Kapitel 31

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Ich brach innerlich zusammen und wieder liefen die Tränen. Ich konnte nur ein schwaches "Ja" hervorbringen und sie nahm mich fest in die Arme. Ich habe im grunde nie darüber nachgedacht, warum er sich so oft meldet. Hab auch nie irgendeine Nachricht gelesen. Meistens gelöscht oder einfach ignoriert. Sollte es wirklich so sein, das er mich so sehr liebt? Aber warum hat er mir dann so weh getan? Ich verstand es nicht und es dauerte lange, bis ich mich wieder beruhigt hatte. Ich erzählte Jessi, wie es mir wirklich ging, das sich jede faser meines Körpers nach ihm sehnt, das ich jede Nacht nur von ihm Träume, ihn überall sehe, selbst seinen Duft nahm ich noch wahr, auch wenn er schwächer wurde. Ich vermisste ihn so schrecklich. Sie tröstete mich die ganze Zeit und holte irgendwann einen großen Karton voll mit Briefe hervor. Oh mein Gott, das müssen über hundert Stück sein und bin sprachlos. Sollten die etwa alle von ihm sein?


"Wo hast du die her?" fragte ich.


"Die sind alle aus deinem Briefkasten. Es verging so gut wie kein Tag, an dem nicht ein Brief von ihm drin war. Ich habe sie nach Datum sortiert. Von oben nach unten, wenn du sie lesen möchtest" erklärte sie mir.


"Ich, ich weiß nicht" murmelte ich total überfordert.


"Es muss ja nicht sofort sein. Lass dir Zeit und wenn du meine Hilfe brauchst, dann sag einfach bescheid. Du weißt ja, wo ich bin" meinte sie lächelnd.


"Dankeschön" flüsterte ich nur noch, den Tränen schon wieder sehr nahe.


Am Abend saß ich auf dem Bett und dachte nach. Soll ich sie wirklich lesen? Ich starrte die Briefe an, die vor mir im Karton lagen. Wollte er es mir erklären? Wollte er sich entschuldigen? Mich gar wiedersehen? Ich konnte und wollte es nicht glauben. Ich hatte Angst, Angst vor dem was drin stehen könnte, vor dem, was seine Worte in mir auslösen könnten. Vielleicht streute er damit nur noch mehr Salz in die Wunde? Entschlossen schob ich den Karton zurück unters Bett und ging schafen.


Am nächsten morgen fühlte ich mich ausgelaugt. Hatte ziemlich unruhig geschlafen. Ich machte mir ein Kaffee, setzte mich auf die Couch und nahm mein Handy das erste mal seit einer Woche in die Hand und war entsetzt. Er ließ nicht locker. 92 Anrufe und 124 SMS. Ein Anruf war von Kim und 2 Sms von Anne, doch der rest war alles von ihm. Der Kerl war doch einfach nur verrückt und krank. Ich löschte die Anrufliste und ignorierte die SMS. Bloß weg mit dem Handy. Ein Blick zur Uhr verriet mir, ich musste mich für die Arbeit fertig machen. Ich putzte mich ein wenig raus. Abends wollten wir, also Jessi und ich, ein wenig Jessi ihren Geburtstag feiern. Ich wusste, sie wünschte sich eine große Party, doch ich wollte niemanden ausser Jessi in meine nähe haben und so verzichtete sie für mich darauf und wollten nur Essen gehen und danach bei mir Filme schauen. Was für eine wahnsinns Freundin. Das würde ich alles nie wieder gut machen können. Mitlerweile war sie praktisch bei mir eingezogen und dafür liebte ich sie sehr. Sie strahlte eine Ruhe aus, die meistens ansteckend war, konnte aber gleichzeitig total aufgekratzt sein was ebenfalls ansteckend sein konnte.


Die Tage verstrichen und ich hatte die Briefe total vergessen, bis ich sie eines Tages beim staubsaugen wieder fand. Ich nahm den Karton und stellte ihn aufs Bett. Nahm den obersten Brief in die Hand und starrte ihn an. Ich setzte mich aufs Bett und öffnete den Brief. Ich atmete tief durch und fing an zu lesen.


Liebe Tessa,

meine liebste Tessa. Es tut mir so wahnsinnig leid. Ich wollte nicht, das es so raus kommt. Ich war total fasziniert von dir, vom ersten Blick an und so wahnsinnig verrückt nach dir, das ich in deiner Nähe kaum ein klaren Gedanken fassen konnte. Ich wollte dir niemals weh tun, bitte glaube mir das. Ich kann nur erahnen, wie du dich jetzt fühlen musst. Ich würde dir gerne persönlich erklären, warum das so gekommen ist, warum ich es dir nicht erzählt habe.
Bitte melde dich bei mir. Ich denke immer zu an dich und du fehlst mir so wahnsinnig, das mein Herz nur noch nach dir schreit.

In Liebe Samu


Und wieder flossen die Tränen. Ich laß mir, bis auf den letzten Brief, alle Briefe durch. Waren in etwa alle gleich. Viele entschldigungen, viele versuche, mich davon zu überzeugen, das er mich liebte. Es brannte, es schmerzte in mir drin. Ich nahm den letzten Brief. Er ist etwa 2 Wochen alt und seit dem kam nichts mehr von ihm. Keine SMS, keine Anrufe, keine Mails und keine Briefe mehr. Verabschiedete er sich in diesem Brief? Ich öffnete ihn und begann zu lesen.


Tessa,

meine kleine süsse Tessa. Ich vermisse dich so sehr. Nichts ist mehr, wie es vorher war, seit du weg bist. Mein Leben, meine Gedanken und Träume, alles dreht sich nur noch um dich. Ich liebe dich so sehr. Noch nie habe ich jemanden so sehr geliebt, wie dich. Ich wusste gar nicht, das ich fähig bin, so zu lieben. Dich so zu lieben. Mein Leben ist aus den Fugen geraten, seit du weg bist und ich weiß, das ist meine Schuld. Ich vermisse dein Lächeln, deine sanften Augen, deine Berührungen, deine nähe, einfach die gewissheit, das du da bist. Doch dies wird der letzte Brief von mir sein. Ich bezweifle, das du jemals irgendwas davon lesen wirst und das tut weh, so unendlich weh. Ich wünsche mir aber weiterhin, das du dich meldest, das ich dir persönlich alles erklären kann. Das du mir vielleicht irgendwann verzeihen kannst und vielleicht besteht ja doch noch eine geringe Chance auf eine Zukunft für uns beide. Ich werde dich immer lieben, jede Sekunde bleibst du in meinen Gedanken. Eins sollst du noch wissen. Für dich würde ich alles aufgeben. Ich würde für dich überall hinziehen, ich würde meine Band verlassen, ich würde der Musik komplett den Rücken zu drehen, wenn du das möchtest.
Ich werde jeden Tag beten, das du dich meldest. Nur ein kleines Zeichen von dir und ich bin sofort bei dir!

In ewiger, nie vergehender Liebe, dein Samu

Never aloneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt