Kapitel 6

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Konrad las konzentriert auf einem Stuhl in der Cafeteria und jemand legte eine Zeitung auf sein Exemplar von „Das Parfüm" von Patrick Süskind und hinderte ihn so am Weiterlesen. Er schaute auf, um zu sehen, wer es war: Dasha Kovac, ein Mädchen mit rötlichem Haar und Mittelscheitel, der ihr gewelltes, schulterlanges Haar teilte. Ihre weiße Haut hatte auf der Nase und um die Nase herum Sommersprossen. Sie hatte einen sehr schlanken Körper ohne etwas Besonderes, aber Dashas kerzengerade Haltung, sogar wenn sie saß, verlieh ihr einen Hauch von Eleganz.

„Hallo Konrad", sagte sie und gab ihm ein Küsschen auf beide Wangen.

„Dasha!", rief Konrad, schlug das Buch ruckartig zu und zerquetschte die Zeitung darin. „Wie geht's dir?", fragte er, bevor er seinen Blick von den hellbraunen Augen des Mädchens abwandte.

„Gut", antwortete sie. „Ich bin ein wenig beschäftigt, weil das neue Schuljahr angefangen hat."

Dasha hatte den Posten der Schülersprecherin der Schule inne, der mehrere Aufgaben außer der Reihe mit sich brachte. Sie war mit der Organisation der meisten besonderen Veranstaltungen betraut: Tanz, Elterntreffen, Wohltätigkeitsveranstaltungen, Basare und Weihnachtsdekorationen.

„Der erste Tag des neuen Semesters und schon hast du zu tun", seufzte Konrad.

„Ich zeige den neuen Schülern die Schule, das habe ich noch nie vorher gemacht. Voriges Jahr kam kein neuer, weißt du, und dieses Jahr sind drei in unserer Klasse und noch ein paar mehr in den Klassen über uns."

„Ein paar Ausländer", sagte Konrad schmunzelnd, „vielleicht bekommt Uspiam dadurch einen Platz auf der Landkarte."

„Das glaube ich nicht", antwortete Dasha lachend. „Also gut, ich habe nur ein paar Minuten Zeit und ich bin hergekommen, um dir etwas zu sagen."

„Sag schon."

„Du bist herzlich zu einem Abendessen bei mir zu Hause eingeladen, am letzten Freitag des Monats. Meine Mutter wird ihre Dessertspezialität zubereiten, Bananenkuchen."

„Ich?", rief Konrad überrascht.

„Ja, du. Meine Eltern wollen mit dir reden."

„Reden? Mit mir?", sagte Konrad zögernd.

„Ja, mit dir."

Konrad war perplex. Er hatte nie recht verstanden, was für eine Art Beziehung er mit Dasha hatte. Sie verbrachten ihre Zeit mit Dingen, die normalerweise Pärchen tun. Sie gingen ins Kino, gemeinsam zum Abendessen und sogar im Park spazieren, aber auch wenn er es sich gewünscht hätte, hatten sie sich noch nicht einmal geküsst. Er war sich vollkommen sicher, dass er dieses Mädchen mochte, seit sie vor zwei Jahren angefangen hatten, häufig miteinander zu reden, auch wenn er keine Ahnung hatte, ob das Gefühl auf Gegenseitigkeit beruhte.

„Ich werde dieses Essen nicht versäumen", versicherte ihr Konrad.

„Acht Uhr, komm nicht zu spät", sagte Dasha und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Ich muss los, die Pflicht ruft."

Konrad konnte sie nicht einfach so gehen lassen, sie hatte ihm eine wunderbare Einladung ausgesprochen. Er wollte sie wenigstens erwidern.

„Dasha!", rief er, als er sie auf dem Weg eingeholt hatte.

„Was ist?", fragte sie und drehte sich um.

„Hast du gesehen, dass sie im Kino einen neuen Thriller zeigen?", fragte Konrad das Erste, was ihm in den Sinn kam.

„Natürlich...Warum?"

„Möchtest du hingehen und ihn anschauen?", fragte er sehr verlegen und rechnete mit dem Schlimmsten.

Die Edelsteine von UspiamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt