Ich mochte ihn ja auch, aber daraus konnte doch gar nichts werden, schließlich durfte ich mich gar nicht so zu ihm hingezogen fühlen. Er war ein Elfenprinz und ich eine Kriegerin, die diesen Krieg beenden sollte! Konnte alles noch komplizierter werden?

Oh ja, das konnte es, flüsterte eine Stimme in meinem Kopf.

AN:

Das mittlerweile 35. Kapitel dieses Buches:) Es wird bald wieder spannender, also keine Sorge:) Ich hoffe einige eurer Fragen werden hier drin geklärt. Viel Spaß beim Lesen** Würde mich über Kommentare riesig freuen:) 

Die Retterin der Elfen (Buch 1)- Completed!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt