„Der Hirsch!", rief Veronica, als sie nur noch ein paar Schritte von der Straße entfernt waren. Bei dem ganzen Adrenalin in ihrem Körper hatte sie das Tier vergessen. „Wir müssen..."
„Warte, Vero!", rief April, die sich dessen bewusst war, dass ihrer Freundin der Anblick des toten Tieres nicht gut bekommen würde. „Ich werde nachsehen."
„Nein!", erwiderte Veronica beharrlich. „Ich mache das."
„Lass April nachsehen", sagte Konrad und hielt sie an der Schulter zurück. „Komm, wir gehen zum Wagen."
Veronica lehnte sich erschöpft an die Fahrzeugtür. Ihre mit getrocknetem Blut getränkte Jeans verströmte einen widerlichen Geruch und sowohl der Smaragd als auch ihre Hände waren blutverschmiert.
Konrad fiel nichts mehr ein, wie sie zurück in die kleine Stadt kommen sollten. Am vernünftigsten erschien ihm noch die Idee, weiter nach der psychiatrischen Klinik zu suchen. Auf der Suche nach einer Lösung fiel sein Blick auf Sidney, der immer noch seinen Diamanten begutachtete.
„Es ist besser, wenn wir die Edelsteine wegpacken", schlug er vor und ging zum Kofferraum.
Er versteckte seinen Rubin in einem Täschchen in einer anderen größeren Tasche in seinem Rucksack. Sidney nahm seinen Rucksack und als er ihn öffnete, kamen viele Sachen zum Vorschein; er war vollgestopft mit unnützen Dingen. Angestrengt versuchte er, einen Platz für seinen Diamanten zu finden.
April ging auf ihre Freunde zu, als sie nach dem Hirsch geschaut hatte.
„Er ist gestorben", sagte sie mit ihrer zarten Stimme.
Veronica merkte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Schnell senkte sie den Kopf, um ihr Gesicht zu verbergen, damit es niemand sieht. Sie öffnete den Reißverschluss ihres Rucksacks und tat so, als bräuchte sie eine Weile, um einen Platz für ihren Smaragd zwischen den einzigen beiden Dingen darin zu finden.
„Erledigt!", rief sie, nachdem sie sich wieder gefangen hatte.
„Pack deinen Edelstein weg, April", riet ihr Konrad.
Das Mädchen wickelte den Saphir in einen dünnen Pullover und legte ihn vorsichtig in ihre Handtasche. Konrad machte sich daran, die Kletterausrüstung seiner Schwester im Kofferraum zu verstauen. Später würde er sie anrufen und ihr erklären müssen, wozu er das Seil und den Bengalo gebraucht hatte.
In der Ferne tauchten aus nördlicher Richtung zwei gelbe, blendende Lichter auf, die ihnen auf der Straße entgegenkamen.
„Seht nur!", rief Sidney.
„Boom!" Veronica ahmte das Geräusch einer Explosion nach und riss ihre Hände nach oben. „Ich habe euch gesagt, dass jemand vorbeikommen würde."
Die Scheinwerfer gehörten zu einem riesigen Lastwagen, der mit hoher Geschwindigkeit fuhr. Das Fahrzeug schaukelte hin und her und erweckte den Eindruck, dass der Fahrer ein Anfänger im Führen von schweren Lastfahrzeugen sei. Das Fahrzeug bremste und der Container neben den jungen Leuten geriet so sehr ins Schwanken, dass es den Anschein hatte, er würde sie zerquetschen. Ein Mann mit einer Mütze ließ die Fensterscheibe herunter. Sidney versuchte sein Gesicht zu erkennen, konnte es aber nicht, weil die Fahrerkabine völlig dunkel war und die Mütze das spärliche Mondlicht verdeckte, das hineinschien.
Die vier gingen so dicht beieinander wie möglich auf den Lastwagen zu, keiner von ihnen wollte allein mitten auf dieser trostlosen Landstraße bei Nacht sein.
„Was ist hier passiert? Braucht ihr Hilfe?", fragte der Fahrer mit einer dumpfen und voluminösen, tiefen Stimme.
„Gott sei Dank sind Sie hier vorbeigekommen, unser Wagen hat einen Platten und wir brauchen Hilfe", sagte Konrad mit einem aufgesetzten Lächeln und streckte seine Hand hinauf zum Fenster des Trucks, um den Fahrer zu begrüßen.
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Die Edelsteine von Uspiam
FantasyApril, Konrad, Sidney und Veronica sind vier Jugendliche, die in einem beschaulichen Städtchen mitten in einem riesigen Waldreservat leben, in dem nie etwas Aufregendes passiert. Wenigstens bis zu jenem Tag, als die vier Freunde mitten auf der einsa...