Kapitel 33: Der Wille zum Kampf

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Ich würde es niemals vergessen, und ich würde mir nie aufhören, mir selbst die Schuld für alles zu geben, für mein gesamtes, schreckliches Scheitern als Retterin der Elfen.

Später an diesem Tag begruben wir einige der Verstorbenen auf dem großen Friedhof, direkt zwischen weiten Blumenfeldern. Den ganzen Vormittag über meldeten sich unzählige Wesen freiwillig, um die Gräber zu schaufeln, und obwohl ich nichts lieber tun wollte, als mich im Bett zusammenzurollen und nie wieder aufzustehen, bestand ich darauf zu helfen.

Mittlerweile waren die Vorbereitungen beendet und gefühlt standen alle verbliebenen Bewohner des Königreich Reiims hier versammelt. Auch ich trug nun wieder meine, wieder vom Blut befreite Rüstung, den Kopf hielt ich gesenkt. In diesem Moment trat Drawyai, auf das hohe Podest, das anlässlich zu ihrer Rede in die Mitte der Menge gestellt wurde. Sie strahlte pure Macht aus, auf ihrem Gesicht ist ein entschlossener Ausdruck zu sehen. Mit ruhiger Stimme beginnt sie:

„Meine Freunde!“ Ja klar, sie und ich waren beste Freundinnen.

„Gestern ereignete sich etwas, das wir alle gefürchtet haben. Wir wurden angegriffen. Und wir verloren unsere geliebten Menschen. Gestern starben viele Unschuldige in unseren Reihen. Frauen, Kinder, Hilflose und Kranke. Aber danken wir auch den ehrenwerten Rittern, die im Kampf gegen die dunkle Macht fielen. Ich bitte euch alle, eine Minute zu schweigen, für sie. Für all jene, die uns so viel Bedeutet haben und es immer noch tun. “

Es war totenstill. Ich starrte die vielen Hügel aus lockerer, brauner Erde an und schüttelte den Kopf. Schmerz und Einsamkeit legte sich wie eine dicke Schicht über diesen Tag. Neben mir stand Serafina. Sie weinte leise, also nahm ich ihre Hand und lächelte ihr leicht zu.

Wahrscheinlich hatte sie gestern einige Freunde verloren. Die sonst so starke Drachenreiterin wirkte im Moment viel kleiner, zerbrechlicher. Die Flüche, die Schreie, das Scheppern von Stahl auf Stahl. All diese Erinnerungen erschienen wieder vor meinen Augen als ich den Blick über die Gräber schweifen ließ. Es war wie ein undeutlicher Traum. Angst und Bedauern in mir auf und durchbrachen den Nebel , in den mein Geist die vergangenen Minuten gehüllt gewesen war.

„Die Angreifer wurden von zwei Elfen durch da Tor gelassen. Unter uns gab es zwei Verräter“, sprach Drawyai weiter, ihre Stimme wurde immer schneidender und ihr Blick schweifte über die Menge hinweg. Augenblicklich erklangen wütende Laute in den Reihen. „Faramir und seine Schwester Thalia wurden aus Reiim verbannt. Jeglicher Kontakt zu ihnen ist verboten. Wir werden alles in unserer Macht stehende tun, um sie zu finden und angemessen für ihre Taten zu bestrafen. “, versprach sie. Die Menge jubelte. Aber ich blieb reglos stehen.

Bist du nicht Schuld daran, Mädchen? Du hättest ihren Verrat erkennen müssen, du bist doch die Prophetin, oder nicht? Erneut erklang die gehässige Stimme in meinem Kopf, zog mich immer weiter in eine Dunkelheit, aus der ich so schnell nicht mehr heraus kommen würde. „Zum Abschluss dieses Begräbnisses bitte ich unsere Prophezeite zu mir um einige Worte an das Volk zu richten.“ Wie bitte? Ich sah erschrocken zu ihr auf, auf einmal wurde ich das Zentrum der Öffentlichkeit. Mist. Ich wollte erst ablehnen, aber ihr Blick ließ mich zögern. Sie sprach keine Bitten aus, mein Erscheinen auf der Bühne war ein Befehl gewesen. Wollte ich? Nein, ganz bestimmt nicht. Ich hätte lieber gegen Trolle gekämpft, als gleich eine Ansprache vor allen Bewohnern eines Königreiches zu halten, aber was blieb mir anderes übrig?

Ich lächelte ein gekünstelt zaghaftes Lächeln. Beim Weitergehen, direkt auf die Tribüne zu, fühlte ich ständig die prüfenden Blicke auf mir. Ich gab mir Mühe, sie zu ignorieren wie ich es normalerweise tat und betrat gespielt beherrscht das Podest um meinen Platz neben der Königin der Elfen einzunehmen. Als ich die gesamte breite dieser Menge sah, zitterten meine Knie noch einen deut stärker und mein Magen verkrampfte vor Nervosität. „Bloß keinen Druck oder so“, murmelte ich noch einmal leise, bevor ich tief Luft holte und anfangen wollte zu sprechen. Ich sah mich um. Überall um mich herum standen hunderte, tausende magischer Wesen voller erzürnter, trauriger und gebrochener Mienen. Viele hatten die Hoffnung aufgegeben, die Hoffnung auf den Sieg. Und dann wusste ich, was ich hier zu tun hatte. Was wirst du jetzt tun Mädchen? Ich ignorierte die Stimme, blendete sie aus meinem Bewusstsein aus. Das hier war meine Aufgabe, meine Bestimmung. Also straffte ich meine Schultern und trat einen Schritt vor. Mein Hand griff wie von selbst nach meinem Schwert und zog es aus seiner Scheide. Gebannt lauschten alle anwesenden meinen Worten.

„Es stimmt. Wir haben Brüder, Freunde, Söhne und Töchter verloren. Sie alle wurden brutal und ohne Rücksicht aus unseren Leben gerissen. Können wir sie das durch gehen lassen? Geben wir ihnen deshalb die Macht über uns? Lassen wir sie ihr Ziel erreichen und betrachten die Opfer, die diese tapferen Helden, die gestern starben, brachten als sinnlos? “ Meine Stimme war fest und ruhig und meine Worte schienen den gewünschten Effekt zu erzielen.

Die Menge entgegnet mit überzeugten Kreischen, wütenden Schreien und hoffnungsvollen Blicken. Das Adrenalin strlmt immer schneller durch meine Adern und verlieh mir eine bisher unerkannte Selbstsicherheit. Ich hob mein Schwert in den Himmel. „Nein sage ich! Wir werden die Gefallenen rächen und diese Welt zu einem Ort machen, an dem sie hätten überleben können. Wir werden niemandem die Chance geben uns unter zu kriegen. Kämpft mit mir!“ Gejohle und Kampfesschreie ertönten in den Reihen und tausende Schwerter worden gleichzeitig in den Himmel gehoben. Ein endloses Meer aus Waffen, bemerkt ich erstaunt. Ein Lächeln lag auf meinen Lippen, denn ich wusste, dass ich das richtige getan hatte. Die Elfen hatten wieder Hoffnung erlangt. Auch Darian grinste mir stolz zu.

Die Retterin der Elfen (Buch 1)- Completed!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt